Plattenkritik: Sleaford Mods – UK Grim (Rough Trade)Konstant schlecht drauf

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Es wird zur Tradition wie Weihnachten. Sleaford Mods aus Nottingham bringen auch 2023 wie zuletzt einmal im Jahr ein neues Album heraus. Auch die aktuelle LP „UK Grim“ ist alles andere als eine Neuerfindung. Aber genau das ist die Sache.

Jason Willamson und Andrew Fearn sind eine in der Musikwelt einmalige Erscheinung. Die alten weißen Männer aus England machen nichts von all dem, was man heute von einem erfolgreichen Act erwarten müsste. Es wird seit jeher gerotzt und gespuckt, geflucht und geschimpft. Die Produktionen quick and dirty, die Studios und Aufnahmebudgets wurden mit wachsendem Erfolg weder opulenter noch bombastischer. Wäre Punk nicht vor 45 Jahren erfunden worden, müsste für Sleaford Mods der Terminus im 21. Jahrhundert geschaffen werden. Zeitkritische Tiraden, die Salz in gesellschaftliche Wunden mit Schaufeln streuen, Kippe darin ausdrücken und mit fuseligem Schnaps nachspülen. Die regelmäßig erscheinenden Alben von Sleaford Mods sind so etwas wie jährliche Insider-Chroniken über das untergehende England geworden. Post-Brexit, Eisbergsalate, die Premierministerinnen überdauern, Armut, leere Gemüseregale, Rechtsruck, den Jason Williamson poetisch „Aldi-Nationalismus“ nennt und eine privilegierte Elite, die die Spaltung nur weiter vorantreibt. „UK Grim“ ist nun das zwölfte Album der Band. Für Williamson und Fearn gibt es keinen Anlass, die Füße hochzulegen. Dabei könnte man sich mal eine „kreative Auszeit“ gönnen, aber so läuft das hier nicht. Die Welt muss ja erfahren, was da oben passiert. Es ist mal wieder jene renitente Dringlichkeit, die die eigentliche Energie dieser Musik ausmacht. Sleaford Mods sind so etwas wie die impertinent anstrengenden, aber bauernschlau besten Freunde, die an einem verrauchten Kneipenabend mit 20 Bier verbal die Welt mit blutig zynischem Humor kleinhacken, auseinandernehmen und dabei keinen Stein auf dem anderen lassen. Wenn auch musikalisch die Sequenzen von Andrew Fearn hier und da mal kitschiger und hookiger werden – aber auch nur, um im nächsten Moment wieder mit einem sprotzenden Pruster am Tresen zerstäubt zu werden. „Alter, das hast du jetzt nicht geglaubt, du Flachpfeife! Ich lach mich tot!“

Features gibt es von Perry Farrell und Florence Shaw von Dry Cleaning. Normalerweise gibt es Features, um die eigenen Sachen glamourös aufzuwerten. Im Falle von Perry Farrell, dem Erfinder des Lollapalooza und Sänger von Jane’s Addiction, ist es aber genau anders herum. Es klingt fast so, als würde der Superstar auf Knien um ein bisschen Straßenkredibilität betteln. Sleaford Mods sind halt auch Gönner und im Herzen nette Menschen. Auch das macht das Werk der Band zu einer Vertrauensangelegenheit. Der Working-Class-Ethos wird hier nicht nur oberflächlich propagiert sondern hochgradig produktiv gelebt. Schaffe, schaffe, keine Zeit für Sperenzchen oder Ornat. Papa muss aufn Bau. Die Kinder brauchen neue Fußballschuhe.

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