Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Nozomu Matsumoto, Cucina Povera & Josey Rebelle.
Nozomu Matsumoto – Sustainable Hours
Thaddeus: Irgendwas mit Technik, irgendwas mit Algorithmen: 2016 stellte Nile Koetting in Tokio eine Installation hin, in der ein Luftbefeuchter, ein Aromadiffusor, ein 5.1-System und ein Roboter über ein LAN verbunden waren und was miteinander machten. Und Nozomu Matsumoto wurde mit der Musik beauftragt. Mehr als sechs Stunden Material entstanden damals, die jetzt erstmals als verdaubare Edits erscheinen – und einfach wunderschön sind. Ich habe lange kein Ambient mehr gehört, der so wattiert und gleichzeitig im besten Sinne dermaßen klischeehaft futuristisch klingt, dass man sich sofort wünscht, von der ISS auf die Welt herunterzuschauen. Matsumoto gelingt es, sofort Vertrauen aufzubauen. Diese Welt, was immer sie auch bedeuten mag, kann nichts Böses wollen. Da können die Roboterstimmen noch so viele random Slogans von sich geben, die jegliches Wohlfühlklima immer wieder zunichte machen müssten. Tun sie nicht. Wer Nile Koetting nicht kennt und die Installation zufällig nicht in Tokio gesehen hat (hi, alle!), kann „Sustainable Hours“ auch als überfälligen Soundtrack zu „Planet Magnon“ von Leif Randt hören. Ein wirklich großes Werk.Ich möchte alle Sounds einzeln haben, vor allem die Glöckchen-Melodien, auf mein iPhone laden, alle Benachrichtigungen aktivieren und ihnen einen dieser Sounds zuweisen. Und damit durch den leeren Flughafen laufen.
Cucina Povera – Tyyni
Ji-Hun: Die in Finnland aufgewachsene und heute in Glasgow lebende Künstlerin Maria Rossi hat ihr drittes Album aufgenommen. „Tyyni“ ist ein intimes elektronisches Album, das glitcht, abstrahiert, sich nicht um zuckersüße Kompromisse bemüht und irgendwie daraus eine besondere Tiefe erlangt. Songwriter-Elektronik, die wunderbar umgesetzt wurde und Mut macht, dass es mit der (elektronischen) Musik nicht völlig vorüber ist.
Josey Rebelle – Josey in Space
Benedikt: Lang ist's sehr, dass der Name Josey Rebelle bei Das Filter fiel. 2014 hatten wir ihren Fact-Mix als Mix der Woche. Auf sie gestoßen war ich damals über ihre Sendung bei Rinse.fm. Über eine halbe Dekade später ist sie immer noch Host ihrer Radioshow, die 2011 erstmals auf Sendung ging, und mixt sich im Wochentakt über die Technotellerränder der Welt hinaus. Das ist schon ziemlich beeindruckend. Nachdem sie wahrscheinlich alle prominenten Podcast-Mix-Serien von Fact über RA bis BBC Essential (ausgezeichnet als Mix of the Year) zu genüge beglückt hat, war das eigene offizielle Mix-Release schon lange überfällig. Natürlich ist dieser Mix von den ebenso plötzlichen wie stilsicheren Richtungswechseln, die so typisch für Rebelles DJing sind. Die Tatsache, dass hier vor allem schwarze Künstler, jung bis alt, von diesseits wie jenseits des Atlantiks vertreten sind, ist explizit politisch zu verstehen. Daran lassen die Worte des Dichters Tenesha the Wordsmith und Daniel B. Summerhill auf „I Dream So Loud“ keinen Zweifel. Sie hallen nach, während sich Rebelle im Anschluss ganz dem Groove und ihren eigenwilligen Twists hingibt, sie House & Hardcore, Jazz & Grime-Assoziationen aneinanderkettet als wäre doch eh schon immer klar, dass all das zusammengedacht gehört. Mega. Das ist übrigens die zweite Veröffentlichung der Mix-Reihe „Beats in Space“. Den Anfang machte im letzten Jahr Powder.