Wochenend-WalkmanDiesmal mit Matt Elliott, I Break Horses und Luvre47

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Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Matt Elliott, I Break Horses und Luvre47.

Matt Elliott Farewell To All We Know Artwork

Matt Elliott – Farewell To All We Know

Thaddeus: Ich war eigentlich nie ein besonders großer Fan von Third Eye Foundation, dem Projekt, mit dem Matt Elliott, in den 1990er-Jahren bekannt und bei vielen auch berühmt wurde. „The Mess We Made“ legte bei mir den Schalter um, sein Album von 2003, veröffentlich unter seinem Klarnamen. Wunderbare Musik. Intensiv, persönlich, vielschichtig, akustisch – aus dem Elektroniker wurde ein Singer/Songwriter, so unverhofft wie überzeugend. Seitdem begleitet mich seine Musik wirklich. Acht LPs in diesem Style hat er seitdem bereits aufgenommen – eine besser als die andere. Bei Elliott ist man immer ganz nah dran. Seine Platten klingen immer so, als hätte die Technik nicht sein Studio, sondern sein Herz mikrofoniert. Was er dabei singt und spielt, ist – für mich – gar nicht so wichtig. Es geht vielmehr um eine Stimmung, die alle Zweifel an der Welt, in der wir leben gleichzeitig betont und wegboxt. Voller Melancholie und ungeahnter Ausbrüche produziert Elliott so einen Soundtrack nach dem nächsten, der unser aller Leben widerspiegelt. Traurig, melancholisch, hoffnungsvoll und voller Kraft zugleich. Das ist auch der rote Faden seines kürzlich erschienenen Albums „Farewell To All We Know“. Was im Titel schon anklingt, übersetzt sich in zehn Songs, die homogener und gleichzeitig diverser nicht sein könnten. Es flirrt an den Ohren vorbei, es versinkt in der verschüchterten Seele und spendet neue Kraft. Ein Mann, eine Gitarre, ein Studio, ein paar Mitmacher. „The Worst Is Over Over“ heißt der letzte Track auf der Platte. Ich hoffe, er hat recht.

I Break Horses Warnings

I Break Horses – Warnings

Ji-Hun: Mit I Break Horses habe ich 2011 ein Interview geführt, was auch schon wieder neun Jahre sind… Eben nochmal nachgelesen und mich erinnert. Maria Lindén traf ich im alten City-Slang-Büro in der Dieffenbachstraße und es war rückblickend ein gutes Gespräch, was vor allem auch an der Offenheit von Maria lag. Sie erzählte, wie sie eigentlich Angst vor Musik hat, weil ihr älterer Bruder am Klavier hochtalentiert gewesen ist und sie daher so oder so an den familiären Erwartungshaltungen nur zerbrechen konnte. Oder aber auch, dass ihre Songs eigentlich Soundtracks für fiktive Dokumentationsfilme über dysfunktionale Familien und depressiven Wohlstand in Schweden seien. Daran denke ich wieder, wenn ich das neue Album „Warnings“ höre. Diese akustische Dichte und Dramaturgie, die eher programmatisch als lied-basiert funktioniert, findet sich auch hier. Das Album klingt durchdacht, lässt sich mit den Tracks Zeit und irgendwie lässt es sich bei mir gut an. Auch, weil ich mich freue, nach sechs Jahren von einer damaligen Lieblingsband wieder etwas zu hören.

luvre47 hamsterrad ep cover

Luvre47 – Hamsterrad EP

Benedikt: Mit der „Nix is gut EP“ im August letzten Jahres war Luvre47 für mich aus dem Nichts auf der Bildfläche. Sein Rap klingt nach Straße durch und durch, aber die lässt er strahlen im Glanz kurzweiliger Geschichten, weil kein stumpfer Sexismus oder platte Homophobie die Lyrik verdrecken. Weniger die eigene Thronbesteigung oder deren Wegbereitung ist das Thema. Während andere von Millis sprechen, ist seinerseits das Durchkommen allein schon Challenge genug. Der Finca-auf-Mallorca-Urlaub handelt nicht von Frauengeschichten und Exzess, sondern dient dem konzentrierten Schreiben neuer Texte. „Nix is gut, Dicka, ein Fuß in der Booth und einen hinter Gittern / Blut, Schweiß für die Crew, bei jedem Wind und Wetter“ heißt es im großartigen Titeltrack. Kaum ein Deutschrap-Song im letzten Jahr hatte die musikalische und stimmliche Energie bei gleichzeitig unfassbarer, technischer Lässigkeit eines Songs wie „Sicher“. Die Power der 808-Trap-Beats trifft bei Luvre auf alte Reimschule, die mit einer Kopfstimme vorgetragen wird, der eine tiefe Wut innewohnt. Autotune gibt’s nicht, Hooks die ins Ohr gehen aber trotzdem. Sie handeln vom Weed, dem Hustle, der Crew, den eigenen Prinzipien und Werten, Enttäuschungen und kleinen Siegen in einer Realität, in der die Cops das kleinere Problem darstellen. Luvre erzählt Geschichten aus einer Welt ohne Glitter, Geld und Bling-Geprolle – so grau wie der Gedanke an die Farbe der Gropiusstadt, in der der Berliner zuhause ist. Auf jeden Track scheinen die Hochhäuser der Trabantenstadt ihre Schatten zu werfen. Diese geerdete Perspektive, diese Roots in der Graffiti-Szene, diese Schreibe – hat Deutschrap so sehr gefehlt. Pusht den Jungen.

Heimkino: John CarpenterAkusmatischer Horror

Leseliste 10. Mai 2020 – andere Medien, andere ThemenFliegen mit Virus, Billie Eilish, R größer 1 und Oliver Pocher