Wochenend-WalkmanDiesmal mit Jack Chrysalis, Lucy Railton, Una Vida de Barrio

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Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Jack Chrysalis, Lucy Railton und Fußball in Kreuzberg.

Jack Chrysalis Assent EP Walkman

Jack Chrysalis – Assent EP

Benedikt: Lang nichts mehr gehört, was so schlicht und schön ausformuliert wurde wie der erste Track dieser EP. „Drip Ripple“ hat eine sanft gebrochene Percussion, einen einzigen Lead-Synth-Sound mit Dub-Attitüde, und klar: Textur, die Adlips des Techno. That's it. Eine DJ-Steilvorlage, mit Sicherheit, aber für sich allein ein Vorzeigestück perfektionierter Reduktion. Dabei soll's auf der derb diversen EP aber nicht bleiben. „Under Leaf“ ist kompromisslose Zuspitzung auf dem großen Floor, „Feels Like“ wurde mit Samba infusioniert, während Chirps und Bleeps konstrastieren. Dass UK Bass bzw. dessen Ausuferungen der kleinste gemeinsame Nenner dieser EP sind, die das letzte Release eines Dreiteilers darstellt, dürfte spätestens mit „Assent“ klar sein, das trotz sattem Bass-Volumen und Hi-Hat-Dominanz als Vorab-Ausklang daher kommt. Mein persönliches Highlight, so moll und schief, so grell, so gut. Bevor mit „Steel Fritality“ der Vorhang dann wirklich langsam fällt. Ich werd' mir wohl die beiden Vorgänger EPs mal zu Gemüte führen. Und mich zu den kaum mehr als 200 Soundcloud-Followern des Londoners gesellen, um dessen nächsten Output nicht zu verpassen.

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Lucy Railton – Louange à l’Éternité de Jésus

Thaddeus: Kein Album, keine EP, einfach nur ein Stück. Vor zehn Jahren spielte die Cellistin Lucy Railton gemeinsam mit Andrew Marx dieses Stück von Olivier Messiaen in der Buckfast Abbey in Devon. Es war ein Samstag, irgendwann am Nachmittag. Klingt nach Leichtigkeit, aber dafür ist das Stück, der fünfte Satz von Messiaens „Quatuor pour la fin du temps“, das er als Kriegsgefangener in Deutschland schrieb, viel zu aufwühlend. Die Dringlichkeit wird von der Art der Aufnahme unterstützt. Statt den Klang am Mischpult abzugreifen, reichen ein paar Mikrofone im Raum, um nicht nur den Sound, sondern auch die Atmosphäre einzufangen. Das geht sehr nah. Es gibt dieses wundervolle Live-Album von Low: „One More Reason To Forget“. Die Band wählte genau den gleichen Ansatz. Und schon beim ersten Stück, „Be There“, fährt vor dem Venue ein Krankenwagen mit heulender Sirene vorbei, das Martinshorn wird zum festen Bestandteil des Tracks. So ähnlich ist es auch hier. Jedes kleine Husten, jedes Geräusch unterstreicht die Tragweite Messiaens Komposition. Acht Minuten und 32 Sekunden Weltklang. Die 10" gibt es bei Boomkat, digital ist Bandcamp die Anlaufstelle. Alle Erlöse gehen an die Grennfell Foundation und die Covid-19-Hilfe für Flüchtlinge der UN.

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Various Artists – Una Vida De Barrio

Ji-Hun: Es gibt in Berlin-Kreuzberg eine regelmäßige Fußballgruppe, die hauptsächlich aus DJs und Producern aus diversesten Ländern besteht. Eine illustre und sympathische Gruppe. Ich habe vor Jahren ein, zweimal mitgespielt. Der knallharte Asphalt im staubigen Bolzkäfig und die schroffen Wände waren für meine zarten Gelenke damals aber eher nichts. Nun hat der belgische Mittelfeldregisseur Tristan Jong, auch bekannt als Gratts, eine Compilation gemeinsam mit Delfonic (Oye) ins Leben gerufen. Mit Tracks und Songs aus dem verschwitzten Dunstkreis der Kicktruppe. Mit dabei sind Juliano, Trujilo aus Venezuela, Ian Blevins, Harry Baldi, Nemorna und viele mehr. Ein schönes Projekt, das zeigt, wie universal und kreativ die Sprache des Fußballs sein kann und auch wenn der weltweite Profifußball große Krisen heraufbeschwört, wird der gemeinsame Kick unter Freunden wohl niemals aussterben. Ist ja auch einfach zu schön.

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