Podcast-Kritik: Das Coronavirus-UpdatePer App aus dem Professoren-Büro

corona update

Dosenleerkäufe, aus Krankenhäusern gezocktes Sterillium und Rassismus in der U-Bahn: Viral geht in diesem Land derzeit vor allem das irre Verhalten. Doch wie geht es mit dem Coronavirus tatsächlich weiter, und worauf ist zu achten? Das tägliche Update-Gespräch mit dem Virologen Christian Drosten verschafft Überblick.

Dass der Mann dafür gerade überhaupt Zeit hat: Christian Drosten ist einer der Köpfe der deutschen Virenforschung. Er leitet das Institut für Virologie an der Berliner Charité und ist dieser Tage eine sehr gefragte Person: Die Echtzeitforschung an dem sich ausbreitenden Coronavirus Sars-CoV-2 bestimmt seinen Tagesplan, dazwischen viel Kommunikation mit Kolleg*innen weltweit und das Fernsehen holt ihn für Talkshows und Interviews vom Arbeitsplatz weg. Und jetzt auch noch ein Podcast: Das Coronavirus-Update. Seit Ende Februar spricht der NDR täglich mit dem Forscher über den Stand der Dinge, neue Erkenntnisse und Entwicklungen und lässt ihn Zuschauer*innenfragen beantworten. Die Aufnahme über eine eigens für Telefoninterviews gebaute App ermöglicht eine, von leichten Aussetzern hie und da ganz gute, radiotaugliche Gesprächsqualität und spart dem Professor Zeit, weil er nicht sein Büro verlassen muss.

Das ist aber auch für den Inhalt gut. Denn so spricht Drosten an seinem Telefon von seinem Arbeitsplatz aus zu uns. Das schafft eine professionelle und zugleich persönliche Gesprächssituation, einordnend, hintergründig, informativ und manchmal auch etwas weiter ausholend. Drosten ist gut darin, den komplexen Sachverhalt plastisch zu machen, den Hörer*innen zu erklären, wie dieses Virus „tickt“ und überhaupt, wie Viralität funktioniert, was Prozesse beschleunigt und verlangsamt. Wieso gibt es unterschiedliche Zahlen zur Sterblichkeit? Was können Hausärzt*innen tun? Worauf müssen Menschen achten, die Immunsuppressiva nehmen? Und wie beginnt und endet eigentlich eine Pandemie?

Je länger man ihm zuhört, desto klarer wird: Das ist kein Sprint, es wird ein Langstreckenlauf. Die aktuelle Panikmache ist sein Ding nicht, Drosten sorgt sich mehr um den Herbst 2020 und das kommende Jahr, wenn es logischerweise deutlich mehr Infektionen geben wird als jetzt. Denn abhängig von der Geschwindigkeit der Verbreitung kann das Virus dann eine ganze medizinische Infrastruktur in die Knie zwingen, und das ist das eigentliche Risiko. Drosten denkt kollektiv und man merkt ihm an, er würde sich wünschen, dass es von diesem gemeinschaftlichen Denken etwas mehr gäbe hierzulande. Gemeinsam handeln statt den anderen die Erascodose wegnehmen. Ernutzt seine Position – Akademiker, aber kein Staatsvertreter wie die Kolleg*innen des Robert-Koch-Instituts, um auch mal etwas weniger angenehme Aussagen zu treffen: Muss es derzeit Sport-Großveranstaltungen geben? Er sagt besser nicht. Das Virus zu bremsen, muss das Ziel sein im Sinne des Gemeinwohls.

Bis wann dieser Podcast laufen wird, ist nicht abzusehen. Er könnte vom Sachverhalt her eine längere Nummer werden. Doch irgendwann werden sich die Medien auch von diesem Thema, gekommen um vorerst zu bleiben, abwenden, wie sie es immer tun. Auch das weiß und sagt Drosten. Ob sein tägliches Update auch dann noch gesendet wird, wenn es zäh, aber eventuell sogar umso wichtiger wird? Bleibt zu hoffen.

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