Gärten der Welt – #5Streifzüge durch die musikalischen Peripherien

Gärten der Welt 05

Die Welt ist eine Scheibe und ganz am Rand, an der unscharfen Peripherie, blüht der Sound bunter, überraschender und kompromissloser. Das kann mal so, mal so klingen. In seiner Kolumne unternimmt Christian Blumberg in loser Folge Streifzüge durch musikalische Peripherien. Diesmal mit Myriam Bleau, Alexandra Spence, „...“ und Triad God.

Myriam Bleau – Lumens & Profits

Myriam Bleau – Lumens & Profits (Where To Now?)

Beginnen wir mit der Musik der Kanadierin Myriam Bleau. Die acht Tracks ihres Albums „Lumens and Profits“ klingen, als hätte man Produktionen britischer Bassmusik Klangflächen, Basslines und Beats abgezogen und nur das Geräuschhafte übrig gelassen, welches hier nun ein äußerst agiles Eigenleben führt. Auch wenn Bleaus Tracks noch so abstrakt flirren mögen: Ihr deduktiver Ansatz negiert niemals die Nähe zur Clubmusik – und fügt sich deshalb ganz nebenbei auch hervorragend ins Portfolio des Labels „Where To Now?“ ein. So gelingt Bleau eine Geräuschmusik, die weitgehend ohne den Zugriff auf avantgardistische Traditionen im Umgang mit Geräuschen auskommt.

Garten-Breaker
Alexandra Spence

Alexandra Spence - Waking, She Heard The Fluttering (Room 40)

Ganz anders, konkreter und persönlicher, arbeitet die Australierin Alexandra Spence. Im Vordergrund ihrer Stücke stehen zumeist die Texturen ihrer Field Recordings, die sie an verschiedensten Orten der Welt aufgenommen und später bearbeitet hat. Oft handelt es sich dabei lediglich um ein Rascheln oder Knistern. Spence legt Wert darauf, ausschließlich Klänge zu benutzen, deren kultureller Kontext ihr vertraut ist – dies aber ist eine politische Setzung und bedeutet nicht, dass sich die realweltlichen Klangquellen beim Hören offenbaren würden. Der Einsatz lautmalerischer Vocals und sehr zarter Klangflächen verführt dazu, „Waking, She Heard The Fluttering“ als ein durchaus poetisches Ambient-Album zu hören. Doch geht es Spence nicht so sehr um die Evokation von Atmosphären, sondern im Kern eher um Klanganalyse, aber eben eine ganz bezaubernde.

Garten-Breaker
Sähkö

… - No Title (Sähkö)

Die zwei sehr langen Tracks dieses Albums spielen dagegen eher mit der Vorstellung einer sonischen Ursuppe. Nach ein paar Minuten Noise und Synthesizer-Gezwitscher taucht die Musik ab: zäh fließende Klänge, reich an Resonanzen und von rumorenden Bässen in Bewegung gehalten, ergeben einen hermetischen Klangkosmos, von dem man tatsächlich meinen könnte, er würde ohne menschliches Zutun existieren. Die Tiefsee-Metapher drängt sich hier schon deshalb auf, weil das titellose Album offensichtlich dem Grönlandhai gewidmet ist, der in den trüben Tiefen des Polarmeeres lebt – und zwar bis zu 400 Jahre lang: ein unter Wirbeltieren rekordverdächtiges Alter. Ebenso mysteriös wie dieser Unterwasser-Methusalem bleibt, wer hinter dem Projekt mit den drei Punkten steckt. Wobei das Label Sähkö darauf hinweist, es handele sich dabei um eine Künstler*in mit gewissem Renommee. Erst ganz am Ende lichtet sich der Nebel etwas und weit hinten im Mix taucht plötzlich unverständliches Stimmengewirr auf. So findet dieser Klangmonolith zu einem beinahe nahbaren Schluss.

Garten-Breaker
Triad God

Triad God – Triad (Presto!?)

Sehr nahbar ist auch der Triad God. Sein erstes Album veröffentlichte Vinh Ngan bereits 2012 bei dem damals wegweisenden Label „Hippos In Tanks“. Zwei Jahre später ließ der grandiose Track „So Pay La“ auf einen Nachfolger hoffen. Jetzt, nochmal fünf Jahre später, ist dieser nun endlich erschienen und mitproduziert hat hier niemand Geringeres als Palmistry. Die elektronischen Arrangements sind unaufdringlich, blurry und regelmäßig mit Anleihen an den offensiven Kitsch kantonesischer Popmusik aus dem letzten Jahrhundert versehen. Dazu rappt Vinh Ngan auf Kantonesisch, wobei sei Rap eher ein äußerst anrührendes Murmeln, beizeiten sogar nur ein leises Stöhnen ist. Wovon er erzählt, kann hier aufgrund unüberwindbarer Sprachbarrieren leider nicht wiedergegeben werden, die wenigen englischen Passagen lassen jedoch vermuten, dass Triad God durchaus Phrasenhaftes über die Liebe und den HipHop zu erzählen hat – allerdings ist seine Art des Vortrags tatsächlich einzigartig. Ein Satz wie „Baby Don’t Go“ ist hier kein Flehen, sondern ein resigniert klingendes Mantra. Und wenn Vinh Ngan erklärt, dass Rap (s)ein Lifestyle sei, fängt er dabei fast zu gähnen an. Dass dieses Album nun ausgerechnet beim für akzelerationistischen Techno bekannten Label von Lorenzo Senni erscheint, ist deshalb eine besonders schöne Fußnote.

Das Filter präsentiert: „It Isn't Happening“ in NürnbergElektronik und Sound Art mit Emptyset, Demdike Stare, Efdemin uvm.

Wochenend-WalkmanDiesmal mit Big Thief, SSTROM und Brian Harnetty