Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute hören wir Jori Hulkkonen, Tom Rogerson / Brian Eno und Shinichi Atobe.
Jori Hulkkonen – Don’t Believe in Happiness
Benedikt: Ein bisschen erinnert mich dieses Album an die erste Folge der gerade erschienen vierten Staffel von Black Mirror. Die spielt auf einem Raumschiff, ein offensichtliches Zukunftsszenario also, doch bedient sich des Stils von Star Trek und versprüht damit gleichsam dessen 80er-Charme. „Don’t believe in Happiness“ erscheint ebenfalls wie ein Blick in die Zukunft – zusammengesetzt aus Elementen, die wir längst kennen, deren Erinnerung gar zu verblassen beginnt. Detroit Techno, Disco, Electro, House und vergessene Popmusik vermengt Juri Hulkkonen mitsamt seiner Stimme zu bezaubernder Electronica. Selbst industrielle Referenzen werden Richtung Kitsch und Langsamkeit verklärt. Da kommt Melancholie auf. Schau, wie schön es hätte werden können, aber die heutige Realität sieht – musikalisch und weit drüber hinaus - nunmal anders aus. Don’t believe in Happiness, die ist bloß Trugbild, so die in maximaler Resignation mündende Erkenntnis. Zwar versucht sich Juri Hulkkonen zwischenzeitlich der Annäherung an heutigen Zeitgeist, doch so richtig klappt das nicht. Als sei er sich des Scheiterns vollkommen bewusst, kehrt er schließlich zurück zum Zukunftstraum von einst, der sich nie erfüllt hat. Ein sehr sehr sehnsüchtiger Start ins neue Musikjahr.
Tom Rogerson / Brian Eno – Finding Shore
Ji-Hun: Musikgenres und -stile haben generell ein Problem: Inflation vertragen die wenigsten. So verhält es sich auch mit der Klaviermusik. Was einst mit Hauschka, Goldmund und Co. vor zehn Jahren losging, ist heute zu einer Art Komfortzone der Musikliebhaber geworden. Nils Frahm ist zum Superstar geworden, die Grandbrothers haben bei City Slang unterzeichnet, und es fällt heuer wirklich schwer, in dem Wust von neuen Pianisten noch so etwas wie Frische zu hören. Zynisch meinte ich mal zu Thaddi, es handle sich doch um eine neue „Richard-Clayderman-isierung“ der Popmusik. Das Klavier als heimelige Soundtapete, um gegen das Böse da draußen zu bestehen. Das gemeinsam von Tom Rogerson und Brian Eno entstandene Album „Finding Shore“ ist auch Klaviermusik. Eine Konstellation wie man sie in ähnlicher Form auch schon bei Insen (Alva Noto und Ryuichi Sakamoto) oder den eben genannten Grandbrothers gesehen hat. Der Pianist und der Techniker. Tom Rogerson ist in diesem Falle der Klavierspieler, der Impulsgeber, er schafft die Klangbasis, die dann von Eno mit seinen Studioapparaten gesamplet, manipuliert oder mit Effekten interpretiert wird. Ein bewusst auf Improvisation setzender Langspieler ist hierbei entstanden, der sich zudem gar nicht anbiedernd reaktionär anlässt, was an sich schon mal ein Glücksfall ist. Aber auch sonst ist bei den gemeinsamen Sessions ganz wundersame Musik entstanden. Ätherisch, ambient, cineastisch, ganz unverkrampft und ohne den neoklassischen Saccharin-Abgang.
Shinichi Atobe – From The Heart, It's A Start, A Work Of Art
Thaddeus: Ein guter Vorsatz für das neue Jahr: Dinge aufarbeiten, die man zwar nie ignoriert, aber auch nicht zum persönlichen Thema gemacht hat. Shinichi Atobe ist so ein Musiker. Mit seiner ersten Maxi gelang ihm 2001 eine kleine Welle – die vier Tracks erschienen immerhin auf „Chain Reaction“, da wird Technohausen ehrfürchtig. Atobe verschwand danach genauso von der Bildfläche wie das Label: Bassdrum-Schwamm drüber. Miles Whittaker und Sean Canty – gemeinsam besser bekannt als Demdike Stare – klingelten 2014 bei Atobe in Japan und verschafften sich Zugang zu seinem Archiv. Drei LPs sind bislang so entstanden – diese hier ist die dritte. Patina hatten diese Tracks schon, als sie produziert wurden. Eine Art Echo der Vergangenheit wabert durch die Chords und Beats, das immer präsente Knistern ist der Tatsache geschuldet, dass einige der Stücke von Dubplates kopiert wurden. Klingt authentisch, zeigt aber auch, wie flüchtig das musikalischer Erbe selbst in Zeiten des Digitalen sein kann. Die Veröffentlichung dieses Albums hier liegt bereits einige Monate zurück. Das macht nichts. Atobe produziert Musik, die ohnehin wie aus der Zeit gefallen klingt und die Auseinandersetzung mit einer kurzen Epoche beschreibt, an der die wenigsten teilgenommen haben. Zeit wird erst dann relevant, wenn sie keine Rolle spielt.