Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit Tengger, Calexico & Iron And Wine und Gene On Earth.
Tengger – Spiritual 2
Benedikt: In der Bandcamp-Bio bezeichnet das Duo Tengger aus Seoul die eigene Musik als „new age drone magic“. Hat man sich erst ins jüngste Werk der beiden hineinbegeben, wird schnell offensichtlich, wie zutreffend diese vier Worte sind. Mit New Age untendrunter und in Krautrock-Manier obendrauf nimmt man sich der Abstraktion von Klängen aus unterschiedlichsten Volksmusiken des asiatischen Kontinents an und führt sie entweder einer ewigwährenden Repetition oder dem niemals ausklingenden Synthie-Sound des Drone zu. Nun ist unsereiner dem Konzept von Abstraktion und Repetition durchaus vertraut. Und doch entzieht sich diese Platte jener Vertrautheit und lässt mich mit einem Eindruck zwischen zäher Unbequemlichkeit und langsam aufkeimender Begeisterung zurück. Aber das hat was für sich.
Calexico & Iron And Wine – Years To Burn
Jan-Peter: Immer mal wieder in der Zeit, wenn es heiß und trocken wird, ruft mich der Wüsten-Indierock, dann schmeiße ich Calexico an und der Abend geht oft mit Giant Sand weiter und endet dann vermutlich bei den Flying Burrito Brothers. Calexico habe ich vor vielen Jahren bei strömendem Regen im Ruhrgebiet gesehen, Giant Sand vor einigen beim tollen Wassermusik-Festival in Berlin. Wie schön für mich. Jetzt gibt es ein neues Album von Calexico, auch schön für mich. Es ist eine Kooperation mit Iron And Wine, die mir bislang nicht so wirklich zusagten und die ich auch in einer ganz anderen Ecke verorten würde, oder so: Calexico klingt nach Weite, Kaktus und Himmel, Iron And Wine nach enger, dunkler Kneipenbar. Wobei Sam Beam live eine ganz andere Nummer sein soll, wie mir mein significant other (und großer Fan) erklärt. Und tatsächlich haben die beiden schon 2015 eine EP zusammen gemacht, „In The Reins“. „Years To Burn“ verstehe ich als einen politischen Bandnamen – das liegt nahe bei Musikern, die die Grenze zwischen den USA und Mexiko immer schon thematisieren. Ein Abgesang auf hoffentlich nur vier Jahre verbrannter US-Grenzpolitik? Auf jeden Fall wieder ein ganz schönes Werk, meist recht eingängig, ein bisschen jammiger wird es auf dem tollen „The Bitter Suite“. Im November ist die Indie-Supergroup auf Tour in Deutschland.
Gene On Earth – Local Fuzz
Thaddeus: Wenn die HiHat der 909 vor lauter Flattern so richtig ins Schwitzen gerät, bin ich meistens dabei. Gene On Earth beherrscht die Programmiertechnik meisterhaft, und so hat der Kalifornier einen Fan mehr. Der Gene, der scheint mir so ein Selbstmacher zu sein. Sein Label heißt „Limousine Dream“, und dort sind seit 2017 nur vier Platten erschienen – alle von ihm. Gene On Earth wohnt – wie könnte es anders sein – mittlerweile in Berlin und hat einen Hund. Und macht House jenseits aller deepen Konventionen, was ihn 2019 irgendwie zu einer geschmacklichen Autorität macht. Niemals verfängt er sich in elegischer Ablenkung. Die Tracks sind allesamt klar, zackig, auf den Punkt und atmen Geschichte. Die reicht von bleepigen Abstraktionen über eine eindeutige Liebe zu frühen Entwürfen aus UK in den Chords bis zu einer generell eher zittrig-hektischen Hand an der BPM-Kurbel. Das ist alles so erfrischend, dass man aus dem Staunen fast gar nicht mehr rauskommt. Wie einfach Dinge früher sein konnten. Warum ist dieser Spirit eigentlich verloren gegangen. Und wann? Großes Album.