Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit Move D, Aïsha Devi und Jefre Cantu-Ledesma.
Move D – Building Bridges
Ji-Hun: David Moufang aka Move D aus Heidelberg ist so etwas wie der gute Geist, die stete Konstante von House. Seit gefühlt Anfang an dabei, ist er noch immer ein großartiger und gefragter DJ und ist während der letzten 20 Jahre nie in die Primetime-Nische wie Dixon oder Âme gedrängt – hätte man ja fairerweise auch machen können. Wer den leicht verkifften Apfelgarten-Monolog von Move D in Karmakars „Denk ich an Deutschland in der Nacht“ erinnert, kann sich vorstellen, was die Koordinaten von Moufang sind. Jetzt erscheint sein erstes Album seit vielen vielen Jahren. „Building Bridges“ kommt auf Will Sauls Aus Music und nicht auf Smallville, Workshop oder Mule Musiq, wie man hätte erwarten können. Es ist eine Bestandsaufnahme von Tracks der letzten 20 Jahre geworden, ist zugleich aber auch ein persönliches musikalisches Portrait und zeigt Facetten, die im alltäglichen Discoabriss auf Festivals vielleicht auch mal untergehen. Auf dem Album finden sich viele langjährige Gefährten. Juju und Jordash, mit denen Move D das Live-Synthesizer-Projekt Magic Mountain High betreibt, D-Man, Thomas Fehlmann, Benjamin Brunn, Fred P und es gibt einen Track von Reagenz, dem Projekt von Moufang und Jonah Sharp. Das alles funktioniert auf Albumlänge hervorragend. Auch die gemixte Fassung ist hörenswert. weil dramaturgisch gut gemacht. Nach dem Album von Lowtec eines der House-Alben des Jahres, und von denen gibt es ohnehin nicht viele.
Aïsha Devi – S.L.F.
Benedikt: Trotz ihrer Scharfkantigkeit entzieht sich die Musik von Aïsha Devi einem klar zu definierenden Wesenskern. Aber genau darin liegt seit jeher die besondere Fähigkeit der in Genf lebenden Produzentin. Mit ihrem digital-choralen Klang vermitteln die Snyths eine Art New-Age-Spiriutalität, hochgepitchte doch langsame Vocals verstärken noch den Charakter einer außerirdischen Feierleichkeit, die dann im Gewitter messerscharfer Beats ihr Ende findet – oder ihren glorreichen Höhepunkt. Das hier ist der Soundtrack eines Films, dessen Regisseur im Kopf des Zuhörers mit der Arbeit beginnt, sobald die Druck auf Play erfolgt. Eine unfassbar eindringliche und faszinierende EP.
Jefre Cantu-Ledesma – Tracing Back The Radiance
Thaddeus: Gestern erschien ein neues Album von Félicia Atkinson. Sollte man sich unbedingt anhören. Doch auch Jefre Cantu-Ledesma hat gestern eine neue LP veröffentlicht, und meine Walkman-Wahl fällt auf seine drei verhalten-epische Stücke. Sollte noch Zeit bleiben am Wochenende, höre ich erneut ihre gemeinsamen Arbeiten. Cantu-Ledesma macht das Label Root Strata und spielt in der Band Tarentel. Seine umfangreiche Solo-Diskografie ist schwer zu fassen, wer er das weite Feld der dronigen Ambient-Welt mit jedem Release erst mit der Abrissbirne in poröse Einzelteile zerlegt und sich dann überlegt, wie er sie neu zusammensetzt. „Tracing Back The Radiance“ erinnert mich an alles und nichts. Die offensichtlichsten Assoziationen sollen hier nicht namentlich erwähnt werden, eben weil sie so offensichtlich sind und am Ende auch gar nicht wirklich passen. Der Ausgangspunkt, so ist zu lesen, waren ein paar simple Piano-Melodien. Da mögen einige schon abwinken, und es sind genau diese Fragmente, die die Erinnerungsmaschine anwerfen und Fähnchen setzen. Aber das ist nicht die Geschichte dieser Platte, jedenfalls nicht für mich. Denn für Cantu-Ledesma sind sie allenfalls ein ordnender Puls, um den herum er seine sanfte Ambient-Welt aufbaut, in der er erstaunlich elektrisch zugeht. Zwar sind die Kanten allesamt gut verpackt, Spannung und Gegensätzlichkeiten aber immer präsent. Dabei geht es nicht um das offensichtliche Hin und Her zwischen Schönheit und Zerstörung, sondern vielmehr darum, beides so miteinander zu verknüpfen, dass die ursprüngliche Energie und musikalische Sprache dieser Ansätze zusammen ins Meer des großen Ganzen fließen. An dieses Mündungsgewässer hat Cantu-Ledesma einen großen Wassertank gestellt, in den er die schönsten Strömungen umleitet. Und dort liegen wir dann, im Unterdruck der Befreiung. Staunend.