Wochenend-WalkmanMit Otto A Totland, Prins Thomas und Phoebe Bridgers

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Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen.

Totland - The Lost - WWalkman

Otto A Totland – The Lost

Thaddeus: Es ist wirklich schon über dreieinhalb Jahre her, seit Otto A Totland sein erstes Album veröffentlichte. Damals – auf Pinô – beeindruckte mich nicht nur die Präzision, mit der der Norweger seine verhalten elegischen Miniaturen am Piano bei offenem Fenster gen Hinterhof einfing, sondern auch die Offenheit und der Mut, den es braucht, um so eine Platte überhaupt in die Welt zu entlassen. Daran hat sich beim Nachfolger, der vergangene Woche bei „Sonic Pieces“ erschien, nicht geändert, auch wenn das offene Fenster hier eine eher untergeordnete Rolle spielt. Im Zentrum stehen vielmehr die leicht zerrenden Obertöne, die die fast schon unanständige Nähe, die man beim Hören der Platte spürt, abfedern und ins richtige Licht rücken. An der musikalischen Struktur hat Totland wenig geändert. Darüber muss man einfach dankbar sein. Denn was der Norweger 2014 mit seinem ersten Album aufgesetzt hat und hier fortführt, ist mittlerweile missverstandener Mainstream. Die ganzen Piano-Klugscheißer und -Weichspüler da draußen, die sich mit dem zweifelhaften „Neo-Klassik“-Badge schmücken, aus einer Melodie und zwei Akkorden ein ganzes Album machen und sich dann feiern lassen in den gesponserten Showrooms und Konzertsälen der Welt können mit Totland nicht mithalten. Denn der hat Herz und Verstand, versteht sich auf die richtigen und angemessenen Zwischentöne, die es braucht, um die Romantik längst vergangener Zeiten fit zu machen für unsere Gegenwart, in der es – zum Glück – immer noch einen Unterschied gibt zwischen dem unerträglichen Wohlfühl-Modus eines Richard Clayderman und anderer Neuer Meister, die sämtliche Realitätsbezüge und Anknüpfungspunkte an unsere schmerzende Gegenwart bewusst negieren und komplett verloren haben. Totland ist reiner Soul. Musik, die einen das Hier und jetzt nie vergessen lässt, sondern im Gegenteil verständlich(er) macht, einen immer wieder zum genau richtigen Zeitpunkt rauskippt aus dem Schaumbad der Ignoranz und uns konfrontiert mit den Schmerzen der Seele, die unvermeidlich auf uns einprasseln. Der musikalische Jahresrückblick – gemacht am Klavier und hoffentlich wenigstens gekippten Fenster.

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Prins Thomas – 5

Benedikt: Wenn die Tage dunkler werden, ist Musik in der Lage, umso heller zu strahlen. Eines der wenigen schönen Dinge des heraufziehenden Winters. Die Musik von Prins Thomas war darin schon immer besonders gut. Mit Nummer 5 nimmt der Norweger nach dem ambienten und doch prinzipientreuen Ausbrecher „Principe del Norte“ die numerische Betitelung wieder auf und eröffnet im gleichen Zuge sein neues Label mit dem schlichten Namen Prins Thomas Musikk“. Dass die Platte während der Zusammenarbeit mit Bjørn Torske am gemeinsamen, im Sommer erschienenen Album „Square One“ entstanden ist, schimmert hier und da durch. Bisweilen psychedelische Gitarren, händisch angeschlagene Bassläufe, immer wieder das kleine bisschen Mehr, als bloß Maschine. Und so gesellen sich zum gewohnt gekonnten Eklektizismus aus balearischem und Cosmic Disco Versatzstücke von Country und Folk. „5“ drängelt mal mit Blinker links, zuckelt dann wieder gemütlich auf der rechten Spur, aber immer geradeaus gen tief stehender Wintersonne, die Bassline als niemals enden wollender Mittelstreifen in der Mitte. Und trotz Winter – selbstverständlich – im Cabrio.

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Phoebe Bridgers – Stranger In The Alps

Susann: Bei Wein-, Buch- und Plattenkauf gilt ja für viele: Auf ästhetische oder besonders eigenartige Cover und Etiketten ist meistens Verlass. Phoebe Bridgers Debütalbum „Stranger In The Alps“ passt gut in diese Regel, ein feines, bisweilen düsteres Folkalbum für feuchtkalte Wintertage. Besagtes vielversprechendes Cover wurde von der Künstlerin Angela Deane gestaltet. Deane arbeitet in ihrer Serie „Ghost Photographs“ mit gefundenen Fotografien, dessen Protagonist/innen sie mit deckender weißer Farbe in Geister verwandelt. „We become the ghosts of our everyday.“ Und das kleine Geisterkind von „Stranger In The Alps“ fügt sich wunderbar eigenartig in dieses melancholische Folk-Album. Eigenartig und melancholisch zugleich sind neben der Visualität auch die Lyrics in den stärkeren Songs wie „Demi Moore“: „Take a dirty picture, babe / I can't sleep and I miss your face / In my hands and in my knees […] I don't wanna be alone anymore — I don't wanna be stoned anymore.“ Bridgers Platte haftet trotz ihrer Leichtigkeit, den etwas poppigeren Songs (wie „Motion Sickness“) und zarten Instrumentierung etwas Morbides an. Wer daher lieber etwas mehr Weihnachtsstimmung zum ersten Advent braucht, dem empfehle ich ihre charmante, flüsterfolkige Version von „Have Yourself a Merry Little Christmas“.

Album auf Bandcamp

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