Plattenkritik: Fennesz – Mosaic (Touch/Fairwood)Eine Gitarre ist wie ein Freund, sie weiß genau ob man lacht oder weint
11.1.2025 • Sounds – Text: Jan-Peter WulfInmitten des Wahnsinns, der aus Österreich zu uns hinüber schallt, ist das Album des Wieners und Wahlparisers Christian Fennesz eine wahre Wohltat.
Als regelmäßiger Hörer der Podcasts Inside Austria und Falter Radio bin ich ziemlich à jour, was die Hysterie, die man in Österreich Politik nennt, betrifft. Danke an den Falter-Redakteur Florian Klenk insbesondere, der seit Jahren den unermüdlichen Erklärbären tanzt, wo es kaum noch was zu erklären gibt. Manchmal muss man aber auch, um ausgerechnet Sebastian Kurz zu zitieren, konstatieren: Genug ist genug. Es ist einfach alles zu viel, zu absurd, zu dramatisch, zu traurig.
Gut, dass innerhalb der Redaktion der Hinweis an mich herangebracht wurde, dass der Christian ein neues Album veröffentlicht hat, im Dezember schon, es war an mir vorbeigesegelt. Dabei liebe ich die Musik von Fennesz seit „Venice“ anno 2004, da wurde ich zum ersten Mal auf ihn aufmerksam, das Album „Black Sea“ von 2008 lief erst kürzlich wieder bei mir, die Mahler-Remixe sind ganz großes Kino. Mich hat sein Spiel mit Tiefe und Zugänglichkeit, mit Melancholie und Leichtigkeit immer fasziniert, die nur wenige Künstler elektronischer Musik so hinbekommen. „Mosaic“ klingt vertraut, nach Kontinuität, nach Fennesz eben: Wabernde, dynamische Flächen, die ineinandergreifen und einen mitreißen. Dann wieder steht man, fast ratlos, vor einer endlosen Eislandschaft wie bei „A Man Outside“, an deren Ende man Menschliches zu vernehmen glaubt. So, als wäre der Ausflugsdampfer auf dem Cover, Fennesz hat es ja mit dem Maritimen, in einem Eismeer stecken geblieben. Ähnlich wie ein Klimek, im Ergebnis aber gänzlich anders, verwendet der Künstler gerne das elektronischer Musik eigentlich nicht so nahe liegende Gitarre. Allerdings verarbeitet Fennesz sie, Ausnahmen wie auf „Black Sea“ bestätigen die Regel, bis zur Fast-Unkenntlichkeit. Etwa für das Schlussstück „Goniorizon“ für das er sechs Hardcore-Gitarrenriffs übereinander gelegt haben soll. Das Ergebnis klingt beinahe sakral, wäre da nicht etwas metallische Schärfe mit im Spiel … ja, so darf und soll Musik zu Beginn eines gewiss grantig werdenden Jahres klingen, bitte sehr, danke sehr.