Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
Neozaïre – Apothecary Dream
Thaddeus: Sowas ähnliches wie Sommer. Zeit für große Momente, Drama – Pathos! – in den immer greller werdenden Sonnenuntergängen des Ungewissen. Wer weiß schon, wie es weitergeht. Mit uns und der Welt. Wer weiß schon, wer oder was sich hinter Neozaïre verbirgt, das Menschlein hat bislang musikalisch kaum gezuckt, Soundcloud meldet Köln als Heimathafen, weitere Projektnamen deuten auf House. Hier jedoch: Ambient. Die vollmundige Art. Mit Chören, geflüsterten Vocals und getakteten Echoschleifen. Wunderschön. So wie die meisten Klischees dann eben doch einfach sind. Dieses Vollmundige macht dann auch den größten Unterschied zur letztwöchigen Exkursion in die beatlose Welt aus. Neozaïre ist trotz aller Luzidität griffig und nachvollziehbar gerastert, strukturiert ein Pop-Einmaleins mit Indie-Prägung in der blauen Stunde neu, spielt mit exakten Repetitionen und den Schlieren der sanften Blenden. Keine offensichtlichen Assoziationen mit der Welt der Apotheke und dem, was die Pülverchen-Verrührer vielleicht träumen. Das würde zu weit führen, dieses Klischee, lieber an die musikalischen glauben, an ihnen festhalten und sich in Zeitlupe dorthin treiben lassen, wohin es einen eben treibt. Gab es schon mal auf Tape, dieses Album. Jetzt auch auf Schallplatte. Mit einem Remix von Synkro.
Crescent – Resin Pockets
Ji-Hun: Crescent nennt sich dieses Projekt des Musikers Matt Jones aus Bristol. Vor zehn Jahren gab es das letzte Album von dem Singer-Songwriter und mit „Resin Pockets“, das gerade auf Geographic Music erschienen ist, beweist er, dass das Warten vollkommen okay gewesen ist. Besser, „Resin Pockets“ ist ein wunderbares LoFi-Folk-Album geworden, das wirkt, als würde man hier Matt Jones ganz nah auf die Pelle rücken, quasi im gleichen Schlafzimmer mit ihm fläzen. Er zog mit seinem Aufnahmegerät an unterschiedlichste Orte, in die Natur, auf die Straße, um dort seine Songs aufzunehmen. Klingt nach Konzept, schmückt die neuen Songs aber mit ganz eigenen Stimmungen und Atmosphären. Ein bisschen Elliott Smith, The Microphones, Neutral Milk Hotel. Ein Album wie ein schöner impressionistischer Road Movie.
##Awanto 3 – Gargamel
Benedikt: Kaum erklingt die erste Fläche, fühlt man sich schon in den Arm genommen. Awanto 3 legte Kollege Herrmann mir vor einigen Jahren ans Herz. Die Musik des Niederländers habe ich gleich darin eingeschlossen. So verdammt silsicher bewegt er sich durch die Untiefen von House. Wobei: Auf Gargamel wird deutlich tiefer getaucht, als noch auf der letzten, starken Platte mit dem noch besseren Titel „Opel Mantra“. Verspielt bleibt es trotzdem, was wohl nach wie vor der MPC als liebstem Instrument geschuldet sein dürfte. Auch abseits der MPC-Feuerwerke wie in „Hooli Goose“ werden Claps, Rims, Toms, Snares und andere Trommeln zu solch lebendigem Rhythmus zusammengefügt, dass die üblichen sechs bis acht Minuten der Tracks in gefühlter Halbzeit vergehen. Auch blubbernde Synthies dienen gleichermaßen dem Rhythmus wie der Andeutung von Melodie. Zwar kann man „Gargamel“ relativ eindeutig als House-Platte deklarieren, die mitunter beherzt zum Acid greift, aber Techno kommt ebenso wenig zu kurz, wie verschrobene Vocals und Samples, mit denen Steven Van Hulle seiner musikalischen Heimat in Broken Beats und HipHop ihren Tribut zollt. Der Langatmigkeit dieser Platte ist man ob ihrer Abwechslung geradezu dankbar. Repeat All. Danke.