Grüner Wein aus BordeauxReportage: In Frankreichs größtem Anbaugebiet gehen Winzer neue Wege

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Die Weinfelder rund um Bordeaux, Frankreichs größtem Anbaugebiet, verändern sich – und zwar zum Guten. Vermehrt wird auf pestizidfreie, biologische Produktion gesetzt. Das ist auch bitter nötig: Die letzten Berichte über den Einsatz von zu vielen Pestiziden und der Nachweis längst verbotener Substanzen sind erst wenige Monate alt und kratzen am Image des Bordelais. Jan-Peter Wulf hat sich den Wandel vor Ort angeschaut und berichtet von Weingütern, die viel mehr einer Biosphäre ähneln als einem klassischen Agrarbetrieb. Es gibt Hoffnung für Merlot, Sémillon, Cabernet und Co. Denn immer öfter gilt: Was der Bauer nicht kennt, das sprüht er nicht.

Wenn der deutsche Konsument gebeten wird, die Augen zu schließen und zu sagen, was ihm einfällt, wenn er an Bordeaux denkt, dann wird er in den meisten Fällen sagen: Rotwein, Rotwein und noch mal Rotwein. Kraftvoll, intensiv, in hoher Qualität, vom Château Soundso, geküsst von der Sonne des Südwestens, getränkt vom feuchten Klima des Atlantik. Kurz: ein ziemlich positives inneres Bild.

Wenn der französische Konsument gebeten wird, die Augen zu schließen und zu sagen, was ihm einfällt, wenn er an Bordeaux denkt, dann sieht das innere Bild heuer deutlich durchwachsener aus. Daran ist Élise Lucet nicht ganz unbeteiligt. Die Fernsehjournalistin hat mit ihren Sendungen der Reihe „Cash Investigation“ 2016 und 2018 für einigen Aufruhr gesorgt: Die investigativen Formate, vergleichbar mit „Die Reportage“ oder „ZDF Zoom“, drehten sich um die Nutzung von Pestiziden in der französischen Lebens- oder Genussmittelproduktion. Und die Weinbranche, deren größtes Anbaugebiet des Landes, Bordeaux, dabei alles andere als gut wegkam. Gestiegen statt gefallen sei der Verkauf und die Nutzung von Pestiziden trotz bekannter Risiken für die menschliche Gesundheit. Gefunden habe man bei den Untersuchungen im Rahmen der Recherchen auch seit Jahrzehnten in der EU verbotene Stoffe wie Atrazin – „das Uran unter den Pestiziden“. In den USA ist das in Europa als gesundheitsgefährdend eingestufte Herbizid, welches beim berüchtigten Sandoz-Unfall 1986 einst die halbe Rheinfauna dahinraffte, übrigens weiterhin erlaubt.

Die Sendungen kennt natürlich jeder in Bordeaux, wohin ich zu einer Weinreise eingeladen bin. Ich kannte die Sendungen vorher nicht, muss aber niemanden darauf ansprechen, das Gespräch kommt ständig von alleine darauf. Wichtig seien sie gewesen, aufrüttelnd, sagen die einen, die anderen sehen das Bild von Bordeaux schwer beschädigt. Erst da wird mir klar, warum der französische Hipster-Winzer, mit dem ich vor zwei Jahren über Vin Naturel gesprochen habe, betonte, sein Wein komme aus Nicht-Bordeaux. Bei einem Abendessen mit Winzern, droht die Stimmung am Nebentisch fast zu kippen, als es um die TV-Show und um Biowein geht: Wer ordentlich mit konventionellen Schutzmitteln umgehe, so eine energische Winzerin, der müsse nicht auf Bio umsteigen. Es wirkt fast wie eine Rechtfertigung. Als Außenstehender merkt man: Da ist Zunder drin.

Langsam nimmt das Thema Bio-Weinanbau Fahrt auf

Doch genau das – umsteigen – tun in der Region nun doch immer mehr Weinbauern. Von 2007 bis 2015 haben sich die biologischen Anbauflächen in Frankreich, die auf das Ausbringen von Pestiziden seit mehreren Jahren verzichten und ein entsprechendes Zertifikat dafür erhalten haben, von 15.000 auf 60.000 Hektar vervierfacht. Zusammen mit den Flächen, die sich aktuell im mindestens drei Jahre benötigenden Umwandlungsprozess Richtung Grün befinden, was nochmal 20.000 Hektar sind, orientiert sich derzeit ungefähr ein Zehntel der Gesamt-Anbaufläche des nach Italien immerhin zweitgrößten Weinlands der Welt biologisch.

Bordeaux mit seinen exakt 111.150 Hektaren Gesamtfläche liegt dabei ziemlich im französischen Schnitt. Denn ungefähr acht Prozent, so berichtet uns Nathalie Escuredo, haben schon eine entsprechende Zertifizierung, plus diejenigen, die gerade auf dem Weg dorthin sind. In Deutschland sind die Zahlen recht ähnlich: unter zehn Prozent, Tendenz leicht steigend. Escuredo ist selbst Winzerin und arbeitet nachhaltig und pestizidfrei, seit sie vor rund zehn Jahren mit ihrem Mann das Château Boutinet mit seinen 23 Hektaren übernahm. Sie ist auch als Botschafterin und Guide für den CIVB tätig, den Conseil Interprofessionel du Vin de Bordeaux. Das ist der offizielle Weinverband des Anbaugebiets, der uns hierher eingeladen hat, um uns Winzer der Region vorzustellen, die das Thema Nachhaltigkeit vorantreiben. Was den Jüngeren der Zunft, keine große Überraschung, leichter falle als den Alteingesessenen, so Escuredo. Es fange schon beim ersten Schritt an. Der bestehe darin, Gras in den Furchen zu akzeptieren. Allein das sei schon ziemlich hart für klassisch geschulte Winzer: „Die haben gelernt, dass Gras ein Layer für Mehltau ist und weg muss. Dabei ist Gras zwischen den Weinstöcken wundervoll: Blumen, Bienen, Leben.“

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Marie-Pierre Lacoste und ihr Pferd Taropa, der Ein-PS-Ersatz für den Traktor.

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Bäume, Gras, Blumen – Biodiversität lockt natürliche Schädlingsbekämpfer ins Weinfeld.

Auf dem seit 2015 biozertifizierten Château La Clotte-Cazalis südlich von Bordeaux – in Sauternes – sind die Furchen grasbewachsen. Weinkenner wissen: Von dort kommt der berühmte Edelsüßwein, und der bekommt sein einzigartiges Aroma, das jeden Eiswein und jede Spätlese recht eindimensional aussehen lässt, durch Natur pur – Pilzbefall. Im nebligen Herbst überkommt Botritys cinerea die Trauben, perforiert die Haut der Beeren, entzieht ihnen Wasser und lässt ihren relativen Zuckergehalt markant steigen, gibt dem Wein aber auch eine markante, pfeffrige Würze, Schwarztee-Noten. Damit auch der Wein von Marie-Pierre Lacoste bereit für den Pilz ist, muss nicht nur sie, sondern auch Taropa viele Stunden arbeiten, ein neun Jahre altes Pferd der Rasse Auxois, das in Belgien und Frankreich traditionell als Arbeitspferd eingesetzt wurde. Lacoste hat Taropa selbst für die Arbeit im Weinfeld trainiert, der gutmütige Braune ersetzt den Traktor bei fast allen Arbeiten, die anfallen, unter anderem dem Plätten des Grases. Gemäht wird nicht, das würde die Pflanzen und den Boden nur stressen.

„Das machst du keine zwei Monate“

Stichwort Stress: Einer von Lacostes Mitarbeitern erzählt, das allein die Abwesenheit des ständigen Motorengeräuschs die Arbeit wesentlich angenehmer gestalte. Zudem mache schweres Gerät den Boden hart und weniger Durchlüftung täte den Organismen darin nicht gerade gut. Dass Taropa mit seinem einen PS länger braucht und auch nicht so lange durchhält wie der Dieselkollege, ist für Lacoste kein Problem: „Ich richte meinen Arbeitstag so aus, dass ich zwei Stunden mit dem Pferd unterwegs bin und ansonsten andere Dinge tue.“ Nach wie vor ist sie als Einzige im Weindorf Sauternes per Pferd unterwegs: „Am Anfang haben die Nachbarn mich kopfschüttelnd angeschaut: Das machst du keine zwei Monate! Aber ich mache es immer noch. Und mittlerweile kommen Kollegen aus anderen Orten, um zu sehen, wie es geht.“ 600 Bäume hat sie zusätzlich auf dem Areal gepflanzt, um die biologische Vielfalt zu fördern. Agroforstwirtschaft nennt man das Prinzip, zu dessen vielen Vorteilen auch die größere Artenvielfalt gehört – wo Bäume sind, da sind auch Vögel (und Fledermäuse, auf die kommen wir später zurück). Und so bestehen gute Aussichten, dass die putzigen Vogelhäuschen, die kürzlich aufgestellt wurden, bald von natürlichen Schädlingsbekämpfern bewohnt werden.

Diese Technik hat Marie-Pierre Lacoste auf dem nicht weit entfernten Château Guiraud als Projektleiterin bereits implementiert, bevor sie den eigenen Familienbetrieb umkrempelte. Das ist unsere nächste Haltestelle. Vor dem mondänden Anwesen gibt es kein Kiesbett, keinen Golfplatzrasen, wie man ihn sonst viel sieht in der Gegend, dafür eine Blumenwiese, Gartengemüseanbau, Klee bis vor die Tür. Als wolle man das Anderssein für den Gast unterstreichen. „Wir sind schon immer schwarze Schafe gewesen“, sagt der junge Geschäftsleiter Luc Planty schmunzelnd. Das habe schon 1766 begonnen, als Pierre Guiraud das Anwesen kaufte, ein Händler aus Bordeaux, bürgerlich und Protestant, während ringsum dem Feudalsystem zugehörige Katholiken das Sagen hatten. Da war Ärger programmiert. Die Distinktion äußert sich bis heute subtil darin, dass man ein schwarzes Flaschenetikett und eine serifenlose Schrift verwendet, die Nachbarn benutzen weißes Label und schnörkelige Typo. Den Unterschied macht aber auch das Bio-Zertifikat auf dem Etikett: „Damit zeigen wir, dass wir ein höheres Level in der Agrikultur erreicht haben“, so Planty selbstbewusst. Es begann 1996 mit organischem Anbau, 2004 stoppte man die Nutzung von Pestiziden. 2007 bewarb man sich um eine Zertifizierung und erhielt sie 2011.

Chateau Guiraud

Aus Sauternes kommt der berühmte Edelsüßwein, zum Beispiel vom Château Guiraud, das von Luc Planty gemanagt wird.

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Fauler Weinanbau

„Wir waren am Ende mit der Chemie. Wenn mein Vater ins Feld ging, sah er toten Boden, ungrüne Blätter. Er wollte zurück zum natürlichen Weg – und den sind wir hier in Sauternes ja eigentlich auch gewohnt.“ Damit meint Luc Planty die Nutzung des Botrytis-Pilzes, von dem schon die Rede war. „Den kannst du nicht künstlich erzeugen. Aber du kannst ihm helfen, in den Weinberg zu kommen.“ Deswegen sei man zu alten Methoden zurück gegangen: keine Pflanzenschutzmittel, kein Grasschneiden, behutsamer Rebschnitt. Und auch hier: Vogelkästen wurden aufgestellt, zudem Insektenhotels eröffnet, weitere Bäume gepflanzt und Hecken errichtet. Lebendige Erosionsdämme, die im Bordeaux – meiner Beobachtung nach – sehr selten sind.

„Wir machen faulen Weinbau“, so Planty. Reaktiv sei man, den Wein beobachtend, versuche ihn zu verstehen, statt über ihn zu entscheiden: „Wir müssen den Boden respektieren.“ Und der zolle seinerseits Respekt, indem er wilde Orchideen gedeihen lasse – sensible Zeigerpflanzen, die guten Boden indizieren. Übrigens ist einer der Besitzer des Châteaus der Chef von Europas zweitgrößtem Automobilkonzern, Robert Peugeot. Ob der sich wohl für seine Hauptbranche von den sanften Hügeln in Sauternes auch ein paar nachhaltige Impulse mitnimmt?

Dem Weltkulturerbe kommt das Erbe abhanden

Dass in seinem Ort Saint-Émilion – Unesco Weltkulturerbe seit 1999 – große, finanzkräftige Personengruppen und Unternehmen die Familienbetriebe übernehmen, betrachtet Matthieu David-Beaulieu vom Château Coutet mit Sorge. „Saint-Émilion ist dabei, seine Seele zu verlieren. Ich kann mit meinen Kumpels hier abends nicht mal ein Bier trinken gehen außer in einem der Hotels.“ Fünf Châteaus in vormaligem Familienbesitz seien allein im vergangenen Jahr verkauft worden, weil ihr Betrieb immer teurer werde, vor allem aber die Steuern in Millionenhöhe, die bei jedem Generationswechsel anfallen, für viele kaum noch zu stemmen sind.

Hier, auf Château Coutet, ist die Welt aber bis auf Weiteres noch in Ordnung. Matthieu lebt mit seinem Vater, mit Onkel und Tante, Cousin, Cousine und der Oma in verschiedenen Häusern auf dem grünen Hügel über dem Ort. Idyllisch ist es hier, ein Bordeaux-Bullerbü: „Wir wollen keine Monokultur, sondern einen schönen Ort zum Leben, an dem wir auch Wein anbauen.“ 38,5 Hektar teilen sich auf in 60 Prozent Merlot, 30 Prozent Cabernet Franc, 5 Prozent Cabernet Sauvignon und 5 Prozent Pressac, den lokalen Malbec, der hier kultiviert wurde und dann seinen Siegeszug in Südamerika antrat. Wie praktisch überall in Bordeaux sind die hauseigenen Weine Cuvées aus den verschiedenen Trauben, die man kultiviert, besonders gefällt uns der in Deutschland kaum bekannte Clairet – eine schöne Alternative zum ewigen Rosé.

Beaulieu junior kam nach ein paar Jahren Weinarbeit in Neuseeland und Tätigkeit im Weinvertrieb in Hongkong vor zwei Jahren zurück. „Wir arbeiten organisch seit … seit immer, als es den Begriff Bio noch gar nicht gab“, erklärt er uns. Was mit dem Starrsinn seiner Ahnen zu tun habe: Den wollte die Industrie natürlich auch Chemie verkaufen. „Das verstanden sie aber nicht. Und deswegen wollten sie das nicht.“ Was der Bauer nicht kennt, das sprüht er nicht.

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Matthieu David-Beaulieus Familie kelterte schon Biowein, als es den Begriff Bio noch gar nicht gab.

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Der Mäher ist autonom und solarbetrieben unterwegs.

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Hinter dem Mohn: Ein brach liegendes Weinfeld, das sich ein paar Jahre erholen darf.

Wie viele der biologisch/biodynamisch arbeitenden Kollegen genehmigt man sich auch hier die Ausbringung von Schwefel und Kupfer gegen echten und falschen Mehltau. Die Verwendung des Schwermetalls Kupfer gilt aber auch als nicht unproblematisch und kann den Boden langfristig schädigen. Alternativen wären zum Beispiel Algen oder Natriumbikarbonat – vulgo: Backpulver.

Man zeigt uns ein altes Gemäuer unter Bäumen. Es führt hinab in unterirdische Gänge, die sich unter ganz Saint-Émilion befinden wie Bergbauschächte unter Bochum-Wattenscheid. Früher wurde der Stein hier rausgebrochen und bis in die Stadt Bordeaux zum Hausbau verbracht. Eine Fledermaus saust an uns vorbei ins Freie. Wir haben sie geweckt. Sie schlummerte hier zusammen mit vielen weiteren Exemplare, die des Nachts auf Beutezug zu gehen. Und wie: 3.000 bis zu 5.000 Insekten futtert eine Fledermaus pro Nacht! Aber nur, wenn sie einen Ort zum Leben hat, und der ist eher der Wald als der Weinberg, also bringt man beides zusammen – 70 weitere Bäume hat man 2017 gepflanzt – und profitiert von den fliegenden Insektenfressern. Schon der Urgroßvater beschäftigte sich als leidenschaftlicher Ornithologe (Matthieu: „Ich glaube, es hat ihn mehr interessiert als der Wein“) mit den fliegenden Gästen auf dem Château, und ob Fledermäuse sich tatsächlich positiv auf den Weinanbau auswirken, das untersucht man in der Region auch ganz wissenschaftlich.

Gender Trouble und Fledermaus-Fieldrecordings

Und zwar beim Institut für agrikulturelle Forschung in Villenave-d'Ornon. Es ist kein reines Labor wie vermutet, sondern verfügt unter dem Namen Château Couhins über immerhin 30 Hektar Wein, der nicht nur zu Forschungszwecken angebaut, sondern – bien sûr – auch gekeltert und schließlich verkauft wird. Die Rotweine schmecken ausgezeichnet und alles andere als wissenschaftlich. Seit den 1990er-Jahren arbeitet man hier an der Verwirrmethode – „la confusion sexuelle“: Durch Platzierung artenspezifischer, synthetisch hergestellter Pheromone im Weinberg finden gattungsbereite Männchen in einer Wolke künstlich-weiblicher Düfte das Weibchen nicht mehr. Man arbeitet an Infrarottechnik, mittels derer Kraft und Reifegrad der Trauben quadratmetergenau geprüft werden kann. So kann man zu unterschiedlichen Zeitpunkten ernten, statt alles auf einmal abzunehmen. Ganz besonders interessiert man sich aktuell für die Fledermäuse. 23 Parzellen in verschiedenen Gebieten von Bordeaux bestückte man mit speziellen Mikrofonen und konnte anhand über 1.000 Stunden Fledermaus-Fieldrecordings feststellen: Die sind tatsächlich da, 19 der 22 in der Region bekannten Arten wurden nachgewiesen. Dass sie massiv auf Beutezug im Weinberg sind, ergaben die Untersuchungen auch, denn die Tiere geben dann einen anderen (per Ultraschall indizierbaren) Laut von sich als im Normalflugmodus. Bat Science.

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Delphine Vinet von der Domaine Émile Grelier setzt auf Biodiversität

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Biosphäre statt Weinberg

Eines der von den Fledermausprofis untersuchten Areale besuchen wir zum Abschluss unseres Rundtrips: die Domaine Émile Grelier in Lapouyade. Hier braucht man kein Ultraschallgerät, um den akustischen Unterschied sofort festzustellen: Es piept, zwitschert, summt und brummt. 54 Vogelarten haben die Besitzer Delphine and Benoît Vinet auf ihren acht Hektar Land gezählt, welches als biodiverses Musterbeispiel gilt: Wein, andere Rankgewächse und Obstbäume stehen gemischt durcheinander, während manch anderer Weinberg in der Nachbarschaft aussieht wie im Computerspiel – immer dieselbe Pflanze. Es gibt kleine Teiche, Igelhäuschen, Hecken, Freiflächen, einen Wald und wärmespeichernde Platten, auf denen Schlangen – Nagetierfresser – chillen können. Nicht nur Weinbau- und Weinwirtschaftsstudenten besuchen die Domaine regelmäßig, auch immer mehr konventionell arbeitende Weingüter der Region wollen wissen, wie es geht, erklärt uns Delphine Vinet bei einem Glas ihres Merlots. Und das begrüßt sie: „Die Methode lässt sich auch auf großen Flächen anwenden.“

Was langfristig vermutlich auch Not tun wird. Nicht allein, weil die französischen Konsumenten irritiert von den Medienberichten über die Pestizidbelastung ihres flüssigen Kulturguts sind und dabei offensichtlich Bordeaux besonders auf dem Kieker haben. Nicht allein, weil die Menschen in der Region ihrer sprichwörtlichen Um-Welt – vier Fünftel der Agrarflächen werden mit Wein bewirtschaftet – etwas Gutes und Gesundes tun. Sondern auch, weil der Markt für biologische/nachhaltig erzeugte Produkte auch in anderen Ländern – ergo der Export – wächst. Auch für Bordeaux wird der Export immer wichtiger: Er geht auf die 50-Prozent-Marke zu. Wie so viele Getränkebranchen schielt auch die Weinwelt nach China und seine nach flüssigen Genussprodukten dürstenden Kehlen. Dort entsteht indes mit Ho-Lan Soul in Ningxia, zweitausend Kilometer westlich von Peking, zurzeit der größte Bio-Weinanbau der Welt. 15.000 Hektar sind allein hier geplant. Will man in Europa seinen Erfahrungs- und Qualitätsvorsprung nutzen, muss man gegen das chinesische Leapfrogging – nämlich direkt in Bio anzufangen – schon was zu bieten haben.

Jan-Peter Wulfs Reise wurde vom CIVB organisiert und durchgeführt.

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