Wochenend-WalkmanDiesmal mit Jasss, Ian William Craig und The Notwist

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Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Jasss, Ian William Craig und The Notwist.

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Jasss – Whities 027

Benedikt: Silvia Jiménez Alvarez alias Jasss hat sich in den letzten Jahren durch die düstersten Techno-Nächte gespielt und dabei einen Sound gepflegt, der kaum ohne die oft gehörten Schlagwörter Electro, Industrial und Drone auskommt und doch weit mehr ist, als die weitere Auflage einer zig mal durchgenudelten Ästhetik. Das gilt wie ich finde auch für dieses Whities-Release. Beide Tracks kommen als dystopischer Auftakt daher, was in diesen Tagen sich langsam lockernder Nervenenden nach einem fast schon selbst- oder fremdgefährenden Hörversuch klingt. Aber ganz so ist es dann doch nicht. Weil der Anklang grell tranciger Synths schon dafür sorgt, dass die volumninöse Darkness einen doch nicht Schwarz sehen lässt.

WW-Ian William Craig Artwork

Ian William Craig – Red Sun Through Smoke

Thaddeus: In meiner ohnehin schon ruhigen Straße ist es dieser Tage noch viel ruhiger. Man nimmt Geräusche intensiver wahr. Gestern früh ratterte ein Laster vorbei und stoppte am Spielplatz nebenan. Vorhängeschloss an das Eingangstor, einsteigen, weiterfahren. Gestern Abend dann flackerte Blaulicht zu mir hoch: Polizisten eskortierten Jugendliche mit Boombox von eben jenem Spielplatz und entließen sie in die Nacht. Auch bei Ian William Craig läuft es nicht gut. Der Infozettel zu seiner neuen LP umfasst vier Seiten und liest sich wie ein Abgesang auf die Welt. Waldbrände, ein sterbenskranker Großvater und eine Liebe, die 5.000 Meilen Distanz bewältigen muss. Da ist es irgendwie kein Wunder, dass „Red Sun Through Smoke“ streckenweise mit reichlich Pathos daherkommt. Soll mir recht sein. Denn was er hier im Zeitraum von zwei Wochen im Haus des kranken Großvaters aufgenommen hat, ist schon ziemlich gut. Vor allem immer dann, wenn er eher nicht in klassischen Songstrukturen unterwegs ist, sondern die Piano-Aufnahmen mit seiner Stimme rudimentärer Elektronik zerstört. Das ist mal leise, mal sehr laut, dabei aber immer überraschend und irgendwie angemessen. Passt in den Moment.

The Notwist Shrink Cover

The Notwist – Shrink

Ji-Hun: Die Weilheimer Überband The Notwist hat wahrscheinlich nur gute Alben gemacht. Welches das wichtigste ist, darüber ließe sich natürlich streiten. Ich glaube, dass „Shrink“ dieser Rolle auch 22 Jahre nach Erscheinen noch immer gerecht wird. „Shrink“ ist so ein Alltime-Favourite-Album, das ich mir für den Walkman aufbewahrt habe, falls mal trockenere Zeiten anstehen. Irgendwie ist das Diggen im Backkatalog derzeit für mich aber auch zufriedenstellender als an irgendwelchen halbverzweifelten Livestreams zu hängen. Die Echtzeit ist derweile ohnehin intensiv. „Shrink“ erschien auf Community und ist das erste der Band um Markus und Micha Acher gemeinsam mit Martin Gretschmann/Console/Acid Pauli. Console hat im gleichen Jahr ebenfalls bei Community sein legendäres Album „Rocket in the Pocket“ herausgebracht. Ein bisschen wie ein Edeltransfer bei Barcelona ließ sich das seinerzeit an. Superband! Rückblickend ist „Shrink“ mit seinen aufgeclusterten Sounds, filigran-fragilen Headrooms und brillaten Produktion von O.L.A.F Opal und Mario Thaler noch immer eines der wichtigsten zusammen gedachten Perspektiven auf Indie und Elektronik. Es ist zeitlos und mir gefallen gerade die ausgeprägten Jazz-Passagen der ausgewiesenen Jazzexperten Acher noch immer ausgezeichnet oder noch besser denn je. Wer hört mit 19 auch Jazz. Davon ging man ja mit den Jahren immer weiter weg, was ich persönlich zwar schade finde. Aber meisterhafte Klassiker wie „Shrink“ lassen sich halt immer hören und damit meine ich auch wirklich immer.

Filter Tapes 038„Resonance Moscow“ von Nikita Zabelin

Leseliste 22. März 2020 – andere Medien, andere ThemenBiggies Gürtel, Vernunftpanik, nach Corona und Bravo