Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
Thundercat – Drunk
Ji-Hun: Bassisten, die zugleich Rampensau sind, gibt es selten in der Popmusik. Ja gut, die klassischen bekannten Ausnahmen: Kim Gordon (Sonic Youth), Paul McCartney, Sting (The Police), Jack Bruce (Cream), Les Claypool (Primus), aber eigentlich sind gute Bassisten jene Musiker, die einen Background perfektionieren. Stephen Bruner aka Thundercat kann beides. Er ist ein angesehener Studiomusiker. Hat für Kendrick Lamar, Erykah Badu, Suicidal Tendencies, John Legend, Snoop Dogg und Kamasi Washington Bass gespielt und nun sein drittes Album als Thundercat auf Brainfeeder veröffentlicht. Jenem Label von Flying Lotus, das es wohl als einziges Label in den vergangenen Jahren so schnell von linksfeldiger Beat Science im Underground zum absoluten Feuilleton-Liebling geschafft hat. Und auch „Drunk“ ist ein groß angelegtes Projekt. 23 Songs, Features von Pharrell, Wiz Khalifa, Kamasi Washington, Kendrick Lamar und Flying Lotus. Diese wären ja noch vorhersagbar gewesen, speziell sind aber die Gastauftritte von Michael McDonald und Kenny Loggins. Jene 80er Highschool-Movie-Soundtrack-Helden mit fescher Yachtfrisur, die heute eher mit einem Lächeln geschätzt werden. Aber gerade Kenny Loggins ist für Bruner ein großer Einfluss. Eine interessante und ertragreiche Zusammenkunft, die dem Album seinen ganz speziellen Charme schenkt. Es klingt wie die oft zitierte Zeitreise in die Vergangenheit, nur dass die Zeitmaschine versehentlich in der Gegenwart steckenbleibt und permanent Fehlermeldungen ausspuckt. „Drunk“ ist in der Tat ein Highlight des noch jungen Popjahrs. Die besten 80er, die es für 2017 geben kann. Epochal musikalisch, zum Platzen lasziv-funky und vielleicht sogar eine neue Blaupause für Black Music. Findet Ihr nicht auch, dass Bruner auf dem Cover wie Miles Davis aussieht?
CVBox – So ist es im Nadelwald
Thaddeus: Christoph Heinze und seine CVBox war mir schon auf EP-Länge immer ein guter musikalischer Freund. Sein Approach in Richtung Dancefloor ist speziell und interessant, hier liebt jemand Sound und ist bereit, die letzte Meile mit besonders schön klingenden Explosiönchen noch perfekter auszugestalten. Hier, auf seinem Album, kann er diesen Ansatz weiter, langsamer und ausgeklügelter denken. Und tut das dankenswerterweise auch. Es beginnt, so wie es sich ziemt für eine Langspielplatte, langsam und verhalten. „Oberla 8“, der Eröffnungs-Track, bietet in sich schon so viel referentielle Schönheit, dass es es eigentlich die weiteren zehn Tracks gar nicht mehr gebraucht hätte. Was für eine präzise federnde Miniatur! Danach entfaltet sich Schritt für Schritt eine straff organisierte Begehung der großzügig ausgeleuchteten Nacht in all ihren Facetten. Hier steht Techno zwar nicht drauf, ist aber reichlich drin. Erstaunlich wie mitreißend das über lange Strecken trotz der eindeutig auf Funktionalität ausgelegten Musik ist. Die Eichen pumpen, die Birken zischeln und die Tannen tanzen. Natürlich. Trotz tiefer Wurzeln. Vorne raus also „Dienst nach Vorschrift“. Aber CVBox ist eben CVBox und so lauert hinter jedem Chord, jeder vermeintlich gelernten Drehung dann eben doch noch eine Überraschung, die diese Platte so aus dem Wust des Bassdrum-Gewitters hervorhebt. Gemastert hat diese Platte Stefan Betke, also der Pole. Der hat sich über die Sache mit dem Wald bestimmt gefreut.
##Schwefelgelb – Dahinter Das Gesicht
Benedikt: Letztes Wochenende besuchte ich eine WG-Party. WG-Partys sind ja eine Kategorie, auf die sich die Berliner Studentenlandschaft (heutzutage?) eher weniger gut versteht, denn vor der Haustür warten ja 35 Clubs auf Eintrittsgelder, die erstaunlich willig gezahlt werden. Aber das ist eine ganz andere Geschichte, denn diese WG-Party war exquisit und hatte alles was dazu gehört. Jedenfalls: An den Plattentellern stand ein Typ namens Phil. Seinerseits Studiobetreiber und DJ mit der Attitüde: „Ick brauch kein Soundcloud, ick mach Platten.“ Sympathisch, verständlich, aber auch schade, denn was er an House & Techno aus der Plattentasche zog, zeugte von außerordentlich gutem Stil und Geschmack. Phil kommt aber eigentlich aus dem Punk, hat gar kein Bock auf Techno-Hype-Scheiße und würdigte zu späterer Stunde auch jene Schnittstelle zwischen Elektronik und Anti-Alles-Attitüde, die eben von Sid und Eddy, zusammen Schwefelgelb, gefüllt wird. Helden meiner Jugend. Als Sids Stimme erklang, wurde ich quasi zum DJ-Groupie, auf einer 2x2m-Tanzfläche im Neuköllner Dachgeschoss. Gestern erschient dann die EP „Dahinter Das Gesicht“, die nur wenig nach dem New-Wave-DAF-Style, den ich von den beiden kenne. Stattdessen gibt es knallharten Techno mit EBM-Einschlag auf die Ohren. Aber wie das eben so ist, mit den Helden der Jugend – egal. Trotzdem geil.