Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen.
##Dominique A – Éléor
Thaddeus: Im ersten Walkman 2016 gleich eine fast schon olle Kamelle. Geht aber leider nicht anders. Das 14. Album des Franzosen Dominique A kam schon im März letzten Jahres raus, ging aber natürlich komplett unter, wie das so oft mit französischer Musik jenseits von Daft Punk geschieht, da hilft auch die beherzte Lobby-Arbeit des extra eingerichteten Musikbüros nichts. Ich bin vor einigen Jahren auf Herrn Ané aufmerksam geworden, zunächst über Umwege. Weil ich eine andere Platte, die er produziert hatte, so lieb gewonnen hatte. Schritt für Schritt, also Album für Album wühlte mich dann durch sein Schaffen, eine Geschichte mit viel Licht, aber auch ein wenig Schatten. Ané macht wohl Chansons. Obwohl ich beim besten Willen nicht weiß, was dieser Begriff heute in Frankreich überhaupt noch bedeutet. Vielleicht benennt man seine Musik mittlerweile auch ganz anders. Ané singt wie ein Gott. Was er da singt, kann ich nur im Ansatz überprüfen, meine Französisch-Kenntnisse liegen ungefähr auf einem Level mit meinen Scratching-Skills. Wenn ich aber Fragmente übersetzen kann, dann ist das irgendwie immer sehr süß, oft kitschig, manchmal einfach gut. Das ist alles nicht so wichtig, denn seine Stimme selbst ist wie ein Instrument und für mich daher eher Musik als Information. Das neue Album ist brillant. Vielleicht sein bestes bislang überhaupt. Großartige Songs. Zugegeben, ohne Ecke und Kanten – die hatte Ané früher mal –, dafür aber sehr auf den Pop-Punkt. Chanson-Punkt. Songwriter-Punkt? Auch das ist nicht wichtig bei toller Musik.
##The Gentleman Losers – Dustland
Ji-Hun: Wenn wie jetzt die körperinternen Vitamin-D-Reserven so voll sind wie Sektgläser am Neujahrsmorgen, dann ist es eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann der Blues kommt. Dieses vor allem in Berlin nicht zu unterschätzende Loch, wenn zu wenig Licht auf die Haut trifft, trockene Heizungsluft die Stimme wieder um ein Jahr altern lässt und penetranter Schneematsch in Schuhen die Haut zwischen den Zehen aufweichen lässt. Viele verreisen im Winter einfach nach Tulum oder Thailand. Wie feige eigentlich. Ich hingegen sehe den Winter ja protestantisch und durchaus positiv. Wie soll man den Frühling zu schätzen wissen, wenn man den Winter nicht durchgemacht hat. Kalifornien wäre daher auch dauerhaft nichts für mich. Aber was hat der Zentraleuropäer schon zu mäpen, wenn die dunkle Jahreszeit kommt, soll er doch erstmal nach Skandinavien. Dort ist der Winter wie ein nicht enden wollender bizarr-kalter, finsterer Truck, der einen über Monate hinweg überrollt. Aber so etwas hat auch was Gutes. Denn ich glaube: Nur wer so was kennt, kann auch Musik wie The Gentleman Losers machen. Die finnischen Brüder Samu und Ville Kuukka stehen hinter dem Projekt und das Album „Dustland“ ist ihr bis dato großes Meisterwerk und erschien 2009. Ein einsamer Roadtrip durch dunkle feuchte Wälder mit rauschenden Schneewehen, knisterndem Feuer, hartem Alkohol und viel existentialistischer, wie intensiver Liebe. So eine Musik kann glücklich machen, lehrt Demut vor dem Leben und lässt einen für eine Zeit imaginativ Einsiedler sein, irgendwo ganz weit weg, ohne Snapchat, ohne Notifications, ohne affektierten Großstadtstress. Wie befreiend.
##Jeremih – Late Nights: The Album
Benedikt: Jeremih hats mir angetan. Obwohl lupenreiner R’n’B und ich uns nicht wirklich gern haben – bis dato. Vielleicht ändert sich das mit „Late Nights“ ja. Man sollte den eigenen eingeschliffenen Geschmack schließlich regelmäßig auf die Probe stellen, ansonsten würde ich heute noch keine Oliven mögen. Dank seiner Features mit YG, Ty Dolla $ign, Future, Big Sean und J. Cole – um nur einige zu nennen – war es nur eine Frage der Zeit, bis der 28-Jährige aus Chicago auf meiner Bildfläche erscheinen würde. Jetzt komme ich endlich mal dazu dem Album ein bisschen Zeit zu widmen. Nach erstem Reinhören erschien „Late Nights“ auf jeden Fall düster, was schon mal gefällt. Ob R’n’B und ich doch noch Freunde werden? Nach diesem Wochenende werde ich es wissen.