Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit Soundbwoy Killah, Molchat Doma und Missy Elliot.
Soundbwoy Killah – Halcyon Daze
Thaddeus: Soundbwoy Killah hat sein Debütalbum fertig. Und veröffentlicht es auf „Sneaker Social Club“, diesem trotz aller aktueller Rave-Euphorie absolut einzigartigen Label von Jamie Russel, der seit 2011 einen Smasher nach dem nächsten an Land zieht und dabei vor allem die Breakbeat-Kultur der Insel in den Blick nimmt. Um genau die geht es auch beim Soundbwoy. Der Titel könnte nicht besser gewählt sein – jeder Track gießt den glücklichen Dusel von damals in Musik. Der Produzent lebt dabei ganz klar in der Vergangenheit, im Original. Und abstrahiert diese Musik-Epoche doch so perfekt, dass die Nostalgie nie tranig wirkt oder die Überhand gewinnt. Anders als seine Mitstreiter wie Basic Rhythm jedoch, mündet diese Abstraktion nie in einer erzwungenen Modernisierung und der Integration bestimmter Trademark-Sounds in ein mehr oder weniger modernes Sound-Gewand. „Halcyon Daze“ kann man wie einen einzigen großen Dub hören, in der die Geschichte in ihrer ganzen Dringlichkeit über weite Strecken in die Hallfahne verschoben wird und in einer kontinuierlichen Andeutung weiterlebt. Ein referenzielles Puzzle mit mindestens 3.000 kunterbunten Teilchen. Soundbwoy Killah, das ist wie Burial – nur mit Eiern. Ein großes Stück Musik, für das man ein mindestens so großes Taschentuch braucht. Die Euphorie von damals lebt im Herzen von heute fort.
Molchat Doma (Молчат дома) – Etazhi (Этажи)
Susann: Das Pop-Kultur Festival in Berlin hat glücklicherweise nicht nur etablierte Künstler/innen im Gepäck, sondern überraschte auch mit dieser Zeitreise in die Sowjetunion der 1980er Jahre. So klingen nämlich Molchat Doma („Die Häuser schweigen“ – es grüßen Fliehende Stürme) – ästhetisch angelehnt an düsteren Post-Punk und New Wave, sowie in der LoFi-Produktion mit dumpfen und zurückgenommenen Vocals. Gesang, Bass, Synthesizer, Drum Machine – mehr braucht es für die Zeitreise nicht.
Die Referenzen an die Größen des Genres, Joy Division und The Cure, sind offensichtlich zu hören und man kann sich natürlich fragen, was die jungen Musiker aus Minsk bewegt sich an eine fast 40 Jahre alte Ästhetik zu wagen. Dann fällt mir allerdings wieder ein, wie tröstlich ich als Teenager in den Nuller Jahren den damals schon alten Düsterpunk von EA80 fand und mich die kargen, schwarz-weißen Cover-Artworks begeisterten. Und auch Molchat Domas Cover erfreuen (vielleicht nicht nur das ostdeutsch-sozialisierte) Auge mit brutalistischer Sowjet-Architektur. Tatsächlich gibt es das abgebildete Plattenbau-Hotel „Panorama“ in der Slowakei sogar noch. Nach eigener Aussage leben die drei Musiker ebenso alle in Plattenbauten – auch wenn sie die Sowjetunion nur aus den Erzählungen ihrer Eltern kennen, ist sie architektonisch noch vorhanden. Ähnlich mag es sich eben auch mit dem Genre Postpunk verhalten.
Missy Elliott – Iconology
Benedikt: Endlich wieder richtiger HipHop. Endlich komme mal wieder jemand aus der alten Riege und zeige der Cloud und dem Autotune, wie guter Flow auszusehen habe. So erklang es gestern aus meiner Altherren-HipHop-Blase – „Throw It Back.“ Das Berufen auf Vergangenes macht die Kritik am zeitgenössischen Output ja immer sehr einfach. Und selbst ein Hochhalten oder gar die Vereinnahmung des Damaligen von jungen Künstlern in gegenwärtigen Produktionen wird gern mit einem: „Hat’s doch schon viel besser gegeben,“ abgespeist. Zugegeben „Throw It Back“ ist mit zugehörigem Video schon ziemlich großartig und auch „Cool Off“ wirft mich unmittelbar zurück in Zeiten, in denen HipHop-Tracks nur selten ohne die dazu tanzende Crowd gedacht wurden. Danach ist die bessere Hälfte der neuen EP, die Hälfte, die eingangs erwähntem Statement ihr Futter liefert, zuende. Und so denke ich mir nach „DripDemeanor“ und „Why I Still Love You“ bloß: Das hat’s doch schon viel besser gegeben – letztens.