„Das Thema Auto als Statussymbol ist durch“Esther Bahne, Marken-Chefin von MINI, im Interview
21.12.2018 • Technik & Wissen – Interview & Fotos: Ji-Hun KimDie Autoindustrie befindet sich in der derzeit größten Krise ihrer Geschichte. Aber wie geht es weiter? Das gesellschaftliche Umdenken fordert auch auch ein Umdenken in der Branche für die Bereiche Markenstrategie und Kommunikation. Die Automarke MINI ist seit vielen Jahren in der Hand von BMW. Hier setzt man bewusst auf Lifestyle, Design und plant für das nächste Jahr sogar eigene Wohnkonzepte in Shanghai. MINI betreibt seit einiger Zeit auch das A/D/O in Brooklyn. Das A/D/O ist ein früheres Warehouse, ein sogenannter Creative Hub, das heute Gastronomie, Coworking-Space, Start-up-Akzeleratoren und Werkstätten beheimatet. Der Name A/D/O steht für „Amalgamated Drawing Office“. Der Designer des ersten Mini aus dem Jahr 1959 Alec Issigonis nannte sein damaliges Team so. Im hippen Williamsburg wird die Location gut angenommen, tagsüber sitzen hier Freelancer mit Laptops, am Abend gibt es Veranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge oder auch Musikevents. Das Filter traf Esther Bahne, Head of Brand Strategy & Innovation, in Brooklyn. Sie hat das A/D/O initiiert und wollte vor allem auch für sich einen Raum schaffen, den sie wie ein zweites Wohnzimmer immer wieder gerne besucht. Ein Gespräch über unkonventionelle Markenstrategien, graduelle Mobilitätsangebote und das Ende des Autos als Statussymbol.
Wie entwickelt man in Zeiten wie heute eine Markenstrategie für eine Automarke? Unter welchen Prämissen findet so etwas statt?
In unserem Fall haben wir die Strategie unkonventionell begonnen. Vom Vorstand kam die Anfrage, eine Vision für die Marke zu erstellen. Wir haben eine Gruppe aus zehn Leuten geformt: fünf aus der BMW Group und fünf Externe. Da waren Leute aus Start-ups, Designer und Modebranche dabei. Wir haben uns gefragt: Was wäre, wenn das unsere eigene Firma wäre. Was würden wir tun? Ein ungewöhnlicher Ansatz.
MINI ist eine spezielle Marke?
Wir haben festgestellt, dass MINI eine stark emotional belegte Marke ist. Es gibt keine andere Marke, bei denen Autos so oft eigene Namen bekommen. Lifestyle spielt eine wesentliche Rolle. Wir haben festgestellt, da lässt sich viel machen. MINI baut ja erstmal kleine Autos, diese sind prima geeignet für Carsharing, allerdings weniger für Ridesharing. Die Frage lautet: Wohin entwickelt sich Mobilität im urbanen Raum? MINI verstehen wir als eine vollurbane Marke: klein und für den kleinen Raum gebaut. Wir haben entschieden, dass wir aus der Marke gerne eine Lifestyle-Marke machen wollen. Das Kernangebot ändern. Kann man die Art, wie man Autos verkauft, verändern? Wie bietet man Mobilität an? Kredibilität ist wichtig. Was bringt eine Marke mit, gerade wenn es so viele Meinungen dazu gibt?
Dann kommt das Design.
So etwas muss aus dem Design heraus kommen. Wir müssen den „creative use of space“ beachten. Das ist auch der Slogan von Alec Issigonis aus den 50ern. Mode spielt eine Rolle. Mary Quant hat den Mini-Rock ja bekanntlich nach dem Auto benannt. Stichwort: Heritage.
Wie definiert sich die Zielgruppe?
Die urbane Zielgruppe definiert sich zunächst über Wohnen, Style, Reisen, Experiences und dann kommt die Mobilität.
Kerngeschäft bleibt der Absatzmarkt. Ich sehe aber gerade im Bereich urbane Mobilität einen Paradigmenwechsel. Auf dem Land ist ein Auto für die nächsten Jahre bestimmt noch elementar. In der Stadt sehe ich, ob in Brooklyn oder Berlin, eine andere Gemengelage. Hier geht es kaum noch darum, ein Auto zu besitzen. Die Vorstellung von Mobilität ist eine andere. Wie bringt man das heute zusammen?
Da ist erstmal viel Wahres dran. Aber ich glaube, dass die Trennung zwischen Land und Stadt gar nicht so stark unterschiedlich ist. Ich denke, dass gerade Services wie DriveNow im suburbanen Bereich großes Potential haben. Heute gibt es mehr als nur die beiden Optionen, mir entweder ein Auto zu kaufen oder nur Uber zu fahren. Da existiert eine Skala und DriveNow ist irgendwo dazwischen auch zu finden. Zwischen fünf Minuten und fünf Jahren habe ich eine Spanne, für die eine Reihe interessanter Angebote passen könnten.
Heute spricht man von „Mobility as a service“. Mir fehlt da oft noch die Griffigkeit, wie man so einen Begriff anzuwenden hat und wie er für die Zukunft genutzt wird.
Bei BMW ist das nicht schwierig, DriveNow wurde ja weiter differenziert. Vom reinen Carsharing nun auch zum Ridesharing. Mit Mercedes-Benz legen wir diese Geschäftsbereiche zusammen. Wir bauen das gemeinsam aus. Die Vision lautet: Wir verkaufen Autos, wir haben flexible Leasing-Angebote, ich biete einen Wagen über Tage an, über Stunden oder Minuten. Und kann mich bei Bedarf fahren lassen. So bilde ich eine Palette ab.
Das Auto ist kein Statussymbol mehr.
Das Thema Statussymbol ist durch, finde ich aber auch richtig. Die Idee von Statussymbolen hat sich in allen Segmenten verändert. Status wurde doch überall neu definiert. Das Bedürfnis, irgendwo hinzukommen und es persönlich in der Hand zu haben, wird aber nicht weniger. Eher im Gegenteil: Die Leute bewegen sich immer mehr und das wird im Zeitalter der Digitalisierung noch mehr werden. Mobilität sinkt nicht, sie steigt. Das sehen alle Anbieter so. Deswegen ist der Markt so attraktiv. Aber ob nun gemietet, gekauft, geleast wird – für mich ist das ein Gradient. Abo-Modelle werden heute zusätzlich diskutiert.
Wenn man sich die generelle Entwicklung anguckt, dann spielt Elektrifizierung eine Rolle, aber auch die Autonomisierung. MINI wirbt ja mit Go-Kart-Feeling und dem Selberfahren. Wie will man so einen Ansatz für die Zukunft fortführen?
Das ist die vielleicht spannendste Frage. Das macht den Job auch so spannend. Wie schaffe ich Paradigmen für ein neues Zeitalter? Was bedeutet Luxus für die Zukunft? Aber was ist auch Fahrspaß in der Zukunft? Wenn ich nun autonom in der Stadt unterwegs sein sollte, wie verbringe ich meine Zeit und wie setze ich das um? Kann ich den Modus umswitchen, wenn ich die Stadt verlasse und fahre wieder selber und will genau diesen Go-Kart-Spaß? Ist es in der Stadt vielleicht wichtiger, nicht zu fahren und sich auf andere Dinge zu konzentrieren? Bis aber in der City vollautonom gefahren werden kann, ohne die Hände am Steuer zu halten, wird noch eine ganze Weile vergehen. Das sind aber definitiv Fragen, die den Design- und Ingenieursberuf interessant machen.
Viele Konzepte gehen ja Richtung Kapsel. Ein Wohnzimmer auf vier Rädern, kein Lenkrad mehr.
Man muss erstmal sehen, wie das Thema autonomes Fahren überhaupt umgesetzt wird. Das wird nicht ein Autohersteller alleine entscheiden. Das wird im System Stadt gemeinsam entwickelt. Daher bringt es nichts, wenn man drei Marken hat, die vollautonom durchfahren und die anderen fahren alle nicht autonom. Das muss als System funktionieren. Die Vorstellung, den Raum innen wie außen neu zu gestalten, finde ich hochinteressant. Ich würde aber eine Wette eingehen wollen: Dieses Bubble-Konzept, wo alle Autos gleich aussehen, dieses sozialistische „Es-ist-egal-wie-es-aussieht“ hat noch nie ganz funktioniert.
Distinktion via Marke …
Wird es auf jeden Fall geben. Welche Faktoren da ausschlaggebend sein werden, ob Raum, Gefühl oder Experience – das gilt es herauszufinden. Wenn man so weiter macht, kann man das Auto noch mal neu erfinden. Vor allem aus Design-Sicht ist das natürlich sehr spannend.