Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Iron Curtis & Johannes Albert, Built To Spill und Atom™.
Iron Curtis & Johannes Albert – Moon II
Thaddeus: Vor exakt drei Jahren und einem Monat feierte ich an dieser Stelle, in dieser Kolumne, das erste gemeinsame Album von Iron Curtis & Johannes Albert. Drei Jahre. Damals hieß ihr Album noch „Industrie und Zärtlichkeit“, schnell wurde es in „Moon 1“ umbenannt, um näher am damaligen Projektnamen – Moon – dran zu sein. Heute treten Johannes und Johannes wieder unter ihren „Klarnamen“ auf. So verwischt man wohl Spuren. Das ist alles weder wichtig noch relevant. Viel wichtiger ist die Tatsache, dass „Moon II“ fantastisch geworden ist. Der musikalische Rahmen ist dem des Vorgängers ähnlich: Zwischen Electro, balearischen Brisen, Disco und dem Vermächtnis von Drexciya, Detroit und London, entspinnt sich eine Reise, die die Goldene Ära unserer Lieblingsmusik liebevoll in den Arm nimmt. Das klingt lapidar – waren sie damals die ersten, die das gemacht haben? Nein. Im Gegenteil. Johannes und Johannes aber haben ein Regler-Händchen dafür, diese unterschiedlichen Einflüsse so schlüssig miteinander zu verweben, wie sonst niemand anderes. Außer Lauer vielleicht. Sie selbst nenne ihren Style „introverted Electronic Body Music“. Darüber musste ich einen Moment nachdenken (nicht über „introverted“, sondern über EBM). Aber der Groschen fiel schnell. Denn natürlich war gerade der deutsche Approach an diese hybride Genre von genau diesen Einflüssen geprägt. Darum klang Frankfurt/Main auch immer anders als Brüssel oder Antwerpen. Die Welt ist ein Katalysator. Ob das nun Haltung angeht oder nur eine Bassline mit jeder Menge weißem Rauschen. Projekt für das Wochenende: Die definitive Playlist dieser Zeit zusammenzustellen. Und eine Release-Party in dieser verlassenen Strandbar zu buchen. Für wann auch immer.
Built to Spill – Built to Spill Plays the Songs of Daniel Johnston
Ji-Hun: Dem im vergangenen Jahr verstorbenen Singer-Songwriter Daniel Johnston hat die Band Built To Spill ein Album gewidmet. Ein Cover-Album, das es auch verdient, als Album gespielt zu werden. Daniel Johnston war zu Lebzeiten schon immer so etwas wie der Singer-Songwriter’s-Singer-Songwriter. Ein kommerzieller Erfolg war ihm nie vergönnt, dennoch hörte er nie auf und wird vielleicht auch deshalb von vielen großen Musikern als Einfluss verehrt. Kurt Cobain trug ein T-Shirt von ihm bei dem MTV Award 1992. Tom Waits und Beck coverten noch zu Lebzeiten seine Songs. Built To Spill wählen einen direkten Zugang zu Jonstons Liedern. Eindeutige Akkorde, einfache Bässe, hier wird nichts verkünstelt, interpretiert oder aufgebauscht. Es fühlt sich eher wie ein familiärer Liederabend in einem Proberaum einer sehr coolen Band an. Das ist aber schon eine Menge.
AtomTM – <3
Benedikt: Muss eine Weile zurückliegen, dass ich das letzte Mal eine Platte Uwe Schmidt wirklich gehört habe. Denn das muss man ja: Sie wirklich hören. Sonst wirkt der Zauber nicht, das ist auch hier nicht anders. Nach eigener Aussage ist die vor einigen Wochen erschienene Platte dem Genre „Hard Code Pop“ zuzuordnen. Der Titel liest sich – eigentlich selbst verständlich in Anbetracht des dahinterstehenden Musikers – „kleinerdrei“. X1N heißt das nicht näher definierte Wesen, vielleicht eine Maschine, vielleicht ein Algorithmus, dessen Fähigkeiten der synthetischen Sprach- und Stimmerzeugung auf dem Album ständig zu hören sind. Man könnte X1N als inhaltliches Zentrum der 9 Tracks betrachten, als musikalischen Fixpunkt. Andererseits ist das hier „Musik von Maschinen, mit Maschinen, für Maschinen.“ Vielleicht ist also X1N gar nicht das Thema, sondern der eigentliche Akteur und AtomTM der Studiogast. Man muss sich diese Fragen gar nicht stellen und ich würde wohl keine Sekunde lang diesen Gedanken folgen, wenn „<3“ nicht eben auch eine ziemlich hörenswerte Platte wäre. Denn wieder schafft es Uwe Schmidt den mathematisch präzisen, bisweilen metallischen aber immer kompromisslos Maschinensounds diese gewisse Pop-Lebendigkeit einzuhauchen, in der zum Beispiel auch Melancholie und Ironie stattfinden – wenn auch in etwas heruntergekühlter Form. Das macht Spaß. Und davon abgesehen: Die Texte – davon gibt's viele, wir reden schließlich von Pop – sind ziemlich großartig. „No Hashtag needed.“