Wochenend-WalkmanDiesmal mit Kevin Abstract, Lambchop und Víkingur Ólafsson

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Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit Kevin Abstract, Lambchop und Víkingur Ólafsson.

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Kevin Abstract – Arizona Baby

Benedikt: Wem die Boys von Brockhampton noch halbwegs unbekannt sind, dem sei kurz auf die Sprünge geholfen: Ein gutes Dutzend Rapnerds, darunter Musiker, Produzenten, Grafiker und andere Medienkünstler, fanden sich nach einem Post von Clifford Ian Simpson alias Kevin Abstract in einem Thread einer Kanye-West-Fanseite zusammen, um Musik zu machen. Das ist nun schon acht Jahre her, aber in jüngerer Zeit konnte das Kollektiv, sich selbst als „Boyband“ bezeichnend, ganz ordentlich Billboard-Wirbel machen. Nicht nur als Brockhampton, sondern auch solo, wobei Kevin Abstract wohl nach wie vor der bekannteste Name sein dürfte. Schon von seinem zweiten Album „American Boyfriend: A Suburban Love Story“ (2016) – zentrales Thema: Coming-out – kam ich nur schwer wieder los. Und dieser Tage sieht's nicht anders aus. Auch „Arizona Baby“ ist gewissermaßen ein Coming-of-Age-Album, zu erzählen gibt es viel: Clifford Ian Simpson, wuchs in Corpus Christi, Texas als Kind mormonischer Eltern auf. Mit 15 rannte er von zu Hause ist fort. Das muss dann so 2011/2012 gewesen sein. Die Ernsthaftigkeit seiner Inhalte wird in den für Brockhampton typischen, fluffigen Sounds verpackt – die gleichermaßen Tradition und Zeitgenössigkeit würdigen –, ohne auch nur ein bisschen auf Kosten der lyrischen Strahlkraft zu gehen. Das ist schon ziemlich phänomenal. Im Interview mit Shortlist im letzten Jahr sagte Kevin Abstract: „I don’t want to be a queer icon, I want to be an icon.“ Er ist auf dem besten Wege.

Lambchop Damaged

Lambchop – Damaged

Ji-Hun: Gestern spielten Lambchop im Berliner Funkhaus und es war natürlich mal wieder ein gutes Konzert. Kurt Wagner und seine Band machen das ja nun seit 30 Jahren. Wie viel Wut und Gefühle doch in Wagners Performanz stecken können. Ich höre dieses Wochenende daher weiterhin Lambchop. Ein Konzert hat bekanntlich nie den Raum, alle persönlichen Lieblingssongs abzubilden, soll ja auch nicht so sein. Und es war ein wunderschöner Anblick zu sehen, dass Musiker wie Lambchop weiterhin gebraucht werden und nicht alles dem Untergang geweiht ist. Damaged von 2006 habe ich lange nicht gehört. Zu sagen, es wäre eine der besten Platten würde so vielen anderen der Band nicht gerecht. Daher, ein schönes Wochenende.

Víkingur Ólafsson

Víkingur Ólafsson – Bach Reworks

Thaddeus: Ist das nun ein tragisches Missverständnis oder große Kunst? Zunächst die Fakten. Víkingur Ólafsson ist ein brillanter Pianist und steht auf die Musik von Johann Sebastian – nachvollziehbar. Wie das klingt, wenn der Fan die Musik eines seiner Idole spielt, kann man nachhören auf seinem letztjährigen Album, das genauso heißt wie eben dieses Idol. Dabei ging es Ólafsson nicht nur um seine eigene Auseinandersetzung mit der Musik, sondern auch darum, zahlreiche historische Ansätze und Interpretationen zu bewerten. Das könnte man fast schon als Remixing bezeichnen. Diese Platte hier ist dann aber noch einen großen Schritt mehr meta. Denn Ólafsson lässt seine eigenen Bach-Interpretationen – vornehmlich die des Präludiums BWV 855a – erneut remixen, von anderen Musikerinnen und Musikern. Puh! Mit dabei sind zum Beispiel Ryuichi Sakamoto, Ben Frost, Peter Gregson und Hans-Joachim Roedelius – aber auch jede Menge Freunde aus Island: Valgeir Sigurðsson, Hildur Guðnadóttir und Skúli Sverrisson. Und György Kurtág. Bei der Kombination aus Klassik und Remixen wird jedem einigermaßen kulturinformierten Menschen 2019 ja praktisch automatisch schwarz vor Augen – aus guten Gründen. Prinzipien des Pop, die selbst dort oft genug überflüssig sind, lassen sich nicht ohne weiteres sinnstiftend übertragen. Das hat nichts damit zu tun, dass das E nicht in das U passt oder umgekehrt: Es gibt vielmehr Dinge, die sich jenseits des Zitierens einfach nicht gehören. Der so betriebene musikalische Schindluder klebt zäh an den Ohren und will einfach nicht aus dem Gedächtnis verschwinden. Ganz so schlimm ist das hier nicht – es hilft uns aber auch nicht wirklich weiter. Und so richtig böse kann und will man Ólafsson nicht sein. Das erste Stück – nur von ihm gespielt – heißt immerhin „For Jóhann“ – die beiden waren nicht nur Landsleute, sondern auch Freunde. Die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich geraten – was die Qualität angeht. Denn aus dem berechenbaren Wirkungskreis bricht keiner der Beteiligten aus. Alles klingt brav und verhalten. Zum Glück gibt es keine Beats zu hören, die in Hall getauchten Preset-Techno-Allgemeinplätze von Valgeir Sigurðsson sind dennoch nicht zu ertragen. Es ist keine große Überraschung, dass Herr Sakamoto alle anderen locker an die Wand spielt, während er am Prophet 5 ebenso locker ein paar Flächen-Gassenhauer hinstellt. Der Sinn und Zweck dieses Albums jenseits des Namedroppings erschließt sich bis zum Schluss nicht. Das nicht nicht rund, nicht spannend und keine Spur edgy – eben doch nur ein großes Missverständnis.

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