Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
##Will Samson & Heimer - Animal Hands
Thaddeus: Ich mag Will Samson, auch wenn ich beim besten Willen kein Lieblingslied identifizieren könnte. Dazu ist seine Musik auch viel zu flüchtig, zu leicht, verhuscht und introvertiert. Legt jemand aber Will Samson auf, dann ist der Musiker sofort da, beherrscht die Szene, wird ganz automatisch zum Mittelpunkt. Mit seinem neuen Album, ganz frisch auf Karaoke Kalk erschienen, ändert sich das Samson-Universum grundlegend. Nur Hits. Nur präsente Hits, die immer und immer wieder gehört und mitgesummt werden wollen. Ob das anders gekommen wäre, wenn Samson für die neue Platte nicht mit seinem alten Freund Heimer zusammengearbeitet hätte? Klar ist jedoch, dass Samson nie elektronischer in seinem Songwriting klang. Alter Hut? Nein, im Gegenteil. Natürlich gibt es solche Projekte mittlerweile zu Dutzenden. Ein bisschen Indie, ein paar Beats und ganz viel zurückhaltende, von 4/4 getragene Euphorie. „Animal Hands“ jedoch hat eine ganz eigene Handschrift. Ist im Klang viel zu weit entfernt vom Dancefloor und passt genau deshalb dort so gut hin. Und in diesem ungewohnten Drive ist Samson immer noch so sanft wie ein in Zeitlupe vorbeirauschender ICE, gemalt mit Wasserfarbe.
##Erik Bünger - The Empire Never Ended
Christian: Vor etwa zehn Jahren machte Thomas Knoefel eine Entdeckung: Im Archiv der „Society for Psychical Research“, die sich Ende des 19. Jahrhunderts in London gegründet hatte, um – durchaus d'accord mit dem Zeitgeist – parapsychologische Phänomene zu erforschen, stieß Knoefel auf eine Schallplatte, zu der keine weiteren Informationen vorlagen als das Jahr des Archiveingangs (1948) und folgender Hinweis: „Dangerous! Do Not Play!“ Auf dieser Schallplatte war die Stimme eines Mannes zu hören, der „in Zungen“ spricht, vielleicht im Traum oder Trance: ein seltsamer, etwas beunruhigender Singsang, der keinerlei Ähnlichkeit zu bekannten Sprachen aufweist. Die geborgene Aufnahme gelangte wiederum in die Hände des schwedischen Künstlers Erik Bünger, der versuchte, sie in in ein Notationssystem zu übersetzen und das Ergebnis anschließend einem Cellisten vorsetzte, welcher während einer Aufführung unisono zum historischen Tondokument spielte. Diese Aufführung wurde nun vom Kleinstlabel „Infinite Greyscale“ wiederum auf eine Schallplatte gepresst: mediale Kreisbildung. Man kann sie aber auch bei Soundcloud hören und dabei erahnen, dass die Aufführung dieses (eigentlich natürlich unhörbaren) Stücks dem Cellisten höchste Konzentration abgefordert hat. Es geht offenbar nicht einfach um eine Transferleistung von vermeintlichem Ausdruck des Unbewussten in eine musikalisches System, sondern auch darum, dass der geschulte Musiker beim Versuch, das schlechthin Andere der Kompositionskunst nachzuahmen, an seine Grenzen stößt. Ein bisschen lustig ist das Ganze natürlich auch. Und garantiert lässt sich damit die Bräsigkeit sonntäglichen Abhängens ernsthaft in Gefahr bringen.
##A$AP Rocky - At.Long.Last.A$AP
Benedikt: Ein HipHop-Album kann auch 2015 noch massiv überraschen, wer hätte das gedacht? Zwar hat A$AP Rocky schon vorher angekündigt, in welche Richtung die neue LP gehe, hat von Trip Hop und old „‚60s psychedelic shit“ gesprochen, aber dass dieses Album dann so klingen würde, hat doch niemand gedacht. A.L.LA. bringt Jack-White-Ästhetik in den US-Rap. Dass Dan Auerbach von The Black Keys sein Gitarrenspiel mit eingebracht und sicher auch als Inspiration gedient hat, erscheint in dieser Hinsicht umso logischer. A.L.L.A klingt erwachsen. Aber A$AP Rocky tut nicht nur reifer, sondern ist es wahrscheinlich auch. Immerhin ist Anfang des Jahres A$AP Yams gestorben, Gründer des A$AP-Rap-Kollektivs. Tot aufgefunden – die Drogen. Die wohl auch gerade deshalb ihre Spuren auf dem Album hinterlassen haben, auch abseits der doch etwas plakativen Vorab-Single „LSD“. Eingebettet in das Album, gibt es keinen Song, der unangemessen nach Aufmerksamkeit schreit, so viel ist nach erstem Durchhören schon mal sicher. Und keine ästhetischen Fehltritte wie beim Skrillex-Feature auf „Long.Live.A$AP“. Man kann A$AP Rocky erstmals ernstnehmen.