Das Nachfolgemodell des P7, das wir prima fanden, macht nicht alles anders. Aber vieles noch ein kleines bisschen besser. Wie das bei Smartphones heutzutage eben so ist. Schauen wir es uns an.
Gewohnheitstiere sind Wesen, die Veränderungen nur in minimal invasiver Dosis ertragen können. Wenn überhaupt. Selbst, wenn es ihrer eigenen Verbesserung zuträglich ist, halten sie gerne an dem fest, was sie haben. Da muss man schon von Kollegen interativ drauf aufmerksam gemacht werden, dass die Smartphone-Kamera erstens gestrig und zweitens miserabel ist, die Software auf dem Laptop nicht auf dem letzten, nicht auf dem vorletzten und auch nicht auf dem vorvorletzten Stand ist und man Textverarbeitungsdateiformate nutzt, die in den Zehner Jahren dieses Jahrhunderts nicht mehr à jour, ergo selten anschlussfähig sind.
Erst, wenn sie ein neues Gerät quasi auf den Bauch gebunden bekommen, merken Gewohnheitstiere: eigentlich ganz geil. So geschehen beim Huawei Ascend P7. Das klebte irgendwann an der Hand. Und hat sie nicht mehr verlassen (auch davon können die Kollegen ein Liedchen singen). Es hat eine super Kamera, mit der man draußen sehr gute und drinnen okaye Bilder machen kann. Letzteres zu perfektionieren ist aus meiner Sicht „the final frontier“ für Smartphone-Kameras und würde sowohl privat als auch dienstlich das Mitschleppen eines zweiten Fotografiergeräts endgültig entbehrlich machen. Es ist schlank, hat ein scharfes Display, hängt sich äußerst selten auf oder leidet an Software-Schluckauf, der letztlich auch zum Aufhängen führt. Und: Es triggert den persönlichen Sparfuchs-Fetisch, denn es bekämpft mit allerlei Bereinigungs-, App-Stopp- und Datenmüll-Wegmach-Tools jene von Sascha Lobo vortrefflich als „Allegie“ benannte Phobie vor dem leeren Akku (und dem vollen Speicher). Das Viagra-Pendant dabei ist der Ultra-Stromspar-Modus. Er macht aus dem Smartphone ein Telefon, mit dem man locker drei Tage campen gehen kann, ohne abzuschalten oder heimlich einen Wohnwagen vom Strom abstöpseln zu müssen, um sein Ladegerät dranzusetzen.
##Ein bisschen besser
Dann bekommt das Gewohnheitstier ein P8 in die Hand. Schwitzen. Schon wieder Veränderung? Zu viel davon ist auch nicht gut. Aufatmen nach kurzer Probezeit: Sie kommen in homöopathischer Dosis. Und tun großenteils gut. Kleine Verbesserungen ganz nach japanischem Kaizen-Prinzip. Unter der Haube des Geräts, das mit einem bisschen mehr Gewicht (144 statt 124 Gramm) daher kommt, wurde der Antrieb verbessert - Upgrades von Quad- auf Octacore und vor allem von zwei auf drei GB Arbeitsspeicher lassen das P8 gegenüber dem P7 wesentlich runder laufen, diese kleinen Momente des Hakens, des Hinterherhängens, des nicht-so-schnell-Reagierens wie man es gerade will, tauchen zumindest in der kurzen Testzeit nicht auf. Für ein bisschen mehr Platzverbrauch in der Hosentasche gibt es ein bisschen mehr Display (5,2 statt 5 Zoll bei gleich gebliebener Auflösung von 1920x1080 Pixeln). Das macht alles noch ein bisschen besser zu erkennen.
Zum Beispiel die Fotos, die man mit der schon beim Vorgänger ordentlichen, gleich gebliebenen 13-Megapixel von Sony oder der 8-Megapixel-Frontkamera macht. Die vom Gewohnheitstier lieb gewonnenen Filter sind jedoch futsch. Oder heißen und sind irgendwie anders. Weg sind „Punch“, „Sofort“, „Vintage“, statt dessen: „Heiligenschein“, „Schleier entf.“ und „Valencia“. Klingt nach Wallfahrt und lässt erst einmal unklar, was sich technisch-ästhetisch dahinter verbergen mag. Letztlich kann auch kein Filter (persönliche Meinung) überzeugen in dem Sinne, dass man danach nicht noch mal manuell mit Helligkeit, Kontrast, Farbtiefe etc. nachjustieren müsste. Aber weil man genau das mit dem Gerät in hohem Maße tun kann, ist das Ergebnis letztlich absolut in Ordnung. Eine externe Filter-App braucht es nicht. Das Feature „Lichtmalerei“ ist was für Silvester und Geburtstage, sonst nicht weiter interessant. Schon eher ist es der „Super-Nachtmodus“, mit dem sich bei ruhiger Hand (oder besser noch per Stativ) Langzeitaufnahmen machen lassen, von den üblichen Autostraßen bis zum Sternenhimmel. Draußen durchaus interessant, aber die spärlich und künstlich beleuchtete Bar kriegt man damit auch nicht zufriedenstellend abgebildet. Das bleibt weiterhin ein persönliches Desiderat desjenigen, der oft in spärlich und künstlich beleuchteten Bars eigentlich ein Foto machen müsste.
##Nützliches Spielzeug
Dafür gibt es fotografische Spielereien, aus denen sich ein „use case“ ableiten lässt: Zum einen der „Regisseur-Modus“. Damit lassen sich kleine Filmchen aus zwei oder mehreren Perspektiven drehen, indem weitere Android-Smartphones mit der entsprechenden App hinzugeschaltet werden. Der Regisseur entscheidet live, welche Perspektive im späteren Film erscheinen soll. Das könnte zum Beispiel für spontane Interviews im semiprofessionellen Bereich spannend sein, Stichwort: Videoblog. Oder peppt den Familienfest-Clip auf. Oder das Kickerspiel des Teams von Huawei Norwegen in der Mittagspause.
Zum anderen der Zeitraffer-Modus. Ordentlich hektisch. Ideal für ansonsten langweilige Filmsituationen. Weniges ist langweiliger als ein Messe- oder Location-Walkthrough in Normalzeit. Deswegen wurden die früher bei VIVA und GIGA TV, deren Auditorium besonders überschaubare Aufmerksamkeitsspannen hatte, immer im Zeitraffer abgefrühstückt, wenn es aufs Festival oder die gamescom ging. Mit dem P8 lässt sich das nachzaubern, allerdings ohne dass man – im Gegensatz zum „Regisseur-Modus“ wirklich Einfluss auf die Bildauswahl hätte. Draufhalten, Ergebnis checken, zufrieden damit sein oder nochmal machen lautet die Devise. Mindestens 30 Sekunden sollte man das Video schon laufen lassen, um am Ende netto einen Clip generiert zu haben, der einen Verlauf erahnen lässt und nicht in einem wüsten Bildergeschnitzel endet. Wir haben das mal im kleinen Skatepark des „Offenen Freizeittreffs Rabet“ in Leipzig ausprobiert. Ohne Bord:
Zum Schluss noch ein echter Glücksmoment: Das Diktiergerät. Beim P7 trat nach Systemsoftware-Update eine schier unglaubliche Verschlimmbesserung auf: Aufnahmen lassen sich fortan nicht mehr vor- oder zurückspulen. Warum? Pures Anti-Kaizen, Gift für alle, die Aufgenommenes abtippen müssen, es zwingt zum Download externer Alternativen. Was Gewohnheitstiere nur sehr ungern tun, sie bleiben gerne in ihrer bekannten Umgebung und stehen deshalb beim Smartphone auf gute Bordmittel, denn sie wagen sich nur in größter Not in den endlos weiten App-Kosmos hinaus. Dort lauern schließlich akkufressende Apps. Diese perfiden Monster blockiert das P8-Betriebssystem übrigens ganz von selbst, beim P7 musste das noch nach Warnung selbst getan werden. Das ist „Kaizen“ im Hintergrund, und „Kaizen“ nennt man in China „Gai San“. Das heißt übersetzt „Handeln zum besseren Nutzen aller“. In vielerlei Hinsicht mag das in der Volksrepublik überhaupt nicht zutreffen, hier tut es das.
##Huawei P8
• Display: 5,2", 1.920 x 1.080p
• OS: Android 5.0 / Emotion UI 3.1
• Prozessor: HiSilicon Kirin 930 Octa Core, 4 x 2.0GHz , 4 x 1.5GHz
• Akku: 2.680 mAh
• 3 GB RAM, 16 GB Speicher, erweiterbar
• Hauptkamera: 13 Megaixel
• Frontkamera: 8 Megapixel
• Preis: ca. 425 Euro, erhältlich in Schwarz, Weiß und Gold
• benötigt eine nanoSIM
• weitere Infos: Huawei