Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Brandneu, wieder entdeckt oder aus der Geschichtskiste ausgebuddelt. Heute mit Freund der Familie, Spirit Fest und Prequel Tapes.
Freund der Familie – Omega
Thaddeus: 2013 zerlegte mit sanfter Beharrlichkeit ein Album die Grundfesten der elektronischen Musik: „Alfa“ von Freund der Familie. Klaus Rakete und Mirko Hunger hatten es noch nie mit Konventionen, und genau deshalb setzte ihr erstes Album dem Schlachtplan, den sie zuvor mit EPs skizziert hatten, eine Krone auf, die auch heute – fünf Jahre später – noch hell leuchtet, sich nun aber endlich ein bisschen ausruhen kann: „Omega“ ist da. Die beiden Freunde der Familie stelle man sich am besten als Leuchtturmwärter vor. Beflissen und ihrer Profession verpflichtet, sitzen sie hoch oben und nehmen mit dem hellen Strahler all die musikalischen Positionen in den Blick, die sonst Gefahr laufen würden, den Steilklippen zu nahe zu kommen und zu zerschellen. Fragile Fragmente, die so den sicheren Weg gen Zukunft finden. Dabei strahlen die Musiker die Tracks nicht nur an, sondern bauen auch gleich Brücken vom einem zum nächsten und wieder zurück und verknüpfen so Stimmungen und Haltungen, wie es kein neuronales Netz jemals schaffen würde. „Omega“ ist ein Statement in Sachen Kontext. Natürlich hört man die gemeinsame Basis, die Mirko und Klaus von Beginn an vereinte. Da ist der Dub, da ist das Rauschen, da ist der Hall, da ist die Liebe zu ganz bestimmten fast schon musealen Signature-Sounds. Und natürlich ist da auch die Bassdrum. Doch all dies wird nicht nur neu verhandelt und immer wieder umgeworfen – in diesem Beet der Tradition kreucht und fleucht es lebendiger denn je, so dass die Pyramide der Geschichtsschreibung einfach auf den spitzen Kopf gestellt wird. Beim erst taumelnden Ausbalancieren und dann krachenden Umfallen dieses Konstrukts ist man auf „Omega“ live dabei. Eine Schockwelle der Erweckung, gebettet auf Samt.
Spirit Fest – Anohito
Ji-Hun: Erst im vergangenen Jahr entdeckte ich die Superband Spirit Fest für mich und offenbar läuft es bei den Tenniscoats, Markus Acher, Cico Beck und Mat Fowler derzeit wie am Schnürchen. Mit „Anohito“ gibt es nun bereits eine neue Platte. Gemeinsam war die Band auf Europa-Tournee und dabei sind diese Songs entstanden. Bester Kammer-Pop, der noch mehr japanische Texte wagt als beim Album zuvor und in dieser Machart einfach unwiderstehlich ist. Jetzt müsste man nur noch Japanisch können.
Prequel Tapes – Everything Is Quite Now
Benedikt: Wenn einen die physische Verfassung ans Bett kettet, man von Schüttelfrost und Fieber geplagt die Matratze nassschwitzt und man sich nur wünscht, dass es endlich aufhört, dann ist die Plattenauswahl für den Walkman fast unmöglich. Weil selbst Musik, die unter normalen Umständen ein Genuss wäre, zur Folter verkommt. Dass hier ausgerechnet das in der letzten Woche erschienene Album von Prequel Tapes zum akustischen Zufluchtsort der Genesung werden könnte, hätte ich vorab nicht erwartet. Und auch beim Erklingen des Openers wollte ich noch aufgeben. Zumal das Wandern auf den schmalen Pfaden zwischen Drone, Ambient, EBM und Techno mir eh immer recht schwer fällt. All diese Elemente sind zwar die grundlegenden Bestandteile von „Everything Is Quite Now“, doch Prequel Tapes zeichnet mit ihnen ein industrielles Idyll, dass nicht wie so oft fordernd daherkommt, sondern in dem das Rostbraun langsam wieder dem satten Grün der Natur weicht, in dem die Zeit die scharfen Katen abschleift. Hier wird Industrialisierung zum Biedermeier verklärt – wunderschön und heilsam.