Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Duster, American Football, Bella Boo und Barker.
Duster – Duster
Susann: Comebacks sind so eine Sache. Oft sind sie verzichtbar (ganz klar im Falle von Ozzy Osbourne oder den Scorpions) oder werden von gemischten Gefühlen begleitet – wie jüngst in der hoffnungsvollen Ankündigung von Liam Gallagher auf Twitter, der seine Solokarriere beenden und sich mit seinem Bruder versöhnen möchte. Im Falle der kalifornischen Indie und Slowcore-Band Duster ist es aber eine helle Freude. Nach zwei Alben und nun fast 20 Jahren Pause erschien im letzten Jahr erst eine Reissue „Capsule Losing Contact“ und dann im Dezember das selbst betitelte Album. Die drei Musiker Clay Parton, Canaan Dove Amber und Jason Albertini sind sich stilistisch treu geblieben, „Duster“ kommt exploratorisch und wabernd in Lo-Fi-Ästhetik daher. An der Aufnahmetechnik haben sie auch nach 20 Jahren nichts geändert, gespielt wird direkt live auf Kassette in Partons Garage. Und wo dieser Hang zum LoFi bei manchen Indiebands und Shoegazern irgendwie verkrampft wirkt, ist sie bei Duster unverstellt und gibt der Platte einen nihilistischen Anstrich. Die zurückgenommenen und fast wortkargen Lyrics unterstreichen das, der Text des zweiten Liedes passt in einen Tweet: „Don't you know I'm lost? / Don’t you know I'm lost without you here / Without you near“. Wahrscheinlich haben die Drei auch einfach Recht und in diese Zeit passt keine optimistische Musik. „We didn’t feel like we belonged in this world before. And the world is only an even bleaker hellscape now.“ ließ Parton in einem Vice-Interview verlauten. Was für treffende Worte zum Jahresbeginn der Lieblingsband vieler Lieblings-Indie-Bands.
PS: Das großartige Artwork – depressiv starrende, weiße Katze vor Schwarz – bestätigt dann auch wieder meine heimliche These „Gutes Cover, guter Inhalt“.
American Football – Year One Demos
Ji-Hun: Die amerikanische Band American Football hat in seinen über 20 Jahren Bestehen gerade mal drei Alben herausgebracht. Das ist in der Tat übersichtlich, spricht aber gewissermaßen auch für die Qualität der Band. Viele Combos, die Mitte/Ende der 90er auf der Emo-Welle mitschwommen, gibt es heute aus vielerlei (und oft legitimen) Gründen nicht mehr. Bei American Football lässt sich das aber anders an. Da war schon immer mehr als nur Mittelstandskinderangst, das war schon immer auch sehr gute Musik. Nun hat der Drummer Steve Lamos in seinem alten Kinderzimmer ein Demo von 1997 entdeckt. Ein altes Viertelzoll-Tape, das nach gerade mal vier Wochen Bandexistenz entstand. So etwas wieder zu veröffentlichen, braucht durchaus Mut und Abstand zum eigenen Schaffen. Die Tracks wurden wieder aufgearbeitet, neu gemastert und schillern gerade durch die LoFi-Nichtproduktion charmant. Eine schöne Zeitreise in imaginierte staubige Proberäume, in denen es noch kein Internet gab.
Barker – Utility, Bella Boo – Once Upon A Passion
Benedikt: Der erste Wochenend-Walkman des Jahres – seit jeher der schwierigste in Sachen Plattenauswahl. Eigentlich hat man immer eine recht klare Vorstellung davon, was darin stattfinden soll. Immerhin hat man gerade das Fazit des letzten (Musik-)Jahres gezogen, die eigenen Geschmacksrezeptoren hinsichtlich neu formulierter, persönlicher Erwartungen ans neue Jahr neu ausgelegt. Und jetzt sollen sich diese doch bitte anhand eines frischen Releases der ersten beiden Kalenderwochen des Jahres 2020 abbilden lassen. Klappt nie. Es ist schon schwer genug (und erscheint in diesem Jahr einmal mehr unmöglich) in der ersten Woche eine grundsätzlich okaye Veröffentlichung zu finden. Das ändert sich dann immer schlagartig ab Mitte/Ende Januar. Aber bis dahin gilt es, sich mit Überbleibseln des letzten Jahres zu begnügen, was schlimmer klingt, als es ist. Aber was sind nun die stets subjektiven Erwartungen an das Musikjahr 2020? Für mich persönlich heißt das zunächst einmal: ‚bisschen mehr Techno.‘ Nicht nur weil sich die Anzahl der eigenen Clubbesuche 2019 an einer Hand abzählen ließe, wobei 3 davon in die zweite Jahreshälfte fallen. Sondern auch weil ich das Gefühl habe, dass in den Clubs etwas passiert, mehr noch: eine lang gehegte Hoffnung sich nunmehr als ernsthaft erwartbar entpuppt: Mehr Remix. 2020 als Jahr, in dem sich ‚dirty hats‘ und die ‚F1-optimierte‘ Trockenheit auf der Kick nicht mehr fremd sind, genau wie die polyphone Modular-Synthie-Line und das Vocal-Sample aus dem New Yorker House-Keller. Auf den Tanzflächen dieser Stadt kündigt sich das längst an. Anhand der Line-up-Namensliste einer Klubnacht im Berghain lässt sich schon lange nicht mehr nachvollziehen, wer eigentlich die Panorama Bar bespielt. Und selbst wenn doch, kann es passieren, dass Vincent Neumann gerade Yung Hurn über den Berghain-Floor trappen lässt. Auch die Lobby des ://about blank ist längst zur Spielwiese jedweder Richtung geworden, die sich von House und Techno aus einschlagen lässt. (Der Hopper-Floor des Katers konnte das schon immer ganz gut, doch das Thema Holzmarkt ist nach wie vor 'ne andere Baustelle.) Das ist natürlich alles radikal verkürzt und lokalisiert, aber erfahrungsgemäß doch mehr als eine Nullaussage. Was heißt das nun auf Release-Ebene? Überspitzt gesagt: Eine Kollaboration von Rrose und Cuthead, eine Zusammenarbeit zwischen Barker und Bella Boo – wie wäre es damit? Dass ein Feature mehr ist, als die akustische Summe der Beteiligten, muss endlich mal klar werden. Und weil die beiden Alben der gerade genannten Künstler hier 2019 gar nicht stattfanden, es sehr wohl aber verdient gehabt hätten, sei ihnen an dieser Stelle gewürdigt: