John Akomfrah – The Last Angel Of HistoryDoku-Tipp: Zwischen Afro-Futurismus und digitaler Diaspora

1996 veröffentlichte der britische Regisseur John Akomfrah den Dokumentarfilm „The Last Angel Of History“. Schwarze Musik im Zeitenwandel. Und dieser Zeitenwandel war damals heftiger denn je – der Afrofuturismus tragendes Debattenthema.

Rund 45 Minuten reine Lehre. Im Mittelpunkt Akomfrahs recherchierenden Rundumschlags in Sachen Afro-Futurismus, Diaspora, Tradition, Techno, Drum and Bass und Science Fiction stehen hochkarätige Interviews. Die Gespräche mit dem Autor Kodwo Eshun, Science-Fiction-Legenden wie Octavia Butler und Samuel R. Delany und Musikern wie Juan Atkins, Derrick May und Goldie liefern den theoretischen wie praktischen, also Hands-on-Blick auf die Themen und gesellschaftlichen Missstände, die mit dem Siegeszug des Techno so laut in Beats gegossen und kommuniziert wurden, dass sie auch jenseits des akademischen Diskurses an europäischen Universitäten plötzlich – endlich – auf breiterer Ebene wahrgenommen wurden.

So empfand ich das damals zumindest. Was hatte ich als durchschnittlicher Techno-Enthusiast denn schon „gelesen“? „The Third Wave“ von Toffler vielleicht, aber bestimmt auch nicht vollständig. Mitte der 1990er-Jahre war eine gute Zeit für Kompendien zur 4/4-Subkultur, zur Horizonterweiterung. Und „The Last Angel of History“ ist das Bewegtbild-Äquivalent dazu.

Die Dokumentation von 1996 war zwar nicht verschollen, aber doch schwer bis unmöglich zu schauen. Sie lief damals im ZDF, und dankenswerterweise arbeitet ich zu dieser Zeit beim Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk in Berlin parallel zum Studium und konnte mir über den Programmaustausch den Film auf VHS einfach kommen lassen. Ich wollte ihn als Quelle für ein Referat heranziehen. Seitdem jedoch hatte ich die Doku nicht mehr gesehen.

Aktuell läuft „The Last Angel Of History“ in Berlin als Teil der großen Tresor-Ausstellung (sehenswert!) und ist mittlerweile auch auf YouTube aufgeschlagen. Endlich. Schon runtergeladen. Die Doku ist immer noch aktuell. Weil die Themen es immer noch sind. Auch wenn sich die Musik um Lichtjahre weiterentwickelt hat. Und weil es eben keine der Dokus ist, die mit der Love Parade als Aufhänger die falsche Geschichte erzählt, sei sie an dieser Stelle nochmals allen empfohlen.

Marie Wilhelmine AndersUnser Mix der Woche

Jóhann Jóhannsson – A User’s ManualChapter 10 – White Black Boy (2012) – English