Wochenend-WalkmanDiesmal mit Lorde, Marika Hackman und Von Spar

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Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen.

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Lorde – Melodrama

Benedikt: Ihr Debüt „Pure Heroine“ von Ende 2013 hat einen Platz in meinen All-Time Favorites. Kaum zu glauben, dass die Neuseeländerin zu jenem Zeitpunkt erst 16 Jahre alt war. Jetzt legt sie „Melodrama“ nach, ist immer noch erst 20 Jahre alt, was wieder unglaublich klingt. Viel hat sich geändert in den letzten vier Jahren. Nach ein paar Millionen Plattenverkäufen könnte es auch gar nicht anders sein – und doch ist es im Pop-Business besonders. Während ähnlich erfolgreiche Popkünstler erstmal versuchen, die durch den Anfangserfolg geprägte Erscheinung zu bewahren (Ed Sheeran?!) und sich der Weiterentwicklung und Veränderung bewusst verweigern, vermeidet Lorde jene unglaubwürdige Stagnation. „Melodrama“ ist ein bezauberndes Popalbum geworden, ohne dem Max Martin’schen Schema F zu verfallen. Fast immer wird mit dem Radiorezept gebrochen: Durch geflüsterte oder schnell gesprochene Bridges, durch unerwartete Zusammenstürze von Beats und Produktion. Aus den Trümmern kriecht Lordes Stimme wieder zaghaft hervor. Mit letzterer geht die Sängern in Summe aber offensiver und variantenreicher um. Mal wird die Stimme bis zum Chor gedoppelt. Dann werden wieder neue Höhen erreicht und mit rauschig-tiefen Beats unterlegt, die die Playtime gefühlt fünf Stockwerke unter dem Mikro abfahren. Ständige Kontraste, Brüche, Abzweigungen und Wendungen machen „Melodrama“ zu einer spannenden Platte vom ersten bis zum letzten Track. Sie tobt sich aus zwischen dem vom Debüt bekannten Piano-Minimalismus („Liability“), Rap-Annäherungen („Sober“) und mit massig Synthetik gefüllter elektronischer Tanzmusik („Supercut“). Produzent Jack Antonoff (Bleachers) hat hier ebenso Beeindruckendes geleistet, wie die Songschreiberin selbst. Thematisch bewegt sich Lorde durch erste verflossene Lieben, das Tourleben, das Stardasein. Glaubwürdig nicht nur, weil das genau die Inhalte ihres Lebens sein dürften, sondern weil ihr stets kritischer, distanzierter Blick in wunderschönen Bildern und feinsinniger Sprache verpackt wird. „We are the greatest, they’ll hang us in The Louvre – down the back, but who cares? It’s still The Louvre.“ Ganz ehrlich – diese Platte ist zum Dahinschmelzen.

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Marika Hackman – I’m Not Your Man

Susann: Regelmäßig ist man dazu verleitet, zeitgenössischer Indie-Musik entweder Rückwärtsgewandtheit zu unterstellen (wie beispielsweise der neuen, auch guten Platte der Daddy Issues, die verdächtig grungy nach Mitte/Ende der 1990er klingt) oder gleich das Scheitern zu prophezeien. (Hier ein schüchterner Fingerzeig auf das neue Album von Phoenix, die ja mal mit „United“ (2000) eines der tollsten Indie-Alben überhaupt erschufen.) Und immer dann wird man zum Glück eines besseren belehrt und mit frischen Klängen überrascht. Marika Hackmans zweites Album ist ein lachendes, zynisches, melodisch-grungiges Indiefolk-Werk, welches ganz unverkrampft lesbische Liebe, Selbsthass, schwierige Beziehungen, das Patriarchat und weibliche Sexualität verhandelt. Und ganz nebenbei wird es dann in Songs wie „Apple Tree“ mit Marikas sanfter Stimme und akustischen Gitarren ein wunderbarer Sommerregen-Soundtrack. Das blitzende Unwetter zeigt sich wiederum in ihrem bissig-anarchischen Witz im Song „Boyfriend“: „I held his girl in my hands (I know he doesn't mind) / She likes it ’cause they’re softer than a man’s (I like to moisturise) […] No one takes us seriously just because I wear a dress“. „I’m Not Your Man“ besticht zudem durch ein beeindruckend detailliertes und poppig-neorealistisches Cover des Malers Tristan Pigott, welches man auf der Webseite der Künstlerin noch näher entdecken kann. „There are 31 hidden items for you to find. If you find them all you could win things.“ Adventure-Game-Rätselfreunde und Verschwörungstheoretiker/innen aufgepasst! Mein Favorit: der umgefallene Kaktus, dieser stachlige Phallus, begleitet vom weiblichen Stöhnen.

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Von Spar — Garzweiler

Thaddeus: Wer von mir eine Einordnung der neuen EP der Kölner Band in ihr Gesamtwerk erwartet: Tut mir leid. Ich war nie Fan der Truppe, es fanden sich immer andere, die Von Spar redaktionell betreuten, darüber war ich sehr dankbar. Dankbar bin ich auch über diese vier Tracks, denn die gefallen mir außerordentlich gut. Der aufgeplusterte Rahmen, die Geschichte Garzweilers, des Tagebaus, der Umsiedlung im Zuge der Nutzbarmachung: All das ist mir dabei ziemlich egal, auch wenn es natürlich eine dankbare Geschichte liefert, die, ob man will oder nicht, gleich die Ödnis-Bilder im Kopfkino anschiebt, sobald die Musik abfährt. Die vier Tracks glitzern in den unterschiedlichsten Instrumental-Farben. Ein bisschen episch, ein bisschen spooky, ein bisschen weird und um die Ecke gedacht, dann wieder herrlich einfach und geradeaus. Das hat alles einen ganz eigenen Swing und Schwung, überwindet mühelos die eigene Selbstbezogenheit und schraubt sich schnell aus den Untiefen der Braunkohle (da, schon wieder passiert) in den Himmel, wo Ideen länger überleben. Abbauen kann man da ja nichts. Noch nicht. Ebenfalls noch nicht einordnen kann ich die Band. Muss ich ja auch gar nicht. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass ich mich das ganze Wochenende mit ihrer Diskografie beschäftige. Manchmal ist das eben so. Da treffen sich Band und Rezensent auf dem Mittelsteifen, hängen für 20 Minuten rum, wünschen sich alles Gute und gehen dann einfach ihrer Wege.

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