Wochenend-WalkmanDiesmal mit SDP, Amrint Keen und La Dispute

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Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit SDP, Amrint Keen und La Dispute.

SDP Walkman

SDP – Die unendlichste Geschichte

Benedikt: Nachdem SDP letzte Woche mit „Die unendlichste Geschichte“ auf Platz eins der dt. Charts einstiegen und damit am Rande des musikalischen Horizonts aufblitzten, dachte ich mir: Mensch, da war doch mal was. SDP, diese humoristische Rock-Pop-Hip-Hop-Gemengelage, schon immer Klamauk, aber hier und da doch originell. Kurzerhand wurde sie in den Status der offline-verfügbaren Playlists gehoben – fürs Bahnfahren – und dann leider auch angehört. Und zum ersten Mal in diesem musikalischen Jahr war der erste schlechte Gedanke so nachhaltig, dass er hier auch im Wortlaut hingeschrieben gehört: Was für eine Grütze ist das denn bitte? Platt, platter, SDP. Wo ist der einst in skurrilen Kurzgeschichten verpackte Witz von „Dirty Vincent“ und „Lucky Dag“ geblieben? Der Biss? Irre ich mich und der ist überhaupt niemals dagewesen? Ich schaue nach. Da war tatsächlich mal was: „Hip Hop ist scheiße“ hieß es auf „Räuberpistolen“ im Jahre 2004, es wurde Mittelfinger gezeigt und „Antifriedensmusik“ („Nur Musik ist schöner“, 2006) gespielt. Auch der Dialog unter Insekten nach plötzlicher Verwandlung in ebenjene „Ich bin ein(e) Biene, Grashüpfer“ war schlichtweg toll. Das war schon Klamauk. Zweifellos. Konnte man auch damals schon scheiße finden. Was abgewinnen konnte man dem aber ebenso. Zurück in die traurige Gegenwart des Duos: Da gibt es einen Song mit Bela B., der sich darüber lustig machen möchte, wie gleich und inhaltsleer doch heute alle Songs klingen. Das geht dann so: „Hehehe, yeah! Total unerwartet ändert sich der Beat / Zweite Strophe und die Stimme ist tief / Irgendwas Schlaues sagen – ach, lass ma'! / Sinn muss das nicht haben – Alaska.“ Wäre das hier eine Büttenrede des gerade vergangenen Karnevals, selbst die Kapelle würd' den Tusch verweigern. Ich könnt hier jetzt weitermachen, aber dafür müsste ich unter Umständen nochmal reinhören. Darauf habe ich kein Lust. Auf der Liste der substanzlosesten, einfallslosesten und enttäuschendsten Releases des Jahres nimmt SDP vorerst die Pole Position ein. Diese Eins werden sie sicher länger halten als die entsprechende Chart-Position, von der sie sich gestern wieder verabschieden durften.

Amrint Keen Artwort

Amrint Keen – Transient Loss Of Response

Thaddeus: Mir ist diese Woche nicht nach nachdenken. Nicht nach kontextualisieren, referenzieren und analysieren. Aus diesem Grund schmeiße ich die vier neuen Tracks von Amrint Keen aka Lake People aka Martin Enke in den Walkman-Ring. Die sind so klar wie der Gebirgsbach, der am des noch zu bauenden Museums der elektronischen Tanzmusik vorbeifließt. Mit einem ebenso klaren Blick bis auf den Grund, auf das kieselsteinige Bett des Flüsschens liegen die Fakten einfach schneller und unvermittelter auf dem Tisch. Keine Experimente, keine Moderne, keine Konzepte. Einfach rollen lassen, bzw.: einfach fließen lassen. Martin Enke war in diesem Metier schon immer ein absoluter Meister, wobei dieses Meisterhafte natürlich Kontext, Referenz und Analyse dringlich voraussetzt – ein Verständnis dessen, was er musikalisch am Leben erhalten will. Blende ich heute aus. Ziehe mir die Schuhe aus, kremple die Hosenbeine hoch und wate kneippend durch die Breaks, die Chords, die HiHats und Claps. Das Leben kann so wunderbar erfüllend sein, wenn es einfach und nachvollziehbar ist.

la dispute panorama

La Dispute – Panorama

Susann: Es gibt wenige Bands wie La Dispute, die das Post-Hardcore-Genre noch so ausdauernd und virtuos bespielen. Nach wie vor ist die mitunter eigenwillige Band eher etwas für Fans und Liebhaber/innen – und die dürfen sich mehr denn je über „Panorama“ nach fünf Jahren Warten freuen. Es ist ihr erster Release bei Epitaph und größere Labels bedeuten bei vielen Bands doch eher eine neue künstlerische Ausrichtung, doch erfreulicherweise hört es sich nach einer angemessenen Fortführung ihrer Vorgänger-Alben an. Ihre erste Platte „Somewhere At the Bottom of the River Between Vega and Altair“ (2008) war eines der wegweisenden Alben im Genre. All die anderen Nuller-Jahre Post-Hardcore-Bands sind bis auf wenige Ausnahmen eher in der Versenkung verschwunden und ich dachte, dass sich vielleicht solche Screamo-Elemente und der besondere Sprech-Gesang von Jordan Dreyer eher überlebt hätten, aber glücklicherweise wird man doch noch eines Besseren belehrt. In den ersten Veröffentlichungen wie „RHODONITE AND GRIEF“ zeigt die Band, dass sie sich wieder mit den existenziellen Themen des Lebens beschäftigt: Trauer, Verlust, Liebe. „I drove around for hours / For gifts to help you heal /The memories of parted ones / The seasons of our grief“ singt Dreyer in eben jenem Song. Die Texte sprechen unprätentiös und authentisch von Schmerz, selbst wenn es auch so Zeilen wie „I think we bleed because we need to bleed“ in „FOOTSTEPS AT THE POND“ gibt. Die Mischung aus leisen und verletzlichen – und lauten und wütenden – Tönen zieht sich wie auf den Vorgängern durch und macht Lust, sich La Dispute live anzuschauen. Bisher ist nur eine Tour in Amerika geplant, aber mit Sicherheit dürfen sich Fans aus Europa auch bald auf die ausgesprochen gute Live-Band freuen.

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