Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit Fennesz, Smallpeople und These New Puritans.
Fennesz – Agora
Thaddeus: Ach, der Fennesz. Macht nach fünf Jahren mehr oder weniger konsequenter Pause ein neues Album und will sich so gut wie nicht dazu äußern. Akzeptiere ich natürlich. Muss ja auch gar nicht sein. Das beste Presse-Info aller Zeiten stammt immerhin von Autechre und besteht aus einem Satz: „Autechre made a new record and they don’t want to talk about it.“ Voll in Ordnung. Ich wüsste aber doch gerne, wie es Fennesz dabei ging, sein ganzes Equipment in der eigenen Wohnung zu parken, notdürftig und fragmentarisch zu verkabeln und dann unter dem Kopfhörer dieses Album aufzunehmen. Wäre ich gerne dabei gewesen, ich hätte sogar meinen eigenen Adapter mitgebracht, um muxsmäuschenstill zuzuhören. Beim Schichten, Verorten, Staffeln, Zerstören und erneutem Aufbauen. Seit mittlerweile drei Monaten laufe ich mit diesem Album rum, und endlich darf ich aufschreiben, wie ich mit der alles beherrschenden Distortion im Sound Design erlebt habe, wie die letzten Böller weggekehrt wurden, der endlose Regen gegen die Fenster prasselte und die ersten warmen Tage mich irgendwie unscharf hoffnungsvoll stimmten. Bei Fennesz bin ich ja immer sehr emotional – das sei mir verziehen. Aber die Wucht und Intensität des Openers – „In My Room“ – ist so überbordend zerbrechlich, dass die Musik einfach zu mir spricht. Ihr Schwebezustand zwischen Aufbruch und Unsicherheit, zwischen Noise und Sweetness, zwischen Dringlichkeit und Loslassen. Statement, hingestellt. Da ist der Rest fast schon egal, aber nicht minder wichtig und groß. Denn die Soundscapes von Fennesz waren – und sind – immer anders, meistens – auf diesem Album unbedingt – besser als alle anderen. Die kompositorische Balance zwischen angetäuschter Übertriebenheit und purem Soul, was ja wenig mehr bedeutet, als den Instrumenten genau zuzuhören, fängt „Agoria“ nicht nur ein, sondern definiert sie komplett neu. Vier Tracks, vier Statements. Immer anders, immer einzigartig. Die Wall Of Sound steht in voller Blüte. Wer John Lanchesters aktuellen Roman gelesen hat, weiß, wovon ich spreche. Es kann nur besser werden.
Smallpeople – Afterglow
Ji-Hun: Dieses neue Album der beiden Smallpeople anzumachen, ist ein bisschen als würde man einen besten Freund nach zehn Jahren wiedersehen. Alles ist irgendwie beim gleichen geblieben, obwohl doch so viel in der Zwischenzeit passiert ist. AfD, Trump, Brexit – so viel absurdes Zeug, das keiner mehr so richtig versteht, aber erstmal her mit dem Bier alte Schachtel. Erzähl doch erstmal. Julius Steinhoff und Just von Ahlefeld machen immer noch deepen House, den sie mit ihrem Label Smallville für eine lange Zeit auch wesentlich mitgeprägt haben. Die Dauerbeschallung und Nervung blieb zuletzt aus. Ich meine sowas gehört zu haben, dass Julius nach Freiburg zurück gezogen wäre, daher ist es noch schöner, dass sich die beiden wiedergefunden haben und natürlich hat Stefan Marx das Cover gemacht. So vorhersehbar das alles eben ist, so prima ist es halt auch. Let the music speak – alles wird gut.
These New Puritans – Inside The Rose
Benedikt: Die Geschichte von These New Puritans begann Mitte/Ende der Nullerjahre: Eine vierköpfige Band, die irgendwie sperrigen Post-Punk („Beat Pyramid“, 2008) mit mehr und mehr kratzbürstiger Elektronik anreicherte („Hidden“, 2010). Die dritte Platte „Field of Reeds“ wurde dann 2013 nicht mehr bei Domino, sondern auf Infectious Music veröffentlicht, musste ohne Sophie Sleigh-Johnson auskommen und plötzlich erklang elektronische Avantgarde an Seite eines Pianos, langsam, schwerfällig, bisweilen pathetisch und damit ganz weit weg vom rauen Post-Punk zuvor, aber nach wie vor düster. Mittlerweile hat sich die Band weiter dezimiert, übrig geblieben sind die Zwillingsbrüder Jack und George Barnett. Was schon in der ersten Minute von „Inside The Rose“ auffällt: Jack Barnett scheint das Singen gelernt zu haben und rückt die Stimme mutiger als je zuvor ins Zentrum des seit jeher schwer definierbaren Sounds. Nun drängt sich die allseits ungeliebte Assoziation zu Depeche M..., nein lassen wir das. Das einstig globale Knirschen und Kratzen beschränkt sich bloß noch auf die von sauberer elektronischer, klassischer und hier und da brachialer Produktion umgebenen Snares. Kurzum: ein neuer Pop-Appeal bricht durch die die weiterhin dunkle und bisweilen industriell gewandete Ästhetik. Und der kommt mit unerwartet starker Sogwirkung daher.