Plattenkritik: Astrid Sonne – Great Doubt (Escho)Kein Outsider-Pop

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Die dänische Musikerin Astrid Sonne wagt auf ihrem dritten Album den nächsten Schritt. Dass sie zu ihren Stücken singt, war überfällig.

Astrid Sonne kommt aus Dänemark und ist studierte Bratschistin. Schrieb Ji-Hun im Februar 2022, damals war ihr Album „outside of your lifetime“ erschienen. Zwei Jahre später hat die Musikerin nun ihre nächste, dritte, LP veröffentlicht. Mit „Great Doubt“ setzt die Wahl-Londonerin ihre Suche fort. Nach was? Das wird auf den neun Tracks zumindest etwas klarer.

Denn Astrid Sonne, und das ist der erste Grund, warum ich ihre Musik toll finde, ist schon seit langer Zeit in ganz unterschiedlichen kreativen Gewerken unterwegs. Neben „klassischen“ Alben konnte das Filmmusik sein, Sound für Videoinstallationen, die mal auf ihrer eigenen Musik basieren, mal nicht, oder ganz eigene Klanginstallationen. So hat sie mit den Jahren ein vielschichtiges Œuvre aufgebaut, das mit zahlreichen DJ-Sets beim Radio ergänzt wurde. Und eigentlich ist das schon der zweite Grund, warum ich ihre Musik toll finde. Trotz aller angedeuteter Stringenz ist ihr Werk schwer zu fassen. Eigentlich möchte ich von Songs reden, ganz egal wie Track-haft oder skizziert es in der Regel klang. Denn für einen Song fehlte Astrid Sonne bislang fast komplett die vielleicht wichtigste Zutat: der Gesang. Trotzdem fühlte ich den Song-Ansatz irgendwie. Fragt mich nicht warum.

Auf „Great Doubt“ ändert sich das nun fundamental. Ist das schon der dritte Grund, warum ich ihre Musik toll finde? Weiß ich gar nicht. Vielleicht finde ich es noch heraus. Lasst mich anders beginnen mit meiner Annäherung an „Great Doubt“. Die Songs (ja!) auf dem neuen Album vereint eine gewisse stillte Wucht. Alles wirkt ein klein wenig dringlicher und auf den Punkt, auch wenn es immer noch gilt, im Kopf viele, wirklich sehr viele lose Enden miteinander zu verbinden, um das minimalistische Dickicht zu durchsteigen und zu begreifen. Vielleicht sind es einfach nur die immer wieder auftauchenden zerrenden Drums, die in kurzen Momenten am dringend zu durchlüftenden Federbett der Vorsicht rütteln. Vielleicht aber aber eben doch die Vocals und Lyrics, die Sonnes Musik eine neue Ebene geben, die im Kopf der losen Enden bislang selbst gesummt werden musste. Vielleicht ist es auch der „Hit“ „Give my all“ (hi, Mariah Carey) oder das noch größere „Staying here“, das mich von einer Supergroup träumen lässt, deren allesamt weibliche Mitglieder ich hier nicht ins Internet schreibe.

Der vierte und wichtigste Grund, warum ich Astrid Sonnes Musik so toll finde, ist, dass sie auf „Great Doubt“ dieses musikalische Tohuwabohu beibehält. Konzertante Verweigerung, aufgereiht auf einer Perlenschnur der gegen den Strich gebürsteten popakademischen Ausbildung. Obskure Sample-Sounds und -Presets. Das ist kein Unvermögen, nein, nein, nein, im Gegenteil. Das ist eine der zahlreichen Entscheidungen, die Astrid Sonne trifft, um ein Pop-Album realisieren zu können, das unfassbar hell strahlt. Wie eine Sonne eben.

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