Jenseits von K-PopVideo-Playlist: Was geht so neben BTS und Blackpink?

Jenseits von K-Pop start

Die Musikszene in Südkorea boomt. Dass Pop aus Korea aber nicht nur aus hypereffizienten, gecasteten, blitzblanken Girlgroups besteht, zeigen wir euch in dieser Übersicht. Ji-Hun Kim hat sich im Netz neulich hart verfahren. Dabei hat er so viele spannende Sachen entdeckt, dass er das an dieser Stelle einfach mal teilen möchte.

Statt unserer wöchentlichen Plattenkritik gibt es diesmal eine Video-Playlist. Diese Woche habe ich im Internet eine kleine Irrfahrt hinter mich gebracht. Dabei kann von Irrfahrt ja keine Rede sein, wenn man dabei eine gute Reise hatte. Vermeintlich kenn ich mich mit koreanischer Popkultur aus. Aber wenn man nicht täglich in den richtigen Kanälen ist, kriegt man auch nicht so viel mit. Das globale Dorf ist eben auch eine winzige Blase. Das hängt auch damit zusammen, dass soziale Medien wie Twitter, Instagram und YouTube durch ihre krampfhaften Lokalisierungsneurosen oft bewusst ausblenden, was in anderen Ländern der Welt passiert. Dabei war für mich das, was andere als Prokrastination beschreiben würden, eine ereignisreiche Recherche. Über die Jahre ist koreanische Popkultur ein weltweit großes Ding geworden. „Squid Game“ auf Netflix, Filme wie „Parasite“, K-Pop von Bands wie BTS und Blackpink sind gemeinhin bekannt.

Aber es geht eben auch noch so viel mehr. Von Post-Punk, Slowcore mit traditionellen Instrumenten, Rap und HipHop. Zahlreiche Genres und Subkulturen haben eine unfassbare Qualität entwickelt, was vor Jahren noch unvorstellbar erschien. Das liegt vor allem auch an dem knallharten Bildungssystem in dem Land. Wenn Schüler:innen täglich 16 Stunden in der Schule sind und lernen müssen, wo bleibt da die Zeit, Bands zu gründen und im Proberaum abzuhängen? Da aber der globale Export von Kultur aus Südkorea seit dem letzten Jahrzehnt zur politischen Chefsache erklärt wurde, sind auch musikalische Karrieren abseits des typischen Mainstreams gesellschaftlich besser akzeptiert und werden auch medial anders gefördert als noch in den Jahren davor. Neben K-Pop, K-Drama, K-Food, K-Beauty und Webtoons, könnte es eine spannende Zeit für K-Indie werden (ich nenn das jetzt einfach mal so). Viele der Acts sind in Südkorea natürlich schon recht bekannt. Es ist auch nicht alles brandneu. Aber die Verkürzung sei mir an dieser Stelle erlaubt, gehen wir in die Videos.

JAMBINAI – 지워진 곳에서 feat. 선우정아 (From The Place Been Erased feat. swja)

Die Post-Rock-Band Jambinai wurde 2009 gegründet und verbindet brachiale Gitarrenwände à la Mogwai, Mono oder Godspeed You! Black Emperor mit traditionellen koreanischen Instrumenten wie Haegum, Geomungo und Taepyongso. Seit 2016 veröffentlichen sie auf dem renommierten englischen Label Bella Union, das auch schon Beach House, Fleet Foxes und Peter Broderick rausbrachte. Der Song „지워진 곳에서/From the Place Been Erased“ erschien Ende letzten Jahres auf ihrer EP „발현/Apparition“ und ist ein eindrücklicher Entwurf, traditionelle Musiktraditionen mit zeitgenössischer Rockmusik zusammenzubringen.

E Sens – What The Hell

Gerade rausgekommen ist das neue Album des Rappers E Sens namens „저금통/Moneybox“ oder auf Deutsch Sparschwein, welches auch auf dem Cover der Platte zu sehen ist. Seit 2007 veröffentlicht E Sens Musik. Er war Teil des Duos Supreme Team mit Simon Dominic, der ebenfalls heute ein erfolgreicher Rapper ist. E Sens blieb aber eher auf der Schiene des Conscious Rap. Er landete mehrmals im Gefängnis wegen Besitzes und Konsums von Marihuana, was in Korea alles andere als eine Bagatelle ist. Das Video ist ein minimalistischer und klaustrophobischer Gegenentwurf zu den sonst schillernden Großproduktionen, die man aus dem K-Pop kennt. Ein trockener, fetter Beat und ein exzellenter MC, mehr braucht es für HipHop nicht. Auch der Rest des Albums ist sehr überzeugend.

Soumbalgwang/소음발광 – 낙하

Die Band Soumbalgwang/소음발광 existiert seit 2016 und hat zwei Alben veröffentlicht. „Fuze/도화선“ im Jahr 2020 and „Happiness, Flower/기쁨, 꽃“ im Jahr 2021. Die Band stammt aus der Hafenmetrople Busan und ist auch in der Erscheinung ehrlich und erfrischend, weil sie – konsequent dem Post-Punk/Hardcore-Ethos folgend – um konventionelle Schönheitskategorien, die man sonst vom K-Pop oder koreanischen Serien kennt, einen entspannten Bogen macht. Diese Performance des Songs „낙하“ wurde für die Konzertreihe Onstage aufgenommen, bei der auch viele andere interessante Indie-Artists aus Korea zu entdecken sind. Der Song ist lyrisch stark und wunderbar emotional. Im vergangenen Jahr gewann die Band den Korean Music Award in der Kategorie Rock. Das dürfte den kommenden Releases nochmal einen Schub bezüglich der Aufmerksamkeit geben.

악단광칠/ADG7

Erklingen bei der Band JAMBINAI alte koreanische Instrumente im eher westlichen Soundoutfit, ist die Band 악단광칠/ADG7 noch um einiges konsequenter. Das Ensemble erfindet den Sound und die Stimmen alter schamanischer Volkslieder neu und das auf eine Art und Weise, dass man der Energie kaum entfliehen kann, selbst wenn man keinen kulturellen Bezug dazu entwickelt hat. Die Band nennt den Stil selber Schamanischen Funk. Und das trifft es gut, weil es knallt heftig bei den Shows, und die Lead-Sängerin Hong Ok ist mindestens genauso cool wie James Brown. 악단광칠/ADG7 spielen mittlerweile weltweit, so auch im letzten Jahr ein Tiny Desk Concert, der Konzertreihe von NPR, das mittlerweile Kultstatus hat. Die wissen auch in der Regel, was gut ist. Das ist hier nicht anders.

Park Jae-Beom, Slom – Blue Check Remix

Park Jae-Beom aka Jay Park ist in Korea ein Superstar. Park wurde in Edmonds in der Nähe von Seattle geboren. Begann seine Karriere dort als B-Boy und wurde in Korea als Sänger der Boyband 2PM Ende der Nullerjahre bekannt. Mittlerweile hat er die HipHop-Labels AOMG und H1ghr Music gegründet und widmet sich auch stilistisch fast ausschließlich HipHop und Rap. Beide Stile wurden in Südkorea primär von der Westcoast geprägt, weil in Los Angeles eine der größten Communitys außerhalb des Landes besteht und über den Pazifik seit jeher eine starke kulturindustrielle Achse entstanden ist. Für den großen YouTube-Kanal Dingo Freestyle wird hier der Song „Blue Check“ performt. Dieser Clip ist ein eindrucksvoller Showcase und zeigt die Vielfalt von talentierten Rappern und Rapperinnen im Land. Mit dabei sind neben Park Jae-Beom und Slom, 365LIT, Jupter, Khan, Xinsayne, No Youn-Ha, Sokodomo, Koalla, Jambino, Chillin Homie, NSW yoon und die großartige Lee Young-Ji. Der Song selbst ist eine kritische Auseinandersetzung mit den negativen Auswirkungen von sozialen Medien auf die Gesellschaft.

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