Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
Slowdive – Slowdive
Thaddeus: Eigentlich können wir von Glück sagen, dass das neue Slowdive-Album nichts geworden ist. Das erste Album seit 22 Jahren und fast genauso langer Funkstille. Dass die LP nicht so klingen würde, gar nicht so klingen könnte, wie die früheren Alben der Band, war klar. Den einen Slowdive-Sound gibt es nicht. Tatsächlich könnten die drei Alben – „Just For A Day“ (1991), „Souvlaki“ (1993) und „Pygmalion“ (1995) – nicht unterschiedlicher sein. Das Debüt manifestierte den breitwandigen Klang, mit dem die Gruppe auf ihren ersten EPs eindrücklich ihre Position im Shoegazing bewiesen hatte. Für viele der Klassiker von Neil Halstead und Co, anderen wiederum einfach zu verwaschen und zu laut. Bei „Souvlaki“ tappte die Band in die Brian-Eno-Falle, dessen Produzenten-Handschrift stärker als alles andere war. Und „Pygmalion“ schließlich dokumentierte den Zerbröselungs-Prozess der Band, der bereits in vollem Gange zu sein schien. Die vielleicht wichtigste Platte, bei der jedoch nicht alle Enden zusammenpassten. Slowdive machte immer das, was Halstead sagte. Und wenn man eben eine neue Band gründen musste, dann wurde das eben gemacht. Das erste Album von „Mojave 3“ ist die eigentlich wichtigste Slowdive-Platte, hat aber auch nicht lange gehalten. 2017 wirken Halstead, Goswell, Scott, und Co. blass. Die Songs sind gar nicht mal übel, das kann Halstead ja, die Produktion jedoch scheint hektisch und unüberlegt durchgeführt, irgendwie blutleer und unentschlossen, in welche Richtung es denn nun gehen soll. Alte Tricks, die immer gleichen Harmonien und Variationen, irgendwie und mit Ach und Krach auf Album-Länge gebracht. Waren wohl zu ausgiebig auf Tour. Ich werde aber das Gefühl nicht los, dass die Band an der Dominanz vom Songwriter Halstead scheitert, der auch die Produktion verantwortet. Wenn Slowdive eines in der Vergangenheit war, dann gewöhnlich. Jede Platte der Band hatte eine ganz eigene Strahlkraft, vollkommen, egal, ob man die nun mochte oder nicht. Hier, auf dem neuen Album, scheint die Sonne über weite Strecken schon hinter dem Horizont verschwunden.
Tied & Tickled Trio – Observing Systems
Ji-Hun: Es gibt Bands, bei denen findet man es besonders bedauerlich, dass sie so lange keine Musik mehr veröffentlicht haben. Das Tied & Tickled Trio, das gar keins ist, steht da recht oben auf meiner Liste. Die letzte LP „Aelita“ ist von 2007. 2011 gab es noch eine Kollaboration mit Billy Hart – das zählt aber irgendwie nicht. Am tiefsten in meiner musikalischen Erinnerung verankert ist das Album „EA1 EA2“ von 1999. Immer noch eines meiner Lieblingsalben. Im Zentrum der Außenwahrnehmung dieses ganz einzigartigen Jazz-Mikrokosmos stehen ohne Zweifel die Gebrüder Micha und Markus Acher (The Notwist). Aber das Tied & Tickled Trio funktioniert vor allem als Ensemble. 13 Musiker sind an dem Album „Observing Systems“ von 2003 beteiligt. Mit dabei auch Roberto di Goia (Klaus Doldinger’s Passport, Till Brönner) an Klavier und Orgel. „Observing Systems“ ist das vielleicht kompakteste und dichteste Album des Ensembles. Hochkarätige Musiker, die in dieser luziden, krispen Produktion von Mario Thaler nichts anderes sind, als die beste Jazzband Deutschlands, wenn nicht Europas.
##Nuage – WILD
Benedikt: Im Moment herrscht in der Redaktion eine leichte Frustration in Sachen Techno. Gemeinhin dominiert die Langeweile, immer seltener fängt einen die Maschinenmusik so richtig ein. Ist die Geschichte etwa auserzählt? Ich hoffe nicht. Kann diese Platte der Befürchtung Gegenmittel sein? Nein, kein bisschen. Laut Beipackzettel beinhaltet „WILD“ einen „entire change of season from summer to winter“ und ist beeinflusst von „sun, sea and tropics.“ Es geht also, ganz nüchtern gesagt, um Wetterwechsel und Urlaub? Fast habe ich Angst, dass mir beim Gähnen die Mundwinkel einreißen, ernsthaft. Doch dann entpuppt sich der widerwillige Klick auf Play doch noch als gute Idee. Bleiben wir mal im Bild: Wenn „WILD” die Postkarte aus dem Urlaub ist, zeigt sie den klassisch kitschigen Sonnenuntergang über dem Meer. Schon hundert mal gesehen, kann er ab und an noch immer begeistern. Wolken liegen wie Schlieren über dem Horizont, überziehen die leuchtenden Farben mit leichter Blässe. Ok, lassen wir das, es gähnt schon wieder. „WILD“ ist einfach eine schöne, gediegene House-Platte. Tut nicht weh, läuft rund, läuft durch. Und ist irgendwann wieder vergessen. Wie das eben so ist – mit Postkarten.