Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit Snail Mail, Sophia Loizou und Gzuz.
Snail Mail – Lush
Ji-Hun: Vor anderthalb Jahren traf ich Michelle Zauner von Japanese Breakfast zum Interview, in dem sie mir erklärte, dass sich in letzter Zeit die Label-Landschaft durchaus zum Positiven verändert hätte und nun auch häufiger Indie-Musikerinnen einen Deal bekämen. In der Tat haben sich einige Künstlerinnen in den vergangenen Jahren mit tollen Arbeiten Öffentlichkeit verschaffen können. Neben Japanese Breakfast und Mitski, zählen auch Frankie Cosmos (Wieso sagt mir keiner, dass das die Tochter von Kevin Kline und Phoebe Cates ist?) und Wunderkinder wie Soccer Mommy dazu. Hype hin oder her, eines verbindet all diese Musikerinnen auch nebst vergleichbarer Soundreferenzen. Nämlich, dass sie alle mit einer großartigen Musikalität und viel Talent gesegnet sind. Nun ist auch das Debüt-Album von Snail Mail erschienen. Hinter der Band steckt Lindsey Jordan. Keine 20 Jahre alt und aus Ellicot City in Baltimore. Jordan spielt Gitarre seit sie fünf ist und schreibt heute bereits handwerklich bessere Songs als die meisten Indie-Veteranen. Direkt nach der Highschool unterschrieb Snail Mail bei Matador, was eine gute Ausgangsposition zu sein scheint. Zwar ist „Lush“ poppig, übertritt aber nie die Käseschwelle, die ich bisweilen bei Soccer Mommy zu monieren habe. Lindsey Jordan ist darüber hinaus eine ziemlich versierte Gitarristin. Eine Freude, ihr beim Spielen zuzusehen und man muss sich fragen: Wie gut soll das erst werden, wenn sie älter und eventuell noch besser wird? Die Superlative wie „Entdeckung des Jahres“ ersparen wir uns jetzt mal und überlassen das den Kollegen. Denn auch so ist „Lush“ ein durchdachtes, kluges und frisches Indie-Album, das auch bei der Ausklammerung aller Marketing-Atrribute (jung, talentiert, charismatisch, feministisch) ganz wunderbar funktioniert. Ressentiments lassen sich ohnehin nur durch Qualität schlagen.
Sophia Loizou – Irregular Territories
Thaddeus: Breakbeats sind heuer ja wieder populärer denn je – da muss wohl irgendwo eine Zeitschleife von der Bandmaschine gefallen sein. Das Sich-Abarbeiten an den Rave-Fantasien von früher beim gleichzeitigen Einpassen der Sounds in die aktuelle Sprödheit des Dancefloor-Verständnisses deckt dabei einen ordentlich breiten Bereich ab, den kein Nebelscheinwerfer allein einfangen kann. Vor allem, wenn Sophia Loizou ihre Tracks vor den brummenden Sucher wirft. Ganz hervorragend. Die Referenzen sind eindeutig und zumindest in den Breaks sehr fokussiert. Doch auch in den Klangwelten drumherum greifen zehn Hände gleichzeitig in den Plattenschrank und gehen auf Sample-Suche. Loizou ist an diesem Prinzip schon eine ganze Weile dran – die Produzentin aus Bristol hat sich schon öfter als dekonstruierende Archivarin betätigt. „Irregular Territories“ scheint mir aber der bislang schlüssigste Entwurf dieser Forschung zu sein. Wobei ich nicht einzuschätzen vermag, ob das Stichwort „schlüssig“ bei ihr als Kompliment ankommen würde. Die Perspektive ist aber interessant: Wenn Breakbeats ihrer eigentlichen Rolle als treibende Kraft in Tracks beraubt werden und „nur“ noch als an- und abschwellende Sound-Partikel mit immerhin noch akzentuierender Wirkung agieren, wird einem die Musikgeschichte rückwärts vorgespielt. Dabei entsteht ein durchaus nachhallender Eindruck, dessen Was-wäre-wenn-Fragezeichen noch eine ganze Weile vor dem Nebelscheinwerfer tanzen wird.
Gzuz – Wolke 7
Benedikt:
„Sie fragen: ‚Gzuz, warum bist du nur so?
Warum immer diese Sachen, aber nix mit Niveau?
Warum dies? Warum das? Warum nicht einmal mit Message?’
Und ich denk' mir nur, warum hältst du nicht einfach die Fresse?
Sie fragen: ‚Gzuz, warum bist du nur so?
Warum gibst du dir die Kante, warum bist du auf Koks?
Warum dies? Warum das? Warum für kein’ Interesse?’
Und ich denk' mir nur, warum hältst du nicht einfach die Fresse?“
Muss los, paar Schellen verteilen.