Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
Moodymann – DJ-Kicks
Benedikt: Deep oder House oder Disco? Sowas von Fehlanzeige. Auf seiner ersten offiziellen Mix-CD, DJ-Kicks Nr. 51, schlägt Kenny Dixon Jr. erst einmal langsame Töne an, HipHop, Soul, Jazz: eine Reise durch zeitgenössische, schwarze Musik voll stilvoller Referenzen auf Vergangenes. Der Detroiter lässt uns Teil haben, an seinem phänomenal differenzierten Musikgeschmack, der keine Grenzen, aber dafür nur Schätze zu kennen scheint. Wie zum Beispiel „Kiss The Sky“ von Shawn Lee und Nino Moschella oder den genialen Track „Stained Glass Fresh Frozen“ der Neuseeländer Multitalente Julien Dyne und Mara TK. Schließlich lugt mit dem Augsburger Daniel Bortz doch noch ein allseits bekanntes Gesicht hinter der House-Ecke hervor, um gleich wieder von Jose Gonzalez’ Gitarre abgelöst zu werden. Wer nach Uptempo sucht, muss sich bis zum letzten Drittel der DJ-Kicks #51 gedulden, wenn Moodymann endlich seiner Liebe zu House, Disco und weiblichen Stimmen frönt, wobei Solomuns ikonischer Remix von Noire & Hazes „Around“ die Ausnahme von letzterem bildet. In Sachen Mix bleibt Moodymann klassisch, statt Sperenzien an den Knöpfen lässt er einen Track lieber mal ausklingen. Mehr Mix im Mix wäre auch fehl am Platz, denn diese Tracklist ist für sich schon ganz ganz großes Moodymann-Kino.
Phife Dawg – Ventilation: DA LP
Ji-Hun: Vergangenen Dienstag ist Phife Dawg, Rapper und Mitbegründer der legendären HipHop-Combo A Tribe Called Quest im Alter von 45 Jahren gestorben. Phife Dawg, bürgerlich Malik Isaac Taylor, stand zwar immer ein wenig im Schatten seines ATCQ-Kollegen Q-Tip, seine Qualitäten und Skills als Rapper und Texter machten „The Low End Theory“ und „Midnight Marauders“ aber erst zu den Meisterwerken, zu denen sie heute zählen. Phife hat in seinem kurzen Leben genau ein Solo-Album veröffentlicht. „Ventilation: DA LP“ erschien 2000 via Groove Attack und wurde unter anderen von Pete Rock, Hi-Tek und J Dilla produziert. Simpel, pur und minimalistisch-reduziert. HipHop in Reinkultur. Ein DJ, ein MC, ein Mikrofon. Das genügt, heute mehr denn je.
Mr. Fingers – Outer Acid EP
Thaddeus: Der große Larry Heard in embryonaler Verweigerunsghaltung. Ein Bewusstsein für Sound Design und Mut zum Risiko war nie wichtiger als 2016. Denn schon seit geraumer Zeit wird es zunehmend langweilig auf dem Dancefloor. Bzw: Der Siegeszug der Rave-Presets scheint kaum noch aufzuhalten. Ein sehr modern klingender Ansatz, alles blitzeblank geputzt, frequenzoptimiert für große und kleine Clubs, eine überaus durchschaubare Strategie, blutleer und schal. Gleichgeschaltete Ästhetik für gleichgeschaltete Clubber. Großraum-Disko, produziert mit erbsenkleinem Aufwand. Natürlich wurden die Produktionsmittel immer besser und natürlich hat das Auswirkungen auf den Klang und natürlich ist das gut und ok, aber warum klingt jeder zweite Track heutzutage wie eine digital aufgemotzte Primark-Tüte? Der große Larry Heard also spielt auf seiner neuen EP mit dieser Realität. Da ist kein Studio mehr zu hören, kein Laptop, nicht mal ein iPhone oder iPad. Die Tracks klingen generisch, flach, bewusst an die Rigips-Wand zwischen Bar und Klo gefahren. Eine klagende Auseinandersetzung mit der Egalheit der Nacht. Und doch sind die vier Tracks dieser EP brillant. Wieder mal. Wie immer bei Larry Heard. Denn auch ein noch so minimaler Produktionsaufwand, das Überreizen von Wiederholungen, der Einsatz schnöder Plastik-Sounds, dünner Percussion-Loops, merkwürdig kühl und unangebracht klingender Presets können die Tiefe und Pointiertheit dieser Stücke nicht zerstören. Die Suche nach der Kraft im Stillstand hat den ersten Berg erklommen.