Review: Apple iPhone 11 Pro Max (+ Apple Watch Series 5)Pictures Of You

Review iPhone 11 Pro Max lede

iPhone 11 (links), iPhone 11 Pro Max (rechts)

Neue Telefone und eine neue Uhr: Immer im Herbst will Apple die mobile Kommunikation und das persönliche Well-being mit frischen Geräten noch besser machen. Und immer im Herbst versucht Thaddeus Herrmann, das nachzuvollziehen. Bei den aktuellen iPhones dreht sich neben Performance und Akkulaufzeit alles um die Kameras. Also hört der Redakteur den alten Cure-Klassiker „Pictures Of You“ und hält drauf. Und die neue Apple Watch? Nach mehreren Wochen sieht der Autor auch hier klar – und nicht mehr so oft aufs Display. Oktober halt.

Warum brauchen die denn so lange? Die neuen iPhones sind jetzt seit fünf Wochen im Handel und aus der Technik-Redaktion kommt kein einziger Satz? Mal anrufen, haben ja die Durchwahl da. Tuuut. Tuuut. Tuuut. „Hi, das ist die Mailbox von ...“. Frechheit. Alle Medien aus der „Branche“ haben schon die glamourösesten Fotos von den Handys geknipst, die glossigsten Videos produziert, die Specs runtergerappt undsoweiterundsofort. Und von DF? Nüschte. Ich kündige gleich mein Steady-Abo! Und was ist überhaupt mit dieser neuen Uhr aus Cupertino, die, bei der das Display jetzt immer an sein soll. Gleich nochmal anrufen. Tuuut. Tuuut. Tuuut. „Hi, das ist die Mailbox von ...“. Echt keinen Bock mehr. Da lese ich doch lieber wieder Engadget und sterbe in der Tracking-Hölle! Ey, lass mich mal weiterschreiben hier, ist wichtig, bin mich am beschweren. Eeeeeyyyyy ...

Hi, bin wohl gehackt worden. Schnell mal das Passwort im CMS getauscht. Aber natürlich hat dieses trollige Brüllmonster recht. Irgendwie. Auch wenn ich nie Reviews zu neuer Technik in Rekordzeit geschrieben habe, hat es dieses Mal dann doch etwas länger gedauert. Was ich in den vergangenen fünf Wochen gemacht habe? So einiges. Vor allem zwei neue iPhones und eine neue Apple Watch mit mir rumgetragen. Aber auch mal durchgezählt, über wie viele iPhones ich schon Texte geschrieben habe – nicht nur hier, sondern auch in anderen Medien. Und kam auch die nicht ganz verbindliche Zahl von 15. Erst klopfte ich mir selbst anerkennend auf die Schulter, dann schluckte ich zwei Tage lang Pillen gegen Schwindel. Denn auch wenn es meine Profession ist, mich mit neuen Schaltkreisen auseinanderzusetzen, hatte ich mir von Beginn an geschworen, niemals Artikel über Technik zu schreiben, die sich wie eine Postkarte aus Nerdistan lesen. Ich bin nämlich kein Nerd. Ich bin User. Und im Gestrüpp aus popkulturellen Referenzen, Borderline-Interviews und dem Wunsch, neue Technik einfach so gut es geht einzuordnen, gehen mit mehr und mehr die Worte aus. Wie kann man die Geschichte eines Telefons immer wieder neu twisten?

Ich habe in den vergangenen fünf Wochen aber auch darauf gewartet, dass das eine oder andere Software-Update auf den neuen Telefonen eintrudelt. iOS 13 – die aktuelle Version von Apple Betriebssystem für iPhone und iPad (hier erstmals iPadOS genannt) – ist randvoll mit neuen Funktionen. So vielen, dass über den Sommer während der Beta-Phase ein paar davon gleich wieder auf später vertagt wurden, und die erste offizielle Version mitunter noch ordentlich ins Schlingern geriet. Und nun – fünf Wochen und vier Punkt-Updates später – immerhin zum Großteil so funktioniert, wie man es eigentlich vom 20. September an hätte erwarten können.

iPhone 11 und iPhone 11 Pro Max

Ich fand es gut, dass es dem iPhone in den vergangenen Jahren mal ans Eingemachte ging und sich die Software- und Hardware-Teams auf den Hosenboden setzen mussten. Haben sie gemacht.

Ich habe auch viele Fotos gemacht mit den neuen Smartphones. Denn: Beim iPhone 11 und dem iPhone 11 Pro (Max) stehen die Kameras mehr denn je im Fokus. Es galt einiges aufzuholen. Auch wenn in Sachen Video kein anderer Hersteller mit Apple konkurrieren konnte – was die Fotos angeht, sind in den vergangenen Jahren einige Mitbewerber an Cupertino vorbeigezogen, vornehmlich Google und Huawei. Der technische Schmonz, der diesem Vorsprung zugrunde liegt, und in dem immer wieder die Buzzwords KI und computational photography fallen, ist mir eigentlich herzlich egal. Ich fand es eher gut, dass es dem iPhone mal ans Eingemachte ging und sich die Software- und Hardware-Teams auf den Hosenboden setzen und Gas geben mussten. Haben sie gemacht. Ich weiß, ich weiß: Im Herbst 2018 behauptete ich bereits genau das. Ich würde dieses Statement jedoch gerne zurückziehen bzw. relativieren. 2019 stehen die Dinge anders. Es kommt Licht ins Dunkel – buchstäblich.

Die iPhones sind 2019 zuerst Kameras und ganz nebenbei auch noch Taschencomputer.

Das ist neu

Bevor wir die Lampe anknipsen, kurz die Basics. Es gibt drei neue iPhones (zur neuen Uhr später mehr): das iPhone 11, der direkte Nachfolger des iPhone XR, das Pro und das Pro Max. Das reguläre 11er, befreit von dem doch sehr technisch klingenden XR-Zusatz, sollte, genau wie im vergangenen Jahr, all denen genügen, die ein OLED-Display nicht nur Grundvoraussetzung beim Kauf eines neuen Telefons machen. Wie schon 2018 ist dieses Smartphone mit einem 6.1" großen IPS-Display ausgestattet, das – wie immer bei Apple – einen glänzenden Eindruck hinterlässt, hell und gestochen scharf ist. Von neuen und angenehm gedeckten Farben ist der einzige Unterschied zum Vorgängermodell der Kamera-Buckel auf der Rückseite: sehr fordernd und quadratisch erhebt er sich in der linken oberen Ecke, ein eindeutiger Hinweis auf das Storytelling der diesjährigen Telefone. Die iPhones sind zuerst Kameras und ganz nebenbei auch noch Taschencomputer. Wo es im letzten Jahr nur ein Standard-Objektiv gab, sitzen nun zwei: ein reguläres, bei Apple spricht man von Weitwinkel (12 Megapixel, f/ 1.8) und ein Ultraweitwinkel (ebenfalls 12 Megapixel, f/ 2.4). Die beiden Sensoren werden uns später noch begegnen. Die beiden Pro-Modelle kommen mit 5,8" bzw. 6,5" großen OLED-Displays, die deutlich heller werden können als ihre XS-Vorgänger: 800 Nits unter freiem Himmel und bis zu 1.200 Nits beim Schauen von Filmen und Serien. Die Pro-Modelle haben außerdem nicht nur zwei, sondern drei Kamera-Objektive auf der Rückseite. Der zweifache optische Zoom, den man schon ein paar Jahre mit sich rumschleppt, und auf den ich total stehe, komplettiert das Trio. Dazu kommt bei allen drei Telefonen das, was man in unseren Zeiten als gegeben voraussetzt, und wofür man nicht mal auf das Datenblatt schauen muss: schneller, höher weiter, noch robuster, und im Wasser halten es die Telefone nun auch länger aus, wenn es drauf ankommt. Der neue Prozessor, der A13 Bionic, leistet mit seinen sechs Kernen mehr und verbraucht dabei weniger Strom. Das Gleiche gilt für die GPU und die neural engine, die sich um das maschinelle Lernen kümmert.

iPhone 11 Pro Max nachtgruen

Chillen mit Nachtgrün

Ich habe in den vergangenen fünf Wochen vor allem das iPhone 11 Pro Max verwendet, einen mit 226 Gramm doch mehr als amtlich daherkommenden Boliden, der noch mal 20 Gramm schwerer ist als sein Vorgänger, das XS Max. Ein Stück Technik, das an seiner Daseinsberechtigung von Anfang an keine Zweifel aufkommen lässt. Kräftig und mächtig kommt es daher, wirkt mit seiner matten grünen Rückseite so elegant wie furchteinflößend. Einzig der Kamera-Buckel glänzt. Ein Stück reine Future, was den Wettlauf um den Spitzenplatz beim industrial design deutlich klarer entscheidet als in den vergangenen Jahren. Und nicht nur gut aussieht, sondern auch neue Möglichkeiten eröffnet. In der Smartphone-Welt gibt es ja eigentlich nur drei Säulen, die zum Erfolg führen (können): Performance, Batterielaufzeit und die Kamera.

Was die Performance angeht, ist Apple unerreicht und legt auch dieses Jahr mit dem A13 Bionic nochmal eine Schippe drauf. Die Werte des Prozessors sind meist besser als die von MacBooks. Ein etwas schräger Vergleich, der im realen Leben kaum Bestand hat – die Zahlen jedoch zeigen, welche immensen Fortschritte die Ingenieur*innen in Cupertino hier in den vergangenen Jahren gemacht haben. Wenn man sich nun nur noch trauen würde, diesen Prozessor in einen Laptop zu stecken, Intel eine „Danke, aber nein“-E-Mail zu schreiben … die Welt des Computings könnte sich nachhaltig verändern. Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Die Akkulaufzeit hat sich jetzt schon dramatisch verbessert. Was krass ist, weil: Bereits beim XS Max fühlte ich mich unbedingt auf der sicheren Seite. Keine Selbstverständlichkeit. Noch vor wenigen Jahren performten die iPhones in dieser Beziehung eher bescheiden. Doch mittlerweile scheint man das Paradigma, immer das dünnste Smartphone bauen zu wollen, aufgegeben und einen neuen Mut zum Millimeter mehr entwickelt zu haben, der einen als User immer wieder durchatmen lässt. Am Nachmittag, ein kurzer Blick – you’re safe. More than safe. Und die Kamera(s)? Episch in 2019.

Bitte lächeln

Bislang war die Situation wie folgt: Apple hat mit dem iPhone nicht nur die Smartphone-Geschichte im Allgemeinen, sondern die der Kameras im Besonderen jedes Jahr mit einer neuen Iteration des Telefons vorangetrieben. Apple hat sich dabei aber auch oft ein oder zwei Jahre Zeit gelassen, um den einen oder anderen Standard zu implementieren. Das hatte Konsequenzen. Denn die Konkurrenz schlief nicht und traute sich Dinge, die in Cupertino noch in Meetings vorsichtig abgewägt wurden. Das führte zu einem Shift. Samsung zum Beispiel ballerte die Galaxy-Displays mit farblichen Remixen des Aufgenommenen zu. Google hingegen besetzte wichtige Nischen – die Momente, in denen die Lichtverhältnisse einfach keine guten Telefon-Fotos mehr erlaubten. Huawei widmete sich ebenfalls diesem Ansatz und setzte neue Akzente in der Nach-Fotografie. Und Apple? Hat bis 2019 diese eklatante Problematik einfach ignoriert. Die Shots waren immer okay, aber eben auch nicht mehr. 2019 wird das nun anders. Apple schließt auf – in Sachen Soft- und Hardware.

Auf der gecodeten Seite steht vor allem der neue Nachtmodus im Mittelpunkt, der in dunklen Situationen wirklich beeindruckende Ergebnisse liefert, in Situationen, in denen ältere iPhones kaum mehr als ein graues Einerlei mit reichlich Rauschen einfingen. Mit Hilfe des automatisch aktivierten Nachtmodus wird die Nacht zwar nicht zum Tag, die geschossenen Fotos zeigen aber genau das, was das menschliche Auge sieht. Das ist genau wie bei Google und bei Huawei natürlich keine Hexerei, sondern interpretatorische KI, entsprechend fallen die Ergebnisse bei allen drei Mitbewerbern auch leicht unterschiedlich aus. Wichtig zu wissen ist lediglich, dass man bei Apple mit dieser Funktion eine große Lücke zu Vertretern des Android-Lagers schließt. Aber seht selbst:

Festival Of Lights Berliner Dom iPhone 11 Pro Max

Der Berliner Dom beim Festival Of Lights

Festival Of Lights Berliner Dom 2 iPhone 11 Pro Max

Der Berliner Dom beim Festival Of Lights

Festival Of Lights Berliner Dom 3 iPhone 11 Pro Max

Der Berliner Dom beim Festival Of Lights

Festival Of Lights St. Hedwig iPhone 11 Pro Max

Die Berliner St.-Hedwigs-Kathedrale beim Festival Of Lights

Berlin Mitte iPhone 11 Pro Max

Berlin-Mitte

Hardwareseitig dreht sich alles um das neue Ultraweitwinkel-Objektiv. Mit 13 mm Brennweite, der f/2.4er-Blende und einem Sichtfeld von 120° öffnen sich buchstäblich neue Perspektiven. Zwar lassen sich mit diesem Objektiv keine Nachtaufnahmen aufhellen, die eingefangenen Motive strotzen aber bei Tage vor Lebendigkeit. Dass man sich bei Apple dazu entschieden hat, den Ultraweitwinkel auch dem regulären iPhone 11 zu spendieren, zeigt, wie überzeugt man intern von dieser Entwicklung ist – zu recht. Ironie der Geschichte: Die neuen Pixel-Smartphones von Google setzen auf einen Zoom und nicht mehr auf Ultraweitwinkel. So unterschiedlich können Strategien ausfallen. Das Entscheidende bei den neuen Telefonen von Apple ist jedoch, dass man sich quantensprungmäßig mehr auf die Ergebnisse verlassen kann – egal ob Porträt, Landschaft oder Straße: Die DSLR kann man nun wirklich zu Hause lassen, ohne später enttäuscht zu sein. Dafür sorgt auch das neue Standard-Objektiv, das vollkommen überarbeitet wurde, mehr Licht aufnimmt und per se schon für brillante Resultate sorgt.

Brandenburger Reitplatz iPhone 11 Por Max

Schlauch-Arrangement in Brandenburg – der Ultraweitwinkel des iPhone 11 Pro Max

Zoo Passage iPhone 11 Pro Max

Passage am Berliner Bahnhof Zoo – der Ultraweitwinkel des iPhone 11 Pro Max

Berliner S-Bahn-Zug im Deutschen Technikmuseum iPhone 11 Pro Max

Ein alter Berliner S-Bahn-Zug im Deutschen Technikmuseum – das reguläre Objektiv des iPhone 11 Pro Max

Am beeindruckendsten ist jedoch, wie die drei Objektive zusammenarbeiten. Das Umschalten erfolgt ohne Pause und auch die Darstellung im Viewfinder lässt einen nicht erahnen, was technisch hier gerade im Hintergrund geschieht. Die Tatsache, dass hier drei Objektive verbaut sind, verschwimmt Apple-typisch im Hintergrund. Man muss die Kameras als eine begreifen. Der Rest ist ein bisschen magisch. Aber manchmal auch ein bisschen kompliziert. Während andere Hertsteller in der Kamera-App schon längst auf eine dezidierten Pro-Modus setzen, in dem die Einstellungsmöglichkeiten einer DSLR nachgebildet werden, setzt man bei Apple nach wie vor auf Einfachheit und zählt darauf, dass sich die User*innen darauf verlassen, dass alles zur Zufriedenheit aufgehellt, angeglichen und gradegezogen wird. Meistens funktioniert das auch gut. Zu verstehen, wie die drei Objektive aber tatsächlich in Relation zueinander stehen und miteinander arbeiten, setzt ein gewisses Ausprobieren voraus. Und genau hier stellt man sich bei Apple sozusagen selbst ein Bein. Denn einige der wichtigsten Einstellungen lassen sich nicht im Kamera-Interface selbst, sondern ausschließlich in den generellen Settings regeln. Das gilt für Fotos wie für Videos: Hier hat das iPhone auch 2019 die Krone auf. Kein Smartphone macht besseres Bewegtbild mit besserem Sound. 4K bei 60fps können auch andere Geräte einfangen, die ausgewogene Qualität jedoch erreicht sonst niemand. Und verzichtet man auf die 60fps, lässt sich während der Aufnahme butterweich rein- und rauszoomen, also mit den unterschiedlichen Objektiven arbeiten. Das ist schon großartig. Dabei hat man es bei Apple noch nicht mal geschafft, alle Software-Features des neuen Kamera-Systems zum Marktstart vollständig zu implementieren. „Deep Fusion“, ein weiterer Modus, der für noch mehr Detailreichtum in den Fotos sorgen soll, wird demnächst als Update nachgeliefert und derzeit im Beta-Test auf Herz und Nieren geprüft. Dass sich die Videoqualität jedoch nicht in der Kamera-App selbst einstellen lässt, ist nicht nachvollziehbar.

Garten-Breaker

Im Fokus: 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer
Der Berliner Fotograf Martin U. Waltz hat sich auf Street Photography spezialisiert – und nutzt dafür auch sein iPhone 11 Pro. Für den 30. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November hat er sich auf Spurensuche begeben. Nicht konkret nach noch stehenden und mahnenden Fragmenten des „antifaschistischen Schutzwalls“, sondern vielmehr nach kleinen Details, die die ehemalige Präsenz der Mauer noch heute im Stadtbild erahnen lassen.

Waltz 01

Im Regierungsviertel, unweit des Reichstags an der Spree. Wo heute der so genannte „Lampenladen“ im Paul-Löbe-Haus als Kantine fungiert, verlief bis 1989 die Grenze.

Waltz 02

Die Mauer nahm keine Rücksicht auf Wege. Heute erinnern Aussparungen auf den Bürgersteigen an den ehemaligen Grenzverlauf.

Waltz 03

Das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus am Schiffbauerdamm dient heute dem Bundestag als Gebäude. Früher war hier Sperrgebiet. Die Spree trennte West und Ost.

Waltz 04

Das ehemalige Zentrum Berlins – der Potsdamer Platz – war nach dem Mauerbau eine leere Ödnis, Grenzgebiet und Todesstreifen.

Garten-Breaker

Mehr Pictures Of You

Der 16. iPhone-Text nähert sich dem Ende. Und ich verschone euch mit einem großen Round-up. Dass so ein Teil 2019 in allen nur erdenklichen Basics gut und überzeugend funktioniert, ist eh klar. Das gilt auch für andere Hersteller, die in dieser Preisklasse unterwegs sind und muss hier nicht erneut en detail aufgedröselt werden – läuft einfach. Mit den neuen iPhones macht man bei Apple dieses Jahr jedoch einen wirklich mächtigen Sprung nach vorne. Das sagt sich immer so leicht, stimmt dieses Mal aber tatsächlich. Wer voller Enthusiasmus mit dem Telefon fotografiert: Für den lohnt es sich sogar, nach nur einem Jahr von der Vorgängergeneration zu wechseln. Nachhaltig ist das natürlich nicht, zumal die Pro-Modelle auch dieses Jahr schmerzhaft teuer sind. Das kleine Pro startet bei 1.149 Euro, das Pro Max bei 1.249 Euro. Und man kann niemandem vermitteln, warum ein solches „Pro“-Gerät in der Einsteigerkonfiguration mit nur 64 GB internem Speicher ausgestattet und die nächstgrößere Variante dann gleich mit 256 GB daherkommt. Die 64 GB dürften mit Fotos und Videos schnell voll sein. Immerhin: Beim regulären iPhone 11 (Startpreis: 799 Euro) bekommt man für nur 50 Euro Aufpreis doppelten Speicher, also 128 GB. Dass es die kleine Version gibt, macht einfach überhaupt keinen Sinn. Wichtig ist: Egal ob iPhone 11 oder iPhone 11 Max: Vom Nachtmodus und dem Ultraweitwinkel profitieren alle potenziellen Käufer*innen. Nur der oldschoolige Zoom ist den Pro-Kund*innen vorbehalten.

iPhone 11 Pro Max Review Closer

Apple Watch Series 5 – die, die immer an ist

Apple Watch Series 5

Und dann ist da natürlich noch die neue Apple Watch. Nach dem großen Redesign und einem immer klarer werdenden Fokus auf die Fitness-Funktionen bei der mit Abstand erfolgreichsten Smartwatch weltweit, zieht man bei Apple dieses Jahr einen Trick aus dem Zylinder, der so banal ist und so oft gefordert wurde, dass praktisch niemand mehr damit gerechnet hätte, dass er wirklich umgesetzt wird. Das Display ist jetzt immer an. Bislang schaltete sich der Screen erst dann ein, wenn man den Arm hob und die Uhr vor das Gesicht hielt – oder den Bildschirm antippte. Das funktionierte meistens gut, bis es im entscheidenen Moment dann eben doch nicht klappte. Mit der Series 5 gehört das, was dann passierte – Irritation, ruckartige Bewegungen, hektisch Klopfen auf den Screen (stellt euch das mal im Meeting vor, wo man doch nur ganz vorsichtig die Uhrzeit erspechten will, um zu wissen, wann man hier denn nun wieder rauskommt) – der Vergangenheit an. Wird die Uhr nicht aktiv verwendet oder mit der bekannten Bewegung gen Gesicht bewegte, lebt die Series 5 in einer Art schockgefrostetem Low-Power-Modus, mit gedimmten Display und drastisch reduzierter Bildwiederholrate. Konkret bedeutet das, das sich die Uhrzeit problemlos ablesen lässt, wenn man nach unten schielt. Die reduzierte Helligkeit spielt dank des OLED-Screens dabei keine negative Rolle. Und dass beispielsweise der Sekundenzeiger bei analogen Zifferblättern dabei ausgeblendet wird, fällt ebenfalls nicht ins Gewicht. Möglich wird das durch LTPO – Niedertemperatur-Polysilikon- und Oxid-Display, was nichts anderes bedeutet, dass die Bildwiederholrate herunter geregelt werden kann – von den regulären 60 auf nur ein Hertz. Neu ist das nicht: schon die Apple Watch von 2018 war so gebaut, nur die Software schien noch nicht fertig zu sein.

Apple Watch Series 5 Low Power Mode

Im gedimmten Modus: Apple Watch Series 5

Ein wenig irritierend ist es dann schon: Das Display meiner Uhr ist jetzt immer an? Wirklich? Ich gebe zu, ich kam bislang eigentlich sehr gut damit klar, dass der Screen eben schwarz wurde, wenn ich den Arm nicht hob. So schnell ändern sich gelernte Erwartungshaltungen an Stück Technik, wenn der Shift vom Analogen ins Digitale vollzogen wird. Aber die Apple Watch zeigt ja eben nicht nur die Uhrzeit an, sondern im Zweifel auch viel persönliche Daten, bei denen es einem sogar recht ist, dass sich diese nicht vom Nebenmann einfach so ablesen lassen. Das reicht von Kalendereinträgen, etwaigen Fitness-Daten oder dem neuen Zyklusprotokoll für Frauen. Genau diese auf dem Bildschirm als Komplikationen geparkte Informationen können in diesem Modus kategorisch ausgeblendet werden.

Und die Akkulaufzeit? Auch hier hat es sich als hilfreich erwiesen, das Phänomen einige Wochen lang zu beobachten. Die ersten Tage war ich dann doch ein wenig schockiert, wie schnell sich die Akkuanzeige nach unten bewegte. Die offizielle Laufzeit der Uhr liegt immer noch bei 18 Stunden – was durchaus realistisch ist. Wenn man jedoch pro Tag noch rund zwei Stunden Workout trackt, kann Panik aufkommen. Mit der Series 4 musste ich mir selbst bei so einem Pensum nie Gedanken machen. Die Uhr zeigte im Schnitt immer noch rund 40 Prozent verbleibenden Akku, wenn ich sie abends auf den Lade-Puk legte. Mit aktiviertem Always-On-Display jedoch kratzte ich schon bei 20-15 Prozent. Ich habe den Modus dann zunächst wieder ausgeschaltet – und die Werte stiegen auf Durchatmen-Niveau. Nach einem Software-Update auf watchOS 6.0.1 versuchte ich es erneut und sah Land am Horizont. Die Werte sind immer noch nicht mit denen des Vorgängers vergleichbar, ich fühle mich aber auf der sichereren Seite. Angewiesen bin ich auf diese Funktion jedoch nach wie vor nicht.

Apple Watch Series 5 02

Sensible Informationen werden ausgeblendet bzw. mit der Uhrzeit überlegt

SOS, dB und Kompass

Das sind zusammengefasst die drei weiteren Neuerungen. Wer sich für ein Modell mit LTE entscheidet, kann zukünftig in etwas 130 Ländern einen Notruf absetzen, selbst dann, wenn gar keine SIM aktiviert wird. Das kann im Zweifelsfall Leben retten und zeigt auch, wie wichtig der Gesundheitsfokus bei der Apple Watch nach wie vor hochgehalten wird. Doch eine große Einschränkung trübt das Bild: In Deutschland wird das Feature bislang noch nicht unterstützt. Das könnte damit zu tun haben, dass anonyme Anrufe nicht durchgestellt werden, aber wer weiß das schon genau. In Japan sieht die Gesetzeslage jedenfalls genau das vor – und dort wird die Funktion ebenfalls nicht angeboten. Da denken wir doch lieber positiv und gehen mal kurz in den Club. Die etwas vage betitelte App „Geräusche“ misst regelmäßig den Geräuschpegel um einen herum und informiert bzw. warnt bei zu hoher Belastung. Und dann ist da noch der integrierte Kompass, der die Orientierung bei iPhone-freien Wanderungen erleichtert.

Apple Watch Series 5 Geräusche App

Lautstärke? Ist ok ...

Die Apple Watch Series 5 gibt es auch in zwei neuen Finishes. Neben Aluminium und Stahl kann man sie nun auch als Titan-Version kaufen und das Keramik-Gehäuse feiert ein Comeback. Vor einigen Jahren hatte man bei Apple zum ersten Mal damit experimentiert, diese Variante dann aber wieder fallen lassen. Mit Startpreisen von 850 Euro (Titan), bzw. 1.400 Euro (Keramik) dürften diese beiden Modelle aber ohnehin keine messbare Rolle bei Apples nach wie vor andauerndem Take-Over des Uhrenmarktes spielen. Das „Einsteigermodell“ aus Aluminium ist nicht nur gut genug, sondern reicht einfach auch vollkommen aus. Ich bitte darum, realistisch zu bleiben. Eine Apple Watch ist zwar technologische Ingenieurskunst, aber eben keine handwerkliche Meisterleistung, die man im Idealfall für Jahrzehnte am Handgelenk trägt. Wer eine Uhr für 1.400 Euro kauft – was vollkommen in Ordnung ist, auch wenn ich es nicht nachvollziehen kann, will sich nicht mit etwaigen Akku-Problemen nach zwei Jahren auseinandersetzen. Und in genau diese Falle läuft man zwangsläufig hinein. Oligarchen kaufen dann einfach eine neue, ich weiß: Redlich ist das alles aber nicht.

Es ist natürlich verständlich, dass man bei Apple jedes Jahr ein neues Uhren-Modell auf den Markt schmeißt – machen alle anderen ja auch so. 2019 jedoch plädiere ich für Gelassenheit. Wer seine Series 4 liebt, sollte sich über ein Upgrade keine großen Gedanken machen. Und für alle, die sich mit einem deutlich älteren Modell nach etwas Neuem umschauen, ist die Series 5 ein Nobrainer. Gewohnte Qualität mit deutlichem Mehrwert in allen Bereichen: mehr Speicher, mehr Features, extremst gute Peformance: Die Apple Watch ist und bleibt die beste Smartwatch auf dem Markt.

Leseliste 27. Oktober 2019 – andere Medien, andere ThemenBoxhagener Platz, Relotius vs. Moreno, „Traumjob“ Blogger, deutscher Modekonsum

Mix der Woche: Portals – The KLF’s Chill Out (A New Dimension)Experiment: Wie würde der Klassiker heute klingen?