Wochenend-WalkmanDiesmal mit Perel, Mr. Fingers und Lena Willikens

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Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit Perel, Mr. Fingers und Lena Willikens.

Perel Hermetica Walkman 20180421

Perel – Hermetica

Benedikt: Annegret Fiedler, wohnhaft in Berlin, produziert als Perel seit 2012 und veröffentlicht mit „Hermetica“ nun ihr Debüt auf DFA. Soweit der Streckbrief, ich hatte die Musikerin bislang noch gar nicht auf dem Schirm, obwohl einzelne Tracks („Die Dimension“) wohl schon die ganz großen Tanzflächen des letztjährigen Herbstes im Italo-Rausch schweben ließen. Ich bin trotzdem sehr glücklich, dass dieser Track auf der Platte nun ganz am Ende platziert wurde und auch gar nicht als Exempel des Albumsounds taugt. Ok, wenn es noch ein bisschen ehrlicher sein darf: Der Song ist furchtbar. Doch lässt man den mal außen vor, strahlt „Hermetica“ einen so spielerischen und gleichsam verspielten Umgang mit zeitgenössischer Tanzmusik aus, dass es eine echte Freude ist. All die Elemente, denen man derzeit die Schuld geben mag, für das unaufhörliche Gähnen unter der Funktion-One – die gibt’s auch hier. Nur das Gähnen bleibt aus. Was wohl auch daran liegen dürfte, dass sich „Hermetica“ zwar zweifellos im Hier und Jetzt verorten lässt, Perel aber auch unverkennbar auf Spuren der 80er-Jahre, mit cheesy bis kitschigen Melodien einerseits, industriellen Klängen und an DAF erinnernde Vocals andererseits, die die Tracks immer genau dann wieder aufreißen, wenn sie auf der Glätte moderner Produktion auszurutschen drohen. Um es mit einem von Ji-Huns Lieblingssätzen zu sagen: Doch doch, die Platte lässt sich ganz gut an.

Mr. Fingers Cerebral Hemispheres Artwork

Mr. Fingers – Cerebral Hemispheres

Thaddeus: Vor rund zwei Jahren versuchte ich an dieser Stelle der damals gerade neuen EP von Mr. Fingers textlich Herr zu werden und das Dickicht seines Sound Designs irgendwie zu durchdringen. Ich weiß bis heute nicht, ob mir das gelungen ist. Heuer ist die Herkules-Aufgabe fast noch unmöglicher. Denn nach 25 Jahren hat sich Larry Heard dazu entschieden, mal wieder ein Album zu veröffentlichen – 18 Tracks, verteilt auf drei LPs. Das wäre nicht nötig gewesen, aber Heard wäre nicht Fingers, wenn er das nicht genau so gemacht hätte – antizyklisch und episch. Und auch wenn ich nicht weiß, wie oft er im Studio ist und am Keyboard sitzt: genügend Tracks werden sich schon angesammelt haben. Für mich schließt sich mit dieser Platte ein persönlicher Kreis. Denn ich war noch nie ein ausgewiesener Heard-Fan. Sein Dancefloor war nicht meiner. Bei „Cerebral Hemispheres“ verhält es sich genau umgekehrt. Immer dann, wenn er nah oder näher dran ist an dem, was mal mein Dancefloor war, verliere ich das Interesse. Und genau die Tracks, die ich früher nicht mochte in ihrer wogenden Emotionalität und diesem klammernden Zusammenbringen von Dingen, die für mich nicht zusammengehen konnten, schwebe ich heute durchs Fenster. Selbst bei den gegniedelten Gitarren. Es ist kein Album aus einem Guss. Genau wie Heard selbst nur die Summe seiner unberechenbaren Teile ist. Man kann das cheesy finden. Oder sich mit offenem Mund darüber wundern, wie es dazu kommen konnte. Beides geht auch.

Lena Willikens Selectors 005 Cover WW21042018

Lena Willikens – Selectors 005

Ji-Hun: Die Selectors-Reihe des holländischen Labels Dekmantel geht nun in die fünfte Runde. Nach Motor City Drum Ensemble, Young Marco, Marcel Dettmann und Joy Orbision darf endlich eine Frau in die Untiefen der Vinly-Diggerei tauchen und ambitionierte Techno-Hörer mit unentdeckten Hits und Klassikern beschenken. Die Kölnerin Lena Willikens ist neben Toulouse Low Trax und Vladimir Ivkovic festes Inventar des Salon des Amateurs in Düsseldorf und wahrscheinlich zählt sie derzeit zu den international gefragtesten DJs überhaupt. Völlig zurecht. Es gibt zudem wenige, die beim Auflegen so cool rauchen. Das hat schon Stil. In der Compilation finden sich Tracks von JASSS, Parrish Smith, Borusiade, Vromb, Le Matin und vielen mehr. Moderate Tempi, rheinländisch-krautrockige Synthie-Linien, unterschwellige Laszivität, Acid, Wave, eine ganz eigene konsistente Stimmung gibt es hier. Ein fantastischer DJ-Mix ohne Mix. Ziemlich gut.

Filter Tapes 030„Out Of Context“ von Christian Kleine

Leseliste 22. April 2018 – andere Medien, andere ThemenHalluzination Hauptstadt, Filmsprache im Alltag, Faschismus in Brasilien und Raubkopien im Messenger