Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute hören wir East Man, Elephants On Tape und Ashtar Lavanda
East Man – Red, White & Zero
Thaddeus: Anthoney Hart ist ein Mensch mit vielen musikalischen Gesichtern. Filter-Leserinnen und -Leser kennen ihn bereits als Basic Rhythm und Imaginary Forces – jetzt debütiert er als East Man. Zwölf Tracks, acht Features, denn es gibt einiges zu behandeln. Schon der Projektname kommt dabei nicht von ungefähr – der Mann aus dem Osten ist der Typ aus dem Osten Londons, wo sich spätestens seit Olympia die Gentrifizierungsschraube ja bekanntlich am schnellsten dreht – immer noch. Hart beschäftigte sich mit dieser Seite der Stadt, mit der Arbeiterklasse, den multikulturellen Vierteln. Und will das auf diesem Album abbilden. Geholfen hat ihm dabei Paul Gilroy, der auch gleich die Linernotes schrieb (der ältere Herr auf dem Cover in mitten der Meute). Die Tracks sind ausnahmslos sensationell – wie eine Stadtrundfahrt getaktet, randvoll mit O-Tönen, natürlich Harts Beat-Arbeit und dem Input der MCs, zum Beispiel Saint P, Eklipse, Darkos Strife oder Killa P. Hart selbst nennt seinen neuen Entwurf „Hi Tek“, man kann aber auch einfach Bass sagen. In den unterschiedlichsten Ausprägungen – wie das eben so funktioniert heutzutage. Nun gilt es nur noch herauszufinden, ob man gleichzeitig das Album hören und „Ain't no Black in the Union Jack“ lesen kann.
Elephants On Tape – Lightweights
Susann: Gut Ding will Weile haben – so sagt es sich sprichwörtlich. Der erste Titel dieses Albums „Good Thing“ spielt vielleicht nicht darauf an, aber es passt so gut zum Beginn dieser leichtfüßigen und verträumten Indieplatte. Über zwei Jahre ließen sich die fünf Musiker/innen von Elephants On Tape Zeit um ihr Debütalbum zu produzieren – weniger im Studio, sondern oft auch allein in den heimischen vier Wänden. Ein bewusst gewählter Arbeitsprozess, der nicht nur mit den verteilten Wohnorten der Bandmitglieder zu tun hat. „LoFi-Bedroomproducing“ nennen sie das und dieser Intimität lässt sich in den Songs nachspüren. Die typische Band-Instrumentierung Gitarre-Bass-Schlagzeug und die Ergänzung durch Synthie-Sounds und Samplings bringt vielseitige Klangwelten, ob elektropoppige Indietronica oder analoge Akustikklänge, stimmig zusammen. Die Stimme der Sängerin Lisa Zwinscher passt zudem so gut zu der titelgebenden Leichtigkeit – und was für ein schöner Kontrast ist es doch, ein schweres Tier wie den Elefanten im Namen zu tragen und das Album dann ein Leichtgewicht zu nennen? Wenn auch ein Debütalbum, bringt die Band professionell ihre Tätigkeitsfelder und ihr Netzwerk zusammen: Robert Gemmel (Gesang, Synth, Sampler) gestaltete beispielsweise das Cover, welches sich im zugehörigen Video zu „Microscope“ mit den eigenwillig-besonderen Illustrationen von Nakama Mara entfaltet. Von Debüt zu sprechen ist übrigens auch nicht ganz angemessen, da Elephants On Tape schon seit knapp 5 Jahren zusammen Musik machen und sie auch auf EP-Veröffentlichungen in Eigenregie blicken können. Die Entwicklung zum ersten, „richtigen“ Album jedoch ist in seiner Geschlossenheit bemerkenswert und es macht Freude ihnen dabei zuzuhören.
Ashtar Lavanda – Unsolved Mysteries
Benedikt: Angesprochen auf das Album „Wayang“ von Suba, gerade veröffentlicht bei Offen Music, sagte Labelmacher und Langzeitresident beim Salon Des Amateurs Vladimir Ivkovic im gestrigen Interview: „Als ich zu Subas Archiv kam, wusste ich: Das ist jetzt dein Schwarzer Peter. Du hast die Karte gezogen und kannst sie nicht ignorieren. Das ist auch wie eine Verantwortung denen gegenüber, die nach uns kommen. Diese Musik zugänglich zu machen.“ Ein ähnliches Verantwortungsgefühl mag Jimmy Edgar dazu veranlasst haben, diese Platte auf seinem Label Ultramajic herauszubringen. Die Tracks auf „Unsolved Mysteries“ stammen nämlich von alten DATs, die Edgar in seinem Detroiter Lager voll alter Vinyls, Tapes und halbkaputtem Equipment gefunden hat, das 2014 in seinen Besitz überging. Aufgenommen wurden die Tapes zwischen ‘95 und ‘98, der staubige Karton trug die Aufschrift „Ashtar Lavanda“. Jimmy Edgar machte sich auf die Suche nach dem Urheber – und fand ihn, zwei Jahre später. Der hat sich natürlich gefreut, dass seine unverkennbar nach Detroit klingenden Electro-Tracks zwei Jahrzehnte später doch noch den Weg in einen Labelkatalog finden sollten. Es ist das erste offizielle Release seiner Musik. Synthie-Melodien im Stakkato, ein Groove der sich vor Boogie und Funk verneigt, eine auf sanfte Art kompromisslose Tanzmusik. Entstehungskontext dürfte hier vor allem eins bedeuten: jugendlicher, unbedarfter Spaß an der Maschine, an Sounds, an quietschigen Modulationen ebenso wie an kratzig flachen Drums und verschrobenen Vocal-Samples. Ein wunderschönes Fundstück, dessen zeitloses Highlight mit „Mafia Lights“ ganz am Ende steht.