Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
Slum Village – Yes!
Ji-Hun: Ich kenne Leute, die hören sich zwischen Jahren durch alle möglichen Jahrescharts und Toplisten des Jahres. Sich einmal durch den musikjournalistischen Konsens skippen. Zeitaufwendig wie einmal komplett Netflix durchgucken. Da muss ja was gutes dabei sein. Ich gehe die musikalischen Vorsätze nun antizyklisch an. Ich fange das Jahr mit jener Musik an, die ich im vorletzten Jahr verpasst habe und nie geschafft habe zu hören. Vielleicht weiß ich ja 2018, was ich 2016 eigentlich hören wollte. Der Januar beginnt daher bei mir mit dem Album „Yes“ von Slum Village von 2015. Slum Village gründeten sich 1996 in Detroit. Die Gründungsmitglieder: T3, Baatin und J Dilla. Genau, jener Jay Dee, der heute als einer der bedeutsamsten Beats-Producer ever gilt, die Gruppe 2002 verließ und nur vier Jahre danach verstarb. „Yes!“ besteht dennoch zum Großteil aus Dilla-Instrumentals. Features gibt es von De La Soul, Black Milk, Bilal und vielen mehr. Nun hat J Dilla so viel Musik produziert, dass gefühlt all drei Monate ein neues Album mit alten Skizzen, Skits und MPC-Etüden herauskommt. „Yes!“ hingegen ist zweifelsohne eines der besten posthumen Releases der Legende. Eben weil seine alten Bandkollegen und die hochdotierten Gäste die Sounds mit neuem Leben füllen. Wo kann man in Berlin eigentlich Homeboy- und Xlarge-Pullis kaufen?
AtomTM – Son Of A Glitch
Thaddeus: Ich hätte es wissen müssen. Uwe Schmidt ist der erste, der mir ein musikalisches Lächeln anno 2017 beschert. Mit einer Platte, die neun Jahre und elf Monate alt ist und seit kurzem im stetig wachsenden Online-Archiv von Schmidt verfügbar ist. Was für eine Platte, bitch, äh, glitch! Das Atömchen pflegt ja eigentlich auf jeder seiner 4.576 Alben den mentalen Overdrive, hier jedoch trifft jeder digitale Schenkelklopfer ins Schwarze meines verwirrten Kopfes. Diese Debatten, die damals geführt wurden! Der Funk, der HipHop, die Produktion, der James, der Charlie, die Eva! Referenzieller Irrsinn, verpackt in 303-geschwängerte MC-Emphase. Klingt das oll? Im Gegenteil. Frischer denn je. Richtig dicke Meta-Ebenen haben halt die längere Halbwertszeit. Und wenn Schmidt schon gleich zu Beginn des Albums allen Raubkopierern die Digitalpistole mit einem flammenden Appell auf die Festplattenbrust setzt und gleich danach seinen MP3-Protestsong droppt, wir diese Platte heute aber im Streaming auf Spotify hören, schließt sich ein Debattenkreis, den Schmidt immer mitbestimmt hat. Besser wusste er es ohnehin von Anfang an. Gestört hat es ihn nie. Denn: „Yesterday – history / Tomorrow – mystery / Today is a gift, that’s why it’s called present.“ Ich hätte es wissen müssen.
The KLF – Ultra Rare Trax (Bootleg)
Benedikt: KLF? WTF KLF – keine Erinnerung, kein Bild vor Augen. Alle reden drüber, die drei Buchstaben quillen nur so aus dem Newsfeed und ich hab keine Ahnung wer die Jungs mit dem angekündigten Comeback eigentlich sind. Schnell zu Google und die Wikipedia fragen. Schwein gehabt und fast entschuldigt, ’88-’92 waren sie so richtig erfolgreich. Zu Hause lief sowas nicht, obwohl es super gewesen wäre – zum Laufenlernen. Und doch – ich schimpf mich ja Musikjournalist. Ist diese Allgemeinbildungslücke schon Peinlichkeit? Ich lese weiter, Band und Bio im Schnelldurchlauf: The JAMs, House, Ambient, Sampling, ABBA, „The Manual“, The Orb (Kennich!), UK-Rave, Extreme Noise Terror und immer wieder 23, „The Illuminatus!“. Brit-Awards, Maschinenpistolen und ein totes Schaf auf der Aftershow-Party: „I died for you. Bon appetit“. Eine Million Pfund verbrennen, filmen, schweigen – 23 Jahre lang.
Okokok. Verstehe – klingt ziemlich relevant. Ich schaue weiter, aus Wikipedia wird Discogs: Ein Cover mit Schafen – sind keine 23, habe nachgezählt. Viel entscheidender aber, ich kenne es. Eine kurze Suche in der eigenen Mediathek und die MP3s finden sich in den Untiefen des Ambient-Ordners. Den eintätigen Grundkurs „Ambient (Geschichte und Entwicklung)“ habe ich seit einer Weile hinter mir, daran muss es liegen. Das zusammengesampelte Werk mit der Pedal-Steel-Guitar ist jedenfalls bekannt. Inzwischen läuft „The White Room“ auf Youtube und ich kann zumindest behaupten, „What Time Is Love?“ und „Last Train To Trancentral“ schon mal gehört zu haben. Ist das nicht schon fast Eurodance? Ich dachte immer, sowas wird in meiner Zunft relativ einstimmig verabscheut. Egal. Oh, eine Bootleg-Platte, „Ultra Rare Trax“. Klingt interessant. Klingt gut. Nee. Klingt: Fucking Insane. Alles klar, The KLF kann (wieder)kommen. Ich wäre dann soweit.
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