Schnapsideen – Erfindergeist im 21. JahrhundertDiesmal: Fake-Wampe, Pfurzkissenkatze und Zahnputz-Disco
13.10.2017 • Technik & Wissen – Text: Ji-Hun Kim, Illustration: Susann MassuteTechnologien können die Welt verbessern. Können …
Von verfehlter Hipster-Meta-Ironie, gruseligen Kuschelrobotern bis hin zum proprietären Zahnbürsten-Ghettoblaster – die Schnapsideen für den Monat Oktober machen fett, ohne fett zu machen, wedeln mit dem Schwanz und machen Dentalhygiene zur irrsinnig komplizierten Angelegenheit.
Dadbag
Fangen wir mal mit einem dröschen Hipster-Witz an: Was haben Nazis mit Hipstern gemeinsam? Niemals würden sie zugeben, dass sie einer sind und man findet sie überall. Hipstern wird gemeinhin aber auch nachgesagt, dass sie immer und für alle Fälle genug Ironie im Gepäck haben. Ziemlich meta und haha-komisch ist daher auch die Dadbag von Albert Pukies. Für alle Männer, die fünfmal die Woche zum Crossfit latschen und mindestens genau so oft ihren Badezimmerspiegel mit Sixpack-Selfies belästigen, können voll ironic beim Gallery-Opening diese Hipbag im nackig-behaarten Bierwampen-Look mit sich rumschleppen. Vom Hotbod zum Dadbod in einer Sekunde. Man könnte auch eine Windel tragen. In den Fake-Wanst passt eine Menge rein: Bier (natürlich), Handy, Schlüssel, Bong – alles gut verstaut und gar nicht so unpraktisch, wenn es nicht so unfassbar hässlich und dad humor wäre. Es gibt Hipster und Fashion-Blogger, die sagen, die Dadbag sei Kunst, wenn nicht gar ein Gesellschaftskommentar. Ja nee, sicher das. Tragt das mal erstmal bei eurem nächsten Tinder-Date.
Dadbag
Qoobo
Qoobo kommt aus Japan und ist ein großes rundes Plüschkissen, mit dem Kinder, Erwachsene und vor allem einsame Rentner schmusen sollen. Allerdings hat Qoobo einen Twist. Ein Katzenschwanz, der zu allem Überfluss ein Roboterschwanz ist und bei Berührungen reagiert und sich dann elegant-geschmeidig bewegt. Ganz schön creepy, aber die Erfinder sind davon überzeugt, dass es gerade für die Kopfstanddemographiepyramide nur sinnvoll ist, wenn alte einsame Menschen etwas zum Interagieren haben. Da ist Japan mit einer der ältesten Bevölkerungen der Welt uns schon um einiges voraus. Wenn das aber die Lösung für die Zukunft sein soll, dann bitte heute noch die Giftspritze. Qoobo ist ergo nicht nur ziemlich gruselig sondern auch zutiefst traurig. Da hilft auch das Pfurzkissendesign nicht weiter, um dieser Technikkatastrophe etwas Scherzhaftes abzugewinnen. Am Ende sieht es dann leider doch aus wie eine plattgefahrene und danach wieder aufgepustete Katze.
Qoobo
Benjamin Brush
Was für eine Qual es doch jeden Morgen und Abend ist, sich die Zähne zu putzen. Und was für Tricks es nicht gibt, sich selber wie ein Labor-Bonobo zu hintergehen, damit man ja die vom Dentisten empfohlene Zahnputzzeit einhält. Benjamin Brush ist eine elektrische Zahnbürste mit integriertem Musikplayer und schrottigem Lautsprecher. Richtig gelesen. Eine Zahnbürste als Massagestab-großer Ghettoblaster, der genau zwei Minuten lang Musik spielt, während man sich die Zähne putzt. Ist die Beschallung vorbei, weiß man, dass die Challenge geschafft ist. In der Schule hatte ich mal gelernt drei Minuten. Aber whatever. Interessant ist auch die Bespielung des MP3-Players in der Zahnbürste. Es gibt einen eigenen Musikstore, bei dem Songs für 99 Cent heruntergeladen werden können. Ganz proprietär, nichts mit eigenen Tracks oder Playlisten. Das könnte eine entweder ganz schön teure oder ziemlich eintönige musikalische Angelegenheit werden. Spannend wird es auch, wenn mehrere sich gleichzeitig im Bad die Zähne putzen wollen. Wieso auch zur Kirmes, wenn man sie morgens daheim haben kann?
Mit der dazugehörigen App, die einen unnötig mit dem Internet verbindet, kann man zudem sehen, wie toll man in der Putzperformance mit dem Rest der Familie abschneidet. „Mami, Mami, Franz Ludwig hat den ganzen Nachmittag die Zahnbürste angemacht und geschummelt.“ „Ach, Paula Sophia, ich hab doch morgen Präsentation. Dann machst du das das eben auch.“ Benjamin Brush kostet das Stück 55 Dollar und einzelne Ersatzbürsten gibt es derzeit auch nicht Sortiment. Dafür versprechen die Hersteller, dass die Bürste aus Silikon ein Jahr lang halten soll und viel hygienischer sei als herkömmliche Plastikbürsten. Ein Jahr lang die gleiche Zahnbürste im feuchten Badezimmer – eine grauselige Vorstellung. Gut, dass Benjamin Brush spätestens dann ein Fall für die Mülltonne ist – pardon, Sondermüll, bei der ganzen Elektronik. Wir empfehlen stattdessen die brandneue Erfindung FM Bath. Radio ins Badezimmer. Gut ist.
Benjamin Brush