Wochenend-WalkmanDiesmal mit Hollow Comet, Hoavi und Silvent Servant

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Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Brandneu, wieder entdeckt oder aus der Geschichtskiste ausgebuddelt. Heute mit Hollow Comet, Hoavi und Silent Servant.

Hollow Comet Cover

Hollow Comet – Hollow Comet

Ji-Hun: Ich muss ganz ehrlich sein. Als sich vor einigen Jahren das große 90s-Indie-Revival andeutete, hatte ich ein wenig Angst. War doch damals schon vieles gut und heute kaum bekannt. Aber, das haben die vergangenen Jahre gezeigt: diese neue Indie-Generation kann viel, ist talentiert, klug, aufgeklärt, feministisch, bisschen anti, schreibt großartige Songs und viele Musiker sind technisch vielleicht sogar besser als die erste LoFi-Generation, obwohl es in dieser Spielart ja vermeintlich nur sekundär ums Können geht. Aber J. Mascis, Stephen Malkmus und Thurston Moore leben heute noch von ihrem großen Gitarrenspiel. Skills schaden nicht, und LoFi wie Noise haben nicht per se was mit exerzierten Dilletantismus zu tun. Vielleicht ist Indie heute sogar wieder jene Subkultur, deren Idee Anfang der 2000er im Bandnamen-mit-„The“-Hype kurzzeitig aufgegeben wurde. Tapes, kleine Szenen, Hauptsache Songs schreiben, proben, spielen. Strange Ranger sind so eine charmante und unprätentiöse Band. Offenbar sehr jung, und auch produktiv. Seit Oktober 2017 haben sie ein Album und zwei EPs veröffentlicht und der Sänger/Gitarrist Isaac Eiger hat nun unter Hollow Comet auch noch sein erstes Solo-Album herausgebracht. Acht dezente, rauschige, einnehmende Songs, simpel wie toll arrangiert, die sich respektvoll an jene Riesenlücke herantrauen, die Mark Linkous (Sparklehorse) und Elliott Smith mit ihrem zu frühen Tod im ersten Jahrzehnt des Milleniums hinterlassen haben. Das hat nichts mit Fledderei zu tun, das ist ein behutsames Weiterschreiben, Weitermachen und Weiterleben. So darf und soll es mit dieser Musik gerne weiter gehen.

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Hoavi – Phobia Airlines

Thaddeus: Aus St. Petersburg erreichen uns diese neun Tracks. Kirill Vasin ist bereits seit ein paar Jahren an seiner Vision der elektronischen Musik dran – hat aber erst wenige Veröffentlichungen vorzuweisen, einige davon auf Kassette im Eigenverlag. Ganz ähnlich wie bei Roman Belavkin spielt auch bei Kirill Vasin die „Klassik“ eine große und deutlich hörbare Rolle. Sehr melodiös, oft ebenso sanft und verspielt, sind sowohl Chord-Struktur als auch die Rhythmik ein selbstbewusstes Verneigen vor der großen Phase der post-technoiden Restauration. Dazu gehören nicht nur pulsende House-Miniaturen, sondern natürlich auch die Breakbeats, die auf zwei Tracks (einmal echt, einmal angetäscht-programmiert) für zusätzliches Flimmern sorgen. Die Musik von Hoavi dockt nicht an einen klar auszumachenden Sound an, sondern eher an eine Haltung. Eine Haltung, die damals die Welt bewegte und auch heute noch unbedingt so relevant wie einzigartig ist. Gut, dass im Haus, in dem all die Menschen leben, die genau das verstehen und wertschätzen, nun ein neues Panoramafenster gebaut wurde.

silent servant walkman cover

Silent Servant – Shadows of Death and Desire

Benedikt: Kommt ganz schön düster daher, diese in Darkwave, Post-Punk und EBM getränkte Platte des ehemals bei Sandwell District beheimateten Juan Mendez. Allein was die Formalitäten angeht, Cover, Titel: Anspruch Düsternis. Dem Künstler nach soll die Platte das Produkt einer weniger guten Veränderung im Leben sein. Was genau sich dahinter verbirgt, erfährt man nicht. Aber diese vornheraus proklamierte, düstere Stimmung stellt sich bei mir in den knappen 27 Minuten, die die Platte für den Durchlauf braucht, gar nicht recht ein. Während andere das EBM- und Darkwave-Programm mit seiner nur allzu bekannten Ästhetik bloß durchlaufen lassen, klingt diese LP als verstände ein Musiker diese Ästhetik als Spielwiese, auf dem die programmatischen Regeln nicht unbedingt gelten. Und um Himmels Willen auch nicht gelten sollten. Die Schatten von Tod und Sehnsucht als Spielkinder? Gefällt mir.

Gärten der Welt – #4Streifzüge durch die musikalischen Peripherien

Leseliste 13. Januar 2019 – andere Medien, andere ThemenDie Autorin Sally Rooney, Viktor Orbán, Luxemburgismus und der große Smart-Home-Schwindel