Mammoth: neuer Whisky aus der UckermarkZu Besuch in der Grumsiner Brennerei

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Drei, vier, fünf Jahre lag er im Fass, nun kommt er ans Tageslicht, in die Flasche und ins Glas: Whisky aus der Grumsiner Brennerei in der Uckermark. Das Besondere an ihm sind alte Getreidesorten, die heute kaum noch kultiviert werden. Wir sind in die Hamptons von Berlin gereist und haben probiert.

Das Wetter könnte passender gar nicht sein. Es schüttet seit den frühen Morgenstunden und es wird den ganzen Tag so bleiben. Sehr schottisch, nasskalt und windig, präsentiert sich die Uckermark an diesem Oktobertag. Das bildet den idealen Rahmen für den Anlass des Besuchs: Es geht um Whisky, aus der Uckermark. Wir sind quasi bei seiner Premiere dabei, denn an diesem Tag wird der „Mammoth Whisky“ das erste Mal so richtig der Öffentlichkeit vorgestellt, nachdem er gut vier Jahre in Fässern herangereift ist. So etwas erlebt man selten.

Doch fangen wir ganz vorne an: Ort des Geschehens ist ein ehemaliger Vierseitenhof anno 1820 im Örtchen Altkünkendorf westlich von Angermünde oder, für ganz Ortsunkundige, eine sehr gute Autostunde nordöstlich von Berlin entfernt. Seit ein paar Jahren ist Thomas Blätterlein stolzer Besitzer des schmucken Anwesens, das nach seinem Erstverkauf nach der Wende in den 1990er-Jahren immer weiter umgebaut und restauriert worden ist. Blätterlein ist ein drahtiger Mann in seinen Fifties, Sachse, das hört man, er hat in seiner Heimat mit Weinbau begonnen – in Radebeul hat er einen alten Weinberg wieder aufgerebt, mit lokalen Traditionsrebsorten – Scheurebe, Grauburgunder. Den Berg hat er dann verpachtet, der studierte Kriminalist baute ein Pflegeunternehmen auf, das verkaufte er, 2011 ging dann sein Projekt Grumsiner Brennerei los, hier in Altkünkendorf. Nach und nach baute er sich sein Sortiment auf: Obstler, Korn und Gin gibt’s unter anderem unter der Grumsiner-Flagge – sowie sehr gute Liköre, was echt selten ist. Denn Blätterlein arbeitet mit regionalem, reifem Obst und vermählt Muttersaft mit den Destillaten, die er aus den Früchten gewinnt – diese Kombination lässt sie sehr echtfruchtig und vollmundig schmecken.

Der rote Faden ist, vom Gin mit internationalen Botanicals einmal ein Stück weit abgesehen, die Regionalität. Blätterlein verwendet, wie ein traditioneller Kleinbrenner es tut oder tun sollte, das, was aus der Region stammt: Sauerkirschen, Pflaumen, Quitten, Aronia (das Ost-Superfood), Himbeeren, Wildobst wie Vogelbeeren oder Schlehen, Eier. Die Streuobstwiesen der Gegend, viele von ihnen in bedenklichem Zustand, dienen ihm als Quelle. Beim Getreide, unter anderem für seinen nun erhältlichen Whisky, geht er sogar noch einen Schritt weiter: In seinen Maischekessel kommen vor allem Sorten, die es hier früher häufig gab, die heute aber kaum ein Bauer noch kennt, geschweige denn anbaut.

Sorten wie „Norddeutscher Champagnerroggen“, welch getränkeaffiner Name, „Dr. Franks grannenabwerfende Imperialgerste“, „Roschwitzer Imperial“, „Ostpreußischer Eppweizen“ oder „Lichtkorn-Roggen“ zählen zu diesen Sorten, die einst in der Region verbreitet waren. Ebenso der „Braunes Schindelmeister“, eine historische Maissorte. Spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg und mit dem Erscheinen der Agrargenossenschaften im großen Stile waren diese Sorten praktisch verschwunden, heute werden sie auf kleinen Flächen von ambitionierten Bio-Bauern oder Hobbyfarmern mittlerweile wieder kultiviert. Es kann Brot daraus werden oder eben, wie hier, etwas Hochprozentiges.

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Norddeutscher Champagnerroggen

Roschwitzer Imperial

Dr. Franks grannenabwerfende Imperialgerste

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Schwarze Wintergerste

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Braunes Schindelmeiser

Prachtvoll und eigen sehen sie aus, diese Feldfrüchte – dass es sie heuer kaum noch gibt, hat mit ihrer oft geringen Ertragsstärke zu tun, ihrer nicht nur sprichwörtlichen Widerborstigkeit und manchmal auch mit der Größe: „Champagnerroggen wird bis zu zwei Meter hoch. Ein Gewitter im Juni, und du bekommst als Landwirt ein Problem“, erklärt Blätterlein. Er hat bislang jedoch mit keinen Versorgungsengpässen zu kämpfen. Dafür sind die Mengen, die er verarbeitet, einfach zu klein. In seinem Keller liegen aktuell gerade einmal 100 Fässer, in denen Whiskys mit verschiedenen Getreidesorten „wachsen“ – aus dem Lichtkorn-Roggen wird ein Rye Whisky, aus „Dr. Franks grannenabwerfender Imperialgerste“ ein Single und in Kürze wird Blätterlein einen deutschen Bourbon auf den Weg bringen, dessen Grundlage die Maissorte „Braunes Schindelmeiser“ ist. So soll es immer wieder Spezialabfüllungen und Sondereditionen geben. Wer es ganz ganz besonders will, der kann seinen eigenen Whisky herstellen – neben den großen Fässern lagern auch kleine à drei, fünf, zehn oder gar 100 Liter in der „Grumsiner Brennerei“. Irgendwann habe ihn jemand aus Berlin angerufen, erzählt der Brenner, gesucht wurde ein Geschenk zum Sechzigsten für jemanden, der alles hat. Nur keinen eigenen Whisky. Ginge das? Ging und geht immer mehr: Viele Reise- und Wandergruppen, Menschen jeden Alters und Geschlechts, berichtet Blätterlein, helfen ihm nun beim Schroten, Mischen, Brennen, Fassbefüllen und zahlen dafür sogar noch Geld. Manche kommen sogar vorbei, um Kostproben zu entnehmen, bis sich das Destillat nach mindestens drei Jahren und einem Tag Whisky nennen darf und als solches auch verkauft bzw. genossen werden kann.

Thomas Blätterlein

Brennt: Thomas Blätterlein

Raubrand
feinbrand

Ein Ausflug in die Region lohnt sich allemal: Schön ist es hier im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin und erstaunlich hügelig für Nordostdeutschland. Gleich hinter der Brennerei beginnt der zauberhafte, im Sommer tiefdunkle Grumsiner Buchenwald, Unesco-Weltnaturerbe. Bis zum Wolletzsee ist es nicht weit, und rings um diesen herum gibt es zahlreiche, auch kulinarische Attraktionen. Die lassen sich zum Beispiel in Form einer Genusswander- oder Radtour erschließen. Zu den Stopps zählt unter anderem das Gut Kerkow, welches u.a. von der Köchin Sarah Wiener betrieben wird und das einen ausgezeichneten Hofladen hat, das Kaffeekonsum in Wolletz mit gutem Mittagstisch, Kaffee und Kuchen, und im NABU Naturerlebniszentrum Blumberger Mühle kann man einen ganzen Tag verbringen, durch das wunderbare Gelände streifen und Vogelschwärmen auf den angrenzenden Seen zuschauen. Und natürlich ist auch ein Besuch der Brennerei möglich, der Hofladen ist von Dienstag bis Samstag geöffnet, dazu bieten Thomas Blätterlein und sein vierköpfiges Team Führungen, Feiern, Destillateurkurse sowie Likör- und Gin-Seminare an.

uckermark

In der Uckermark ...

wald

... ist es auch im Herbstregen schön

Single Grain

„Single Grain Classic Edition“

Single Malt

„Single Malt First Edition“

Und bald auch Whisky-Tastings, denn jetzt gibt es ja Whisky aus der Uckermark. Mit zwei Sorten geht es los: Zum ersten mit dem „Mammoth Single Grain Classic Edition“ mit 45,8 % vol., hergestellt aus dem historischen „Ostpreußischen Eppweizen“, der über vier Jahre in ehemaligen Bourbon-Fässern lagerte und sein Finish in Ex-Rumfässern erhielt. Weich, süßlich und würzig schmeckt dieser Whisky, den es dauerhaft geben wird. Und zum zweiten mit der „Mammoth Single Malt First Edition“. Sie reifte fast fünf Jahre, erst in neuen Fässern aus amerikanischer Weißeiche, dann in Ex-Bourbon-Fässern, zum Schluss 17 Monate in Ex-Sherry-Fässern. Würzig-beerig kommt dieser Whisky daher und trotz seiner Fassstärke von 58,6 % vol., er wird nicht mit Wasser auf Trinkstärke herunter gesetzt, ist er angenehm am Gaumen. Für geübte Gaumen jedenfalls! Gerade einmal 700 Flaschen gibt es von dieser Edition – doch es folgen ab 2020 immer weitere, immer wieder mit einer anderen Getreideart. Rund 150 kulturfähige Sorten mit (ehemals) regionaler Relevanz soll es geben – da kann sich der Brenner in Zukunft noch so richtig austoben.

Mehr Infos: www.grumsiner.de

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