Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Octa Octa, Wilco und Rising Sun.
Octo Octa – Resonant Body
Benedikt Bentler: Ich wollte den Diskurs an diesem Wochenende eigentlich mal außen vor lassen. Eine Platte finden, hören, die ganz dem Dancefloor genügt, zu der ich mich aber ganz in den Sessel versinken lassen kann. Denn die letzten zwei Wochen waren bei mir persönlich recht Diskurs-überladen, speziell vom innen- wie außenpolitischen. Beim wöchentlichen Release-Check ist mir dann aufgefallen, dass ich dem Anfang September erschienen Album „Resonant Body“ von Maya Bouldry-Morrison noch keine auditive Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Erschienen ist es auf dem in diesem Jahr von ihr selbst und Eris Drew gegründeten Label T4T LUV NRG, hervorgegangen aus der gleichnamigen Partyreihe der beiden. „Resonant Body“ kann den eingangs erwähnten Wunsch nach diskursfreier Zurücklehnung auf der Tonspur ganz wunderbar erfüllen. Auf acht Tracks wird hier ausgiebig dem Rave gehuldigt, der Bewegung schwitzender Körper und dem besondere Gefühl einer extrovertierte Intimität, das im Rahmen des extatischen Safe Spaces entstehen kann. Und damit klopft auch schon der Diskurs an der Gehirnrinde. Denn dieses Gefühl ist für Bouldry-Morrison, die als Transperson die Queerness zum expliziten, thematischen Kontext ihrer Musik macht, mehr als bloß das Ergebnis einer mal so richtig gut funktionierenden Party. Es ist ein ernsthaftes, ein wichtiges Anliegen mit dem Octo Octa auch die DJ-Booth betritt. Das dritte Album von Bouldy-Morrison arbeitet nach dem tanzbaren, aber doch eher introvertierten „Where Are We Going?“ von 2017 abseits des DJ-Mixers an der Erfüllung jenes Anliegens. Mit der Würdigung des 90er-Raves auf de Synths und Breakbeat-Patters, ohne dabei eine längst vergangene Ästhetik zu reproduzieren, klappt das erstaunlich gut. So. Nun ist doch noch Zeit sich in geistigem Dance-Floor-Eskapismus zurückzulehnen.
Wilco – Ode to Joy
Ji-Hun: Nachdem ich die letzten beiden Alben von Wilco zwar toll, aber gar nicht so tief bewegend fand, erwischt mich „Ode to Joy“ irgendwie an der richtigen Stelle. Das in etwa 15. Album der Band aus Chicago zeigt, wieso Jeff Tweedy weiterhin zu den großen Songwritern gehört und wieso Wilco den Titel der kleinsten größten und besten Band der Welt weiterhin zu Recht tragen darf. Wilco treten moderat an. Die Songs alle pointiert arrangiert, die verhaltenen rollenden Drums, das sich dem breiten Rock Verweigernde. Das hat alles seine Wirkung und hat fast schon was von Unfehlbarkeit. Wenn nur alles in der Welt so konstant und gut wie der Ouput der Band wäre. Man müsste sich weniger Sorgen machen.
Rising Sun – Ephemeral Essays
Thaddeus: Ich breche hier mit einer Filter-Tradition. Eigentlich ist der Sinn und Zweck des Wochenend-Walkman ja, dass wir Musik vorstellen, die man dann gleich auch im Digitalen hören kann: So funktioniert das Internet nun mal. Bei der aktuellen EP von Rising Sun ist das nicht so. Vinyl only. Nicht mal Snippets auf Soundcloud lassen sich finden, einzig und allein ein Track auf YouTube. Das ist dann aber immerhin auch der meiner Meinung nach schönste. Die Musik von Steffen Laschinski begleitet mich schon ewig – viel länger als die fünfeinhalb Jahre, die es Das Filter mittlerweile gibt. Steffen hat mir mit seiner Musik immer aus dem Herzen gesprochen, mich vor der einen oder anderen Dummheit bewahrt bzw. mich aus den Folgen einer solchen Dummheit mit seinen Chords und Beats wieder herausgeholt. Danke dafür. Wenn ich mich gerade wieder in einer solchen Situation befinden würde, was ich nicht tue, würde ich „The Beatless Track (A Song For Ann)“ auf mein iPhone laden und in Endlosschleife hören, während ich den Blättern beim Welken und Fallen zuschaue. Das mache ich natürlich so oder so, denn das Label hat mich dankenswerter Weise mit MP3s versorgt. Die müssen nun aber offenbar in den Safe, denn für diese Tracks scheint die digitale Welt nicht die richtige zu sein. Um „Ephemeral Essays“ rankt sich eine etwas mysteriöse Geschichte. Wer Rising Sun auf Facebook folgt, kann das nachlesen. Nachfragen werde ich hingegen nicht, das geht mich alles nichts an. Ich bin schlicht und einfach froh, dass er diesen Beatless Track für Ann geschrieben hat und ich ihn jetzt hören darf. Das Gleiche gilt natürlich auch für die restlichen drei Stücke, in denen einen die Emotionen und die Deepness erst umwerfen und dann umarmen. Rising Sun ist einer der wenigen Producer, mit deren Musik es mir leicht fällt, zuzugeben: Ja, ich bin Techno-Rentner. Nostalgiker. Traditionalist. Beharrlich Glaubender an das Gute in der Musik. Und daran, dass bestimmte Dinge nicht kaputt gehen dürfen, ganz egal was der Dancefloor gerade fordert oder vorgibt. Gefühle sterben nie.