Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Brandneu, wieder entdeckt oder aus der Geschichtskiste ausgebuddelt. Heute mit Djrum, Channel Tres und John Beltran.
Djrum – Portrait With Firewood
Ji-Hun: Fünf Jahre hat sich Felix Manuel Zeit gelassen, das zweite Album nach seinem Debüt „Seven Lies“ von 2013 herauszubringen. Derweil war er zwar als Djrum weiterhin umtriebig und hat zahlreiche EPs auf 2nd Drop, Ilian Tape und R & S Records veröffentlicht, auf letzterem erscheint nun aber endlich „Portrait With Firewood“ und es ist ein gutes Album geworden. Zeitlose Drum-and-Bass-Dekonstruktionen treffen auf Intelligentia-Techno treffen auf autorencineastische Piano-Miniaturen mit Cello und es ist trotz des weiten Spektrums homogen verraucht, flirrend dark, teils an der Grenze komprimiert und von der Konsistenz her eine durchaus spannend erzählte LP, der die oft totgeleierte Ambition jener Zusammenkunft von derben Club-Sounds und Homelistening souverän gelingt. Breitwandig ist es halt, aber das konnte man in UK schon immer besonders gut.
Channel Tres – Channel Tres EP
Benedikt: Die Musik von Sheldon Young alias Channel Tres könnte ganz anders klingen. Der eigenen Aussage nach war der in den Nachbarbezirken Lynwood und Compton in L.A. aufgewachsene 26-Jährige auf dem besten Weg zum EDM-DJ. Er schrieb Popsongs, programmierte sich von Drop zu Drop. Dann begegnete er dem Release-Katalog von Moodymann, hörte sich einmal quer durch Detroit und Chicago. Die Konsequenz: Alles auf Anfang, Reputation ausradieren – Reset. Der bis dahin das Schaffen bestimmende, musikalische Kontext des Künstlers ist heute nicht mehr (wirklich) auffindbar, das Discogs-Profil erstrahlt stattdessen in jungfräulichem Weiß. Freie Fläche, die es nun zu füllen gilt. Diese EP, Anfang August auf Godmode erschienen, ist ein mehr als gelungener erster Anfang. Nicht bloß Moodymanns Musik hat hier zweifellos als künstlerischer Input, wenn nicht sogar teils als Vorlage gedient. Gute, alte Traditionen von Mr. Fingers, Mike Dunn, Theo Pharrish und unzähligen anderen werden hier fortgeführt. Channel Tres mangelt es dabei nicht an Soul, ganz im Gegenteil. Er klingt jünger, bleibt aber so nah am Original, dass diese Platte eher als Versprechen für das zukünftige daherkommt. Vorerst lässt sich jedoch ganz wunderbar zu dem hier tanzen. „Your body is a game, fuck the lames, fuck the fame — I am your controller.“
John Beltran – Earth & Nightfall
Thaddeus: Dieser Tage erscheint „Ten Days Of Blue“ von John Beltran endlich wieder auf Vinyl. Eine gute Gelegenheit sein erstes Album – von 1995 – hier nochmal in den Walkman zu schieben. Beltran. Was macht ein Mann mit diesem Nachnamen im groß gefassten Techno-Universum? Wird man nicht ständig mit Beltram verwechselt und muss sich dann anhören, die Tracks, die seien ja ganz schön soft? Vollkommen egal. Denn Beltran ist der einzige Musiker, dem gelingt, mit der 909 Ambient zu machen. Sein Sound auf dieser Platte spiegelt die damalige Stimmung in Detroit perfekt wider – und wurde nur ein Jahr später von Neil Ollivierra aka Detroit Escalator Company aufgenommen und in den Redux-Himmel geschoben. Gut, das ist sehr grob skizziert, und anders als Ollivierra hat Beltran immer weiter produziert und veröffentlicht – bis in die Gegenwart hinein ist er aktiv. Immer gut. Doch dieses Album hier hat sich auf alle Zeiten in meinem musikalischen Gedächtnis festgesetzt und will mir mit seinen flatternden HiHats, den weiten Flächen und gezupften Arpeggios einfach nicht aus dem Kopf. Ein Meilenstein der Freiheit. Eine Huldigung des „being moody“. Ein Statement der Divergenz mit abstrahiertem Acid und trotz allem Ambient den heftigsten Snare-Wirbeln, die an träumerischen Tupfern abprallen, als wäre die Kernfusion nie erfunden worden. Warum nur ist diese Musik in Vergessenheit geraten?
PS: Dass das nicht wirklich Ambient ist, haben jetzt alle verstanden? Bestens.