Wochenend-WalkmanDiesmal mit Marc Houle, Mount Eerie und Jacques Greene

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Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.

Marc Houle Sinister Mind Walkman Maerz 2017

Marc Houle – Sinister Mind

Benedikt: Obwohl Marc Houle sich selbst nicht als DJ sieht und erst recht nicht als solcher bezeichnet, hat er schon immer ziemlich konsequent für den Dancefloor produziert. Richie Hawtins Label M_nus, auf dem der Kanadier 2004 seine erste Platte veröffentlichte, wäre ohne ihn jedenfalls um ein paar prägende Releases ärmer. Aber Houles Zeit auf M_nus endete mit dem Start des eigenen Labels „Items & Things“, gegründet mit Magda und Troy Pierce, beide zuvor ebenfalls bei Hawtins Minimal-Techno-Schmiede unter Vertrag. Und genau wie von M_inus hat sich Marc Houle derweil und glücklicherweise(!) auch von minimal-technoider Eintönigkeit verabschiedet, ohne jedoch die Vergangenheit zu leugnen, dessen augenzwinkernder Protagonist er lange war. Die prägnanten, scharfen und alleinstehenden Sounds, die ikonischen Bleeps, sind immer noch da, klingen immer noch bis in die letzte Frequenz ausdefiniert, doch die musikalische Spielwiese ist deutlich größer geworden. Allerdings reicht sie immer noch nur bis zur äußersten Kante des Tanzparketts. Der Club in dem sich die Euphorie der Düsternis Bahn bricht, bleibt der Ort der Wahl, an dem auch „Sinister Mind“ gespielt werden will. New-Wave-Referenzen, subtil ausgefeilte Melodien in den Basslines, kompromisslos marschierende Kicks, denen man sich besser nicht in den Weg stellt – sitzt, passt, nicht neu, aber anders. Der Schlusstrack „Paligma“, der als zaghafter Housetrack beginnt und sich dank Hi-Hat und gekonnt schmalem Eingriff in den Groove zum echten Brett entwickelt, ist schon nur noch Sahnehaube. Definitiv der Plattentasche würdig.

Album bei iTunes

Mount Eerie A Crow Looked At Me Cover WW25032017

Mount Eerie – A Crow Looked At Me

Ji-Hun: Dass Phil Elverum einer der brillantesten Songwriter der Welt ist, habe ich viel zu spät erst feststellen dürfen. Nun hat er als Mount Eerie ein neues Album veröffentlicht. „A Crow Looked At Me“ hat einen zutiefst traurigen Anlass. Elverum verlor im vergangenen Jahr seine Frau Geneviève durch Krebs. Gemeinsam haben sie ein Kind. Ein derart persönliches Thema, dass man an dieser Stelle den Künstler selber sprechen lassen sollte. Die Linernotes beschreiben alles, was man zu diesem intimen Meisterwerk wissen muss:

Written and recorded August 31st to Dec. 6th, 2016 in the same room where Geneviève died, using mostly her instruments, her guitar, her bass, her pick, her amp, her old family accordion, writing the words on her paper, looking out the same window. Why share this much? Why open up like this? Why tell you, stranger, about these personal moments, the devastation and the hanging love? Our little family bubble was so sacred for so long. We carefully held it behind a curtain of privacy when we’d go out and do our art and music selves, too special to share, especially in our hyper-shared imbalanced times. Then we had a baby and this barrier felt even more important. (I still don’t want to tell you our daughter’s name.) Then in May 2015 they told us Geneviève had a surprise bad cancer, advanced pancreatic, and the ground opened up. What matters now? we thought. Then on July 9th 2016 she died at home and I belonged to nobody anymore. My internal moments felt like public property. The idea that I could have a self or personal preferences or songs eroded down into an absurd old idea leftover from a more self-indulgent time before I was a hospital-driver, a caregiver, a child-raiser, a griever. I am open now, and these songs poured out quickly in the fall, watching the days grey over and watching the neighbors across the alley tear down and rebuild their house. I make these songs and put them out into the world just to multiply my voice saying that I love her. I want it known.

“Death Is Real" could be the name of this album. These cold mechanics of sickness and loss are real and inescapable, and can bring an alienating, detached sharpness. But it is not the thing I want to remember. A crow did look at me. There is an echo of Geneviève that still rings, a reminder of the love and infinity beneath all of this obliteration. That’s why.

Phil Elverum
Dec. 11th, 2016
Anacortes

Album bei Bandcamp

Jacques Green - Feel Infinite - Artwork - WWalkman25032017

Jacques Greene – Feel Infinite

Thaddeus: Ist das wirklich das erste Album von Mr. Greene? Hat der Kanadier nicht schon mindestens 28 auf dem Buckel? Müssen wohl allesamt EPs und artverwandte Formate gewesen sein. Man vergisst ja auch so viel, gerade wenn die Beats so poppig purzeln. Greene ist so jemand, bei dem mich eigentlich jede Veröffentlichung interessiert. Greene ist aber auch jemand, bei dem ich mich an fast keine Veröffentlichung noch erinnere. Das ist immer solide, oft gut, aber eben auch nicht sonderlich bemerkenswert. Bei dem ganzen Noise auf dem Dancefloor da draußen, hat es Greene zwar längst geschafft, eine eigene kompositorische Sprache zu entwickeln – die auf dem Debütalbum nochmals feiner ausdefiniert wird und auch neue Seiten an ihm zeigt – die Sounds gehen aber im emphatischen Wochenend-Rauschen unter. Das muss gar nicht schlecht oder negativ sein – ist es hier auch nicht –, Rave-Trompeten sind aber erschütternd austauschbar. „Feel Infinite“ ist somit auch alles andere als infinite, sondern vielmehr ein klar definierter Rahmen, indem Greene Hit nach Hit droppt, mit denen man viel Freude haben kann und wird, mehr aber auch nicht. Ist ja schon eine ganze Menge eigentlich. Und manchmal auch genau das, was man braucht, sucht und will. „Feel Infinite“ ist eine Platte unserer Zeit. Einer Zeit, in der Klang, Gewichtung, Ausgangspunkt und Ziel sehr genau vorgegeben sind. Wenn sich Greene irgendwann aus dieser Klammer des Zwangs löst, hören wir uns wieder. Bis dahin fühle ich mich weiter bestens unterhalten, kann mir aber immer noch nichts merken.

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Ravegeschichte: 25 Jahre 1992Heute: „Something Good“ von Utah Saints

Leseliste 26. März 2017 – andere Medien, andere ThemenRussische Hacker, Klasse 4b, Fahrradfahren in China und Zimmermädchen-Report