Das BusinessBewegtbild: Einstellungswechsel im Internetzeitalter

Das Business Klabautermann alt start

Alle Fotos: Lennart Ritscher

Das Musikvideo ist tot. Lang lebe das Musikvideo – Videoklitschen sind heute auch nicht mehr das, was sie mal waren. Neben dem klassischen Musikclip müssen Produktionsfirmen von heute vom kurzen Instagram-Snippet, dem animierten GIF, über das Tourtagebuch von Musikern bis zur aufwendig-hippen Imagekampagne für Markenkundler so einiges in petto haben. Für die junge Hamburger Firma Klabautermann Images alles ziemlich selbstverständlich und eventuell auch ein Vorsprung gegenüber etablierten Firmen, für die Meme und Viral noch immer im abzuarbeitenden Vokabelheft stehen. Unsere Autorin Jasmin Tomschi besuchte Marvin Tomé und Julian Weber in der Hansestadt, bei denen große Rap-Acts wie K.I.Z. und Lance Butters mittlerweile zur Stammkundschaft gehören. Läuft. Denn eine Krise des Videos scheint nicht in Sicht.

Eben erst ließ Drake seinen skurrilen Tanzstil in greller Neon-Ästhetik nach Künstler James Turrell ablichten und eine verschollen geglaubte Adele im ersten mit IMAX-Kameras gefilmten Musikvideo über ein verstaubtes Klapphandy von sich hören, da kommt das Internet zum Zug: Die Bewegtbilder zu „Hotline Bling“ oder „Hello“ werden geliked, geteilt, geschnitten und kommentiert, was das Zeug hält. Und es scheint, als würde das Musikvideo ein Comeback feiern. Doch ist es jemals von der Bildfläche verschwunden?

Eine Antwort könnte sich zwischen Drängeleien auf dem Hamburger Hauptbahnhof und dem glanzvollen Leben an der Alster finden. An jener Adresse, wo unter einer Reihe von fein säuberlich gedruckten Namen mit Hand geschrieben steht: Klabautermann Images. Dicht gefolgt von einem freundlichen Verweis auf die kaputte Türklingel. Man darf im Alleingang beschließen, einen engen Stiegenaufgang zu erklimmen und wird im Dachgeschoss durch eine Tür gebeten – Willkommen im Highlight Department, der Homebase eines kreativen Kollektivs aus Fotograf, Kameramann und den Jungs von Klabautermann Images.

„Am Anfang stand einfach ein riesengroßer Tisch in meiner Wohnung und zwei iMacs drauf. Als weiteres Equipment und erste Kundengespräche dazukamen, wollte man dann aber doch Berufliches von Privatem trennen“, rekonstruiert Marvin Tomé den Weg in ein Ambiente, das sich zwischen industriell und gemütlich eingependelt hat, dabei wuchtiges Holz vor weißen Wänden in Szene setzt und immer noch genügend Platz für spontane Inhouse-Produktionen lässt. Als sich Julian Weber mit seiner Tasse Kaffee dazugesellt, wird schnell klar: Man ist hier zu Gast bei einem ungleichen Duo, das gut aufeinander eingespielt ist.

##Plan A – Plan B
Bevor Tomé und Weber gemeinsame Sache machten, fuhr Ersterer als gelernter Matrose drei Jahre lang international zur See, tingelte auf Containerschiffen durch Südamerika oder Asien und landete schlussendlich im Hamburger Hafen. „Ich konnte ihr viel abgewinnen, aber die Schifffahrt war nie eine Branche, die ich mir aus freien Stücken ausgesucht habe“, gesteht der 26-Jährige vorweg und weist auf einen attraktiven Ausweg aus einstigem Stress mit der Autorität. Während der gebürtige Westfale mit seiner ersten Kamera das Leben auf den Schleppern festhalten wollte, kam Weber aus einer anderen Richtung dazu: Im Anschluss an eine Ausbildung zum Grafikdesigner, nach mehreren Jahren in Agenturen und Einblicken ins Motion Design, die 3D-Welt und Animation.

Tomé kümmerte sich bereits um erste Anfragen, besorgte sich einen Kleingewerbeschein und arbeitete schon damals unter noch heute aktuellem Namen. Als sich die Wege des Autodidakten und seines zukünftigen Partners kreuzten, wurde aus einem geteilten Hobby bald eine gemeinsame Firma. „Wir haben gemerkt, dass uns das, was wir aus Leidenschaft machen, nicht nur liegt, sondern auch anderen Leuten gefällt“, erinnert sich Weber zurück, woraufhin Tomé einwirft, dass die beiden seit 2012 fast tagtäglich zusammensitzen. „Man funktioniert einfach miteinander und das ist ganz wichtig. Gerade, wenn man gemeinsam ein Geschäft aufbauen möchte.“

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Couch mit Klabautermann: Julian Weber (links) und Marvin Tomé (rechts) in ihrem Hamburger Büro.

##„Not established“
Erste Gefälligkeiten für Freunde brachten zwar nicht sofort das große Geld, aber genügend Spielraum für wertvolle Erfahrung. „Wir haben lange unentgeltlich gearbeitet und volles Risiko getragen, um uns zu etablieren.“ In die Musik sind die beiden mehr oder minder reingerutscht, aber auch neue Herausforderungen wie ein erster Ausflug in die Werbung gehören bei Klabautermann Images zum Arbeitsalltag. „Wir sind generell sehr neugierig und lehnen kategorisch nichts ab. Deshalb gab’s auch noch keine Situation, in der wir gesagt hätten: Ne, das machen wir nicht“, zieht Tomé Bilanz.

Denn die Konkurrenz schläft nicht. Schon gar nicht in der Musikvideo-Branche, wo es im Laufe der Jahre immer leichter geworden ist, mitzumischen. Auf die Frage nach einem wesentlichen Vorteil seines Unternehmens gegenüber der Konkurrenz erklärt Tomé: „Wenn man mit uns arbeitet, gibt es keine Probleme, sondern höchstens fehlende Lösungsansätze.“ Wer abliefern will wie Klabautermann Images, darf sich keine Grenzen setzen, „denn wenn wir nach 14 Stunden nicht fertig sind, rocken wir so lange weiter, bis auch das letzte Bild im Kasten ist.“

Bei ihren Produktionen ziehen die Jungs das Bestmögliche schon direkt aus der Kamera und können im Nachhinein auf wilde Effekte und einen Griff in die digitale Zauberkiste verzichten. Man plant minimalistisch und setzt mit filmischem Anspruch um. „Wir lassen die Finger vom DSLR-Look, weil es in dieser Aufmachung schon zig Millionen Videos im Internet gibt. Auch wenn sie durchaus sehr schön sein können.“ Von Anfang an sollte eine Filmkamera her; als Investition, die sich gerade deshalb lohnt, weil ihre qualitativ hochwertige Ästhetik potenzielle Kunden fast automatisch aus ganz unterschiedlichen Richtungen anzieht.

„Richtig Akquise mussten wir bislang noch nicht betreiben. Stattdessen versuchen wir, uns nach außen hin klar aufgestellt und professionell zu positionieren.“ Wem der erste Eindruck gefällt, hat mit Klabautermann Images einen Ansprechpartner für die Vorproduktion, die Produktion selbst und die Nachbearbeitung, doch allem voran für Realismus dem Kunden und seinem Projekt gegenüber gefunden. Und was fließt noch ins Erfolgsgeheimnis? „Ganz egal, wie viel Budget zur Verfügung steht: An der Zeit sollte man niemals sparen“, gibt Weber zu bedenken.

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##Rapper und Ghostbusters
„Wir versuchen nicht, diesem einen Künstler oder dieser einen Stilrichtung zu folgen, sondern immer mit so offenen Augen durchs Leben zu gehen, wie überhaupt nur möglich“, reflektiert Tomé anschließend über Inspirationsquellen. Nichtsdestotrotz wirkte der Rap anziehend, als ein Freund, der Liveblogs für Casper drehte, dem Duo 2013 ein Angebot machte: Rapper Lance Butters auf Tour zu filmen. Und als dieses Projekt im Kasten war, ließ das Management von K.I.Z. nicht lange auf sich warten und Klabautermann Images zogen weiter – mit den Berliner Hip-Hoppern die gesamte Festival-Saison 2015 im Bus durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Für ein gutes Dutzend Tourblogs à drei bis 30 Minuten.

„Auf Tour ist eine Kamera ständig am Körper, damit man in jeder Situation draufhalten kann“, erklärt Weber. Sobald die Reifen rollen, rollt auch der Film: Von der Vorbereitung über den Bühnenauftritt bis zur Aftershow-Party. Und dabei möchte man so nah wie möglich ans Geschehen rankommen. Auch dann, wenn K.I.Z. in ihren Shows zur so genannten Wall of Death aufrufen, sich das Publikum trennt und Tomé derjenige ist, der in der Mitte auf den Aufprall von Hunderten wartet. Das Ergebnis? Großartige Bilder mit großem Risiko. „Das ist der filmische Anspruch an einen selbst und genau das sind die Situationen, die es festzuhalten gilt“, so der Unternehmer. „Wir sind wie die Ghostbusters – nur mit Kameras. Wir haben nicht dieses Gerät, das Geister einfängt, sondern Kameras, die Momente einfangen!“

##Fast Forward
„Generell sollte man technisch immer weit vorne mitspielen und auf dem neuesten Stand sein. Das war immer schon ein kleiner Vorteil bei uns.“ Weber denkt an innovative Stabilisierungsgeräte, die aus China bestellt und selbst zusammengebaut wurden, um sich schon früh in der Bildsprache abheben zu können. Ansonsten hat das Team nach einem ersten Trip mit K.I.Z. Lust, wieder in den USA zu filmen, dort neue Drehorte zu scouten und nicht zuletzt auch in der amerikanischen Rapszene anzukommen.

Selbst wenn Aufträge für Klabautermann Images prinzipiell in vielen Bereichen warten, könnte die Musikvideo-Branche ein wichtiger Markt für das junge Unternehmen bleiben. Die glorreiche Zeit der Musiksender mag längst vorbei sein, doch „das Loch, in dem gefühlt kein Mensch mehr MTV und VIVA geguckt hat, haben wir überwunden, als YouTube aufgekommen ist“, erklärt Weber beruhigt.

„Wenn ein Foto mehr als 1.000 Worte sagt, was lässt sich erst mit einem Video erzählen?“

##Comeback des Musikvideos? Ja!
Was seither verstärkt passiert, ist eine Verschiebung im Format und diese lässt das Musikvideo einmal mehr zum Event und zu einem kulturellen Moment werden. Nachdem MTV seinen Hype 1981 passend mit dem Clip zu „Video Killed the Radio Star“ ins Rollen brachte, befinden wir uns heute wieder in einer neuen Revolution. Denn „jahrelang wurde Content im Internet mit Bildern verstärkt – bis dort das Video explodiert ist“, ergänzt Tomé.

Wenn die Drakes oder Adeles dieser Welt ihre Videos veröffentlichen, dann herrscht im Internet Ausnahmezustand. Die Künstler versuchen, ihre Spuren in der Popkultur zu hinterlassen, während Fans mit bis ins Detail durchdachten Inhalten interagieren: In Form von viralem Momentum, rekordverdächtigen Klickzahlen und einer Reichweite, die sich auf Millionen von Kontakten multipliziert – dank Snippets auf Vine, Memes auf Instagram und GIFs auf Facebook oder Twitter.

Soziale Plattformen passen ihre Infrastrukturen an, Dienstleister produzieren perfekt abgestimmt auf das jeweilig gewünschte Format und wer sich im Internet aufhält, wird dort immer wieder neue Formen der Interaktion finden. „Jeder will zu allem ein Video haben, sei es in der Musik oder für irgendetwas anderes“, garantiert Tomé. Aus gutem Grund: „Wenn ein Foto schon mehr als 1.000 Worte sagt, was lässt sich erst mit einem Video erzählen?“

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