Plattenkritik: deathcrash – less (Untitled (Recs))Eruption mit Plan

deathcrash less cover

Die Londoner Band untermauert mit ihrem zweiten Album, dass der Mittelpunkt kluger Rockmusik schon länger in England liegt und auch weiterhin bleiben könnte.

Als ich im letzten Jahr das Album „Return“ der Londoner Band deathcrash für mich entdeckte, war ich tief erschüttert. Im Guten natürlich. Zeitloser Post-Rock mit wohl dosierten Distortion-Ausbrüchen, so wie ich es lange liebte und auch ein bisschen trauerte, dass diese Musik so wenig stattfindet im 21. Jahrhundert. Nun ist die Band bestehend aus Sänger und Gitarrist Tiernan Banks, Bassist Patrick Fitzgerald, Gitarrist Matthew Weinberger und Drummer Noah Bennett mit einem neuen Album da. „less“ wurde auf den Hebriden aufgenommen und zeigt sich noch eine Spur konkreter, minimalistischer und fokussierter. So gesehen ist der Albumtitel programmatisch. Man meint in den sieben Songs die Abgeschiedenheit, Natur und Stille der Hebriden sprichwörtlich zu atmen. Das Setting war offensichtlich für die Band inspirierend. Eigentlich sollten nur ein paar Songs für eine EP aufgenommen. Dass daraus ein Album wurde, war gar nicht der Plan – aber wenn der Lauf da ist, dann muss man ihn mitnehmen – sagt man doch.

Die Räume, die hier entstehen, sind von Klarheit und reflektierter Distanz dominiert, bleiben aber nahbar, um dann wieder sehr direkt und persönlich zu werden. Diese junge Band wächst symbiotisch und ist für Großes gedacht. Die Musik verweigert sich zu vielen Diskursen und Einordnungen und will eigentlich nur gehört werden. Daher fällt es mir auch schwer, irrsinnig ausführlich darüber zu sinnieren und klug zu scheißen, ohne dabei die typischen, aber auch bemühten Referenzen wie Slint, Codeine und Mogwai wiederzukäuen. Ich denke, das hier ist anders und könnte auch anders werden. Es ist eine andere Zeit, ein anderes Mindset und eine andere Welt, in der diese Songs entstehen. Wundersamer ist, dass so eine Musik dennoch so geschieht, wie sie geschieht. Das macht die ganze Angelegenheit für mich noch viel eindringlicher und irgendwie auch berührender. Das ist die Art von Bandmusik, die das 21. Jahrhundert bitter benötigt und durchaus weiterbringen kann.

„Wir wollen den Sound Berlins neu beleben“DJ Spit im Interview

Pageturner – April 2023: normal beschädigt, zeitgemäß utopisch, systemisch glücklosLiteratur von Una Mannion, Virginie Despentes und Marion Messina