Review: Motorola Moto G7 Power & Moto G7 PlusCasual High Technology
1.3.2019 • Technik & Wissen – Text & Fotos: Thaddeus HerrmannMit vier Modellen will Motorola 2019 die Smartphone-Mittelklasse aufmotzen, besser machen und sich selbst als Traditionsmarke in Erinnerung bringen. Die Unterschiede zwischen den Geräten liegen dabei oft nur im Detail, manchmal aber auch auf der Hand. In der Preisklasse zwischen 150 und 300 Euro – hier bewegen sich die neuen Handys – sollte man mit großen Innovationen lieber nicht rechnen. Das ist aber auch gar nicht schlimm, sagt Thaddeus Herrmann.
Ein Smartphone kann für seine Besitzer*innen vieles sein. Statussymbol, Arbeitsgerät oder einfach nur ein Gebrauchsgegenstand, den man manchmal eben braucht, dessen grundlegenden Funktionalitäten man sonst aber keine sonderlich großen Erwartungen entgegen bringt. Mit der G-Serie bedient Motorola 2019 die Kategorien Arbeitstier und Gebrauchsgegenstand – das hat Tradition. Denn das G steht bei Motorola – platt-werberisch ausgedrückt – für „gut und günstig“. Ein Marktsegment, in dem man sich heute mehr denn je einer großen Schar von Mitbewerbern konfrontiert sieht. Denn bei den Smartphone-Herstellern hat längst ein Generationswechsel stattgefunden. Einerseits entwickeln sich ehemalige Billigheimer aus China zu Premium-Marken, allen voran Huawei, wo man die preisgünstigen Endgeräte an das Tochter-Unternehmen Honor ausgelagert hat und selbst lieber Flaggschiffe für 1.000 Euro verkauft. Gleichzeitig rücken von unten vergleichsweise neue Anbieter nach, die von der Tatsache profitieren, dass es heute eben keine Raketenwissenschaft mehr ist, ein gutes und günstiges Smartphone zu entwickeln und zu verkaufen. Motorola sitzt als einer der letzten „Dinosaurier“ des Mobilfunks in dieser Kategorie – und zwar sehr erfolgreich. Dafür sollte man irgendwie dankbar sein, es ist deutlich zu früh, die Marke auf die „Heritage“-Bank abzuschieben und in die „Abgehakt“-Schublade zu HTC und LG zu stecken. Im Gegenteil: Man sollte sich darüber freuen, dass auch für kleines Geld Technik Jahr für Jahr vor sich hin evolutioniert. Ein bisschen schade für den Journalisten: Großes Storytelling springt dabei nicht raus. Aber so ist das eben mit Casual High Technology: Will nicht viel und muss auch nicht – selbst in unserer technologischen Alltagswelt gibt es klar absteckte Erwartungshaltungen.
So ist es auch 2019. Gleich vier unterschiedliche Telefone drückt Motorola für die G-Serie in den Markt – im Preisband von 150 bis 300 Euro. So üppig hätte das Angebot nicht ausfallen müssen, aber gut. Am unteren Ende der Skala steht das G7 Play. Das ist kaum mehr als ein Burner-Phone für die Whatsapp-Gruppe von kokstaxi.biz, läuft aber immerhin mit dem aktuellen Android 9. Das Display misst 5,7" bei 720p, das Gehäuse ist aus Kunststoff und der Speicher mit 2 GB RAM und 32 GB ROM ein bisschen unterbelichtet. Wo man im Auslieferungsstatus – ohne SD-Karte – die 4K-Videos wohl hinspeichern soll? Für 210 Euro folgt das G7 Power. Diese Power ist wörtlich zu nehmen: Mit 5.000 mAh Kapazität im Akku kann man die Powerbank guten Gewissens zu Hause lassen. Denn auch wenn das Display hier auf 6,2" wächst: Die Auflösung bleibt ebenfalls bei 720p stehen, da kann sich die Batterie anderen Dingen widmen. Immerhin wächst die Speicherausstattung auf 4/64 GB. Kurioses Detail: Das teurere G7 Power unterstützt keine 5GHz-Wlan-Netze, das G7 Play hingegen schon. 250 Euro kostet dann das „reguläre“ G7. Hier wird die iPhone-esque Notch gegen das schmalere Tropfen-Modell getauscht, auf der Rückseite findet sich eine Dual-Kamera, das Display strahlt in zeitgemäßeren 1080p und NFC debütiert. 300 Euro kostet schließlich das G7 Plus – mit leicht besserem Prozessor, hochauflösenderer Dual-Kamera mit optischer Bildstabilisierung und Stereo-Lautsprechern. Durchatmen.
Zugute muss man Motorola halten, alle vier Smartphones, selbst den Burner, mit USB-C auszustatten. Auch die 3,5mm-Klinkenbuchse findet sich überall. Außerdem kann jedes Telefon mit zwei SIM-Karten und zusätzlich noch einer micro-SD-Karte bestückt werden. Jenseits der Play-Variante werden die Handys auch mit einem Turbo-Charge-Netzteil ausgeliefert. All das ist für die aufgerufenen Preise schon nicht so schlecht. Man muss sich nur in dieses Marktsegment hineindenken, aus dem Kokstaxi aussteigen und die Teile mal anmachen. In unserem Fall: das G7 Power und G7 Plus.
Mit 5.000 mAh Kapazität in der Batterie fällt einem beim G7 Power tatsächlich ein ziemlicher großer Digitalnomaden-Stein vom Herzen.
Moto G7 Power – die beiden Ps
Äußerlich sind das G7 Power und das G7 Plus so gut wie nicht zu unterscheiden. Abseits der unterschiedlich geformten Notches und den beim G7 Power etwas größeren Display-Rändern und einem leicht wuchtigeren Kinn, gibt es auf der Front keine wirklichen Unterschiede. Dass man es mit zwei verschiedenen Geräten zu tun hat, fällt dann auf, wenn man sie in die Hand nimmt. Das G7 Power hat eine Rückseite aus Kunststoff. Das ist nicht weiter schlimm, dürfte aber jenseits der Fingerabdrücke leider auch Kratzer anziehen. Power und Plastik also – eine einfache, aber vollkommen ausreichende Schutzhülle legt Motorola dem G7 Power bei. Mit 5.000 mAh Kapazität in der Batterie fällt einem tatsächlich ein ziemlicher großer Digitalnomaden-Stein vom Herzen. 60 Stunden Laufzeit verspricht Motorola. Ganz egal wie der persönliche Alltag nun aussieht: Addicts kommen hier deutlich länger über die Runden. Und mit dem Turbo-Netzteil ist man innerhalb von 15 Minuten an der Steckdose für bis zu neun weitere Stunden unterwegs.
Positiv bemerkbar macht sich auch das Display, dessen 720-Auflösung nicht weiter negativ auffällt, im Gegenteil: Im direkten Vergleich mit dem Plus-Modell sind praktisch keine Unterschiede zu erkennen. Beide Bildschirme sind ausreichend hell und die Blickwinkel vollkommen in Ordnung. Der Snapdragon 632 macht mit seinem acht Kernen und einer Taktgeschwindigkeit von 1,8 GHz einen soliden Job. Dabei dürfte die Tatsache helfen, dass Motorola mittlerweile schon traditionell Android so gut wie vollkommen in Ruhe lässt. Statt der bei vielen Herstellern üblichen Android-Skin kümmert man sich mit den Moto Actions lieber um praktische Zusatzfeatures. Ein Performance-Monster ist das Smartphone nicht – das merkt man schon im Alltag jenseits der Extrembelastung. Immer wieder mal kommt es in Apps zu kleinen Rucklern oder Verzögerungen, was einem aber gar nicht auffallen muss, wenn man genau diese Geräteklasse gewohnt ist. Für 210 Euro liefert das G7 Power genau das, was ich in dieser Preisklasse auch erwarte.
Moto G7 Plus – das andere P
Das ist insofern interessant, als dass das G7 Plus für 90 Euro Aufpreis tatsächlich wenig – zu wenig – Mehrwert bietet, womit das Fazit, das Entweder-oder bereits vorweggenommen wäre. Ja, das Chassis fühlt sich besser an. Die Rückseite aus Glas ist edler und widerstandsfähiger – das Gleiche gilt für die Front, die aus Gorilla Glas gefertigt ist, immerhin der dritten Generation. Aber sonst? Das Display ist kein spürbarer Sprung nach vorne. Und den mittelmäßigen Lautsprecher des G7 Power gibt es hier zweimal – Sound-mäßig geht hier wenig. Ein YouTube-Video? Okay. Aber selbst für einen Podcast oder Nachrichten ist es mir schon viel zu wenig. Gerade das Duo beim G7 Plus fängt bei Musik schnell an zu zerren.
Auffällig: Die HDR-Fähigkeiten beider Telefone bleiben hinter den Erwartungen zurück und holen so gut wie nichts aus den Bildern heraus.
Und auch das vermeintliche Alleinstellungsmerkmal – die Dual-Kamera – liefert nicht wirklich viel bessere Ergebnisse. Beim G7 Power kommt eine 12-Megapixel-Kamera zum Einsatz. Bei guten Lichtverhältnissen liefert die mit ihrer f/2.0-Blende und einer Pixelgröße von 1,25um auch gute Bilder. Die Fotos des G7 Plus mit 16 Megapixeln, einer Blende von f/1,7, der Pixelgröße von 1.22um und optischer Bildstabilisierung sind aber nicht spürbar besser. Gut, der zweite Sensor sammelt mit seinen 5 Megapixeln Tiefeninformationen für Bokeh, Porträt-Spielereien und einige weitere Features: Die eigentlichen Fotos jedoch unterscheiden sich kaum. Auffällig: Die HDR-Fähigkeiten beider Telefone bleiben hinter den Erwartungen zurück und holen so gut wie nichts aus den Bildern heraus. Auch der versprochene Leistungszuwachs des Snapdragons 636 in Verbindung mit seiner leicht besseren GPU im G7 Plus fällt nicht ins Gewicht. Vor die Entscheidung gestellt, mich für eines der beiden Smartphones entscheiden zu müssen, ist das Urteil klar: Ich nehme den größeren Akku, verzichte auf die Stereo-Lautsprecher und spare 90 Euro.
Class of 2019
Auch wenn ich nur zwei der insgesamt vier neuen G-Modelle ausprobiert habe: Dieses Preissegment gleich mit einem Smartphone-Quartett zu bespielen, scheint mir sehr ambitioniert und irgendwie der falsche Weg. Die marginalen Unterschiede zwischen den Geräten stiften eher Irritation und setzen ein gewisses Maß an Expertentum voraus, genau das Gerät für sich herauszufischen, welches die persönlichen Wünsche am besten abbildet. Schlecht ist das alles nicht, im Gegenteil: Gerade das G7 Power hinterlässt einen durch und durch guten Eindruck mit hervorragendem Preis/Leistungsverhältnis. Ich wünschte mir lediglich ein wenig mehr Fokus in der Produktentwicklung bei Motorola. Im Smartphone-Geschäft generell überlebt man nur, wenn man nachhaltige Akzente setzt – gerade und vor allem in dieser Preisklasse. Hier ist noch nicht alles entschieden, hier sind einige wichtige Pfründe noch nicht verteilt. Mit pointierter und durchdachter Produktstrategie lässt sich noch viel erreichen. Und dem Generationenwechsel kann mit wertiger Tradition begegnet werden.