Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen.
Philippe Halais – An American Hero
Thaddeus: Mir wird ja immer wieder unterstellt, ich sei so auf Wohlklang fokussiert, wenn es um Musik geht. Da ist etwas dran, Krach und sonische Zickerei macht mir oft zu schaffen. Aber: Es kommt eben auf die richtige Mischung an und genau die trifft Philippe Halais auf seinem Album für „Modern Love“ aus Manchester perfekt. Monsieur Halais kennt man vielleicht als Low Jack mit Produktionen für L.I.E.S., Delsin oder In Paradisum. Seine andere Pseudonyme – Tarek oder B-Ball Joints sagten mir zumindest nichts. Es ist lange her, dass ich eine Platte gehört habe, die so schwer zu fassen ist. Kurz gesagt schmeißt uns Halais in ein matschiges und überaus feuchtes Aquarium aus porösem und bröckeligem Sound Design, in das er wiederum so ziemlich reingeschmissen hat, was gerade so rumlag. Dabei ist etwas Großes entstanden. Das ist kein Ambient, kein Noise, kein Pop, kein Outsider-Irgendwas und auch nichts, woran man den Larifari-Sticker „Experimental“ draufkleben kann und darf. Es ist vielmehr eine Mischung dieser Stichworte, kongenial zusammengefügt und dann in den größten Federhall der Welt geschoben. Ein so großer Federhall, dass hinten links Kevin Shields sein Wohnzimmer eingerichtet hat, mit den Saiten seiner Lieblingsgitarre an den Laptop gebunden. Allein das ist ja schon ein Bild zum Niederknien. Genau wie diese Platte, die einen mitunter so dermaßen stresst, dass man ganz automatisch noch lauter macht. Bitte mehr davon und bald.
##Graph Rabbit – Snowblind
Matthias: Bei dem schon 2012 veröffentlichten Album ziehe ich auch im Sommer freiwillig meine Winterklamotten an. Erzählt wird die Geschichte von einem Mann, der im Halbschlaf durch eine Winterlandschaft taumelt. Wenn ihm nicht die Augen zufallen, genießt er die stillen Schneeflocken, beobachtet die Vögel auf den Feldern, bis er wieder einzunicken droht. Er spricht mit sich selbst, hat einen Albtraum. Klingt erstmal recht depressiv, aber rein musikalisch eignen sich die acht vernebelten Stücke auf „Snowblind“ perfekt zum chillen und wegdriften. Und das im Hochsommer: „Für mich ist es ein unglaublich persönliches Album, aber jeder sollte sich seine eigene Geschichte zu ‚Snowblind‘ ausmalen“, sagt Sänger und Gitarrist Austin Donohue, der sich sonst eher von weniger kuscheligen Künstlern wie Squarepusher und Aphex Twin inspirieren lässt. Seine klirrend zerbrechlichen Vocals samt Akustikgitarre werden von Kollege Shy Kedmi durch ein analoges Pocket Piano und diverse Glockenspiele abgerundet. Zutaten für einen sehr gelungene akustisch-elektronische Klangwelt! Leider war das bisher das einzige Album von Graph Rabbit, dass sie auf ihrem Label „Butterscotch Records“ veröffentlicht haben. Seitdem sind die New Yorker in der Versenkung verschwunden. Auch eine damals angekündigte Europatour fand nie statt. Die Angst vor dem verflixten zweiten Album?
Bushido – Black Friday
Benedikt: Am Wochenende ist das Album dran, das Freitag auf die Eins der deutschen Charts geht, dachte ich mir die Tage. Es gab in meinen Augen nur zwei Optionen: SpongeBozz oder Bushido. Zwei Mal Deutschrap also, der an dieser Stelle schon seit den Beginnern im September letzten Jahres, zugegeben wenig schmerzlich, vernachlässigt wurde. Technik hin, Masche her, ich bin froh, dass es dem Schwammkopf (mittlerweile vom Kostüm befreit) nicht zur Thronbesteigung gereicht hat und stattdessen dort der Mann in Cordon Sport & Reeboks sitzt. Classic sind nicht nur die Schuhe geblieben, als Rapper macht Bushido wenig anders und nichts neu. Das war abseh- und erwartbar. Erwartungen erfüllt also. Auf gewohnt brachialen Beats geht’s um Geld, Dealen, deine Mutter und die eigene Selbstüberhöhung während andere Rapper, vegane Neukölln-WGs und die üblichen Feindbilder zwischen Springer und Politik standesgemäß gehasst werden – je expliziter desto besser. Über die Strecke des Albums gelingt das nicht ganz so gut, wie auf Bus bester Pöbelplatte „Sonny Black“ von 2014. Aber die steht ja nach wie vor auf dem Index, ein bisschen Entschärfung könnte also durchaus den Verkaufspotenzialen geschuldet sein. Auch die persönliche Seite von Anis Ferchichi blitzt seit langem mal wieder auf, Tracks wie „Papa“ und „Oma Lise“ durchbrechen die Gangster-Orgie. Die größten Neuheiten präsentiert der Chef von ersguterjunge auf der formalen Seite: Fler kehrt als Frank White zurück an die Seite Bushido, Deutschlands meistgehasster Rucksackrapper Laas Unltd. und M.O.030 werden als Signings vorgestellt. Laas und Bushido? Vor nicht allzu langer Zeit hätten beide selbst wohl nur über diese Vorstellung lachen können. Aber Kollegah ist ja mittlerweile gemeinsames Feindbild – das eint. Auch Shindy ist wieder mit an Bord, der Track „Moonwalk“ hört sich allerdings an, als hätte jemand den Pitchregeler unerträglich weit nach unten gedreht. Ansonsten bleibt Programm was immer war: „Fick das Grundgesetz, ich brauch' kein'n Grund, du Kek / Sonny Black ist back und es wird wieder ungerecht - Fallout!“ Word.