Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: DJ Python, Fiona Apple und Satoshi Tomiie.
DJ Python – Mas Amable
Thaddeus: „Mas Amable“ ist so ein Album, das man aus ganz unterschiedlichen Richtungen und mit verschiedenen Prägungen und Ohren hören kann. Vielleicht überschlägt sich genau deshalb die Kritik gerade so, wenn es um die neue Platte von DJ Python geht. Brian Piñeyro bricht seinen Kosmos, der sich eh noch wie richtig einordnen ließ, in zig Tausende Kekskrümel klein und zerreibt sie mit viel Gefühl im Sampler. Grinding, ganz neu. Natürlich hat das etwas mit Reggaeton zu tun, mit Dembow und mit Dancehall. Ich höre die acht Tracks eher als Artcore oder Drum and Bass aus der besten Phase, runter gerechnet auf ein Abstraktsionslevel, den ich bislang für schlicht unmöglich hielt. So als ab Photek mit Autechre im Studio sitzt und Rob Hall den Tee kocht. Eigentlich ist das Album nur ein Stück, zerlegt in Teile, die immer wieder aufeinander aufbauen, sich eine Weile bedingen und dann gegenseitig auslöschen. Mit minimalsten Mitteln entwickelt Piñeyro eine Geschichte, die trotz angetäuschter Hektik in den Beats schon nach wenigen Minuten einen unglaublich meditativen Sog der Repetition entwickelt. Fließende Übergänge zwischen den Stücken befördern ein Wegdriften, das einen die Variationsdichte und strukturelle Entwicklung der Komposition ausblenden lässt. Vollkommen unklar, worum es hier wirklich gehen soll oder zumindest könnte. Tief und unscharf zugleich, verschwimmt jede Möglichkeit der Orientierung zur nutzlosen Haltestange. Also tief einatmen und einfach springen. Ja, das ist unglaublich clever und on point, aber eben auch sehr, sehr gut. Wer mit Emotionen so sparsam auf einem Album hantiert, hat den großen roten Lolli verdient.
Fiona Apple – Fetch The Bolt Cutters
Ji-Hun: Es gibt Alben, die hört man das erste Mal und auch wenn man sie nicht auf Anhieb versteht, spürt man, dass hier etwas sehr Großes passiert. Das fünfte Album der Amerikanerin Fiona Apple „Fetch The Bolt Cutters“ dürfte genau so ein Meisterwerk sein. Ihr erstes Album in acht Jahren. Diese Musik steht nicht zwischen den Stühlen, sie schwebt darüber, sie ist autonom und dekonstruiert Konventionen nicht des Zwecks willen, sondern weil diese Musik sich von eben jenen Konventionen und Regeln befreien will und ziemlich nonchalant kann, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Mein Musikleben hat Fiona Apple 1999 mit ihrem Album „When The Pawn Hits The Conflicts He Thinks Like A King What He Knows Throws The Blows When He Goes To The Fight And He'll Win The Whole Thing 'Fore He Enters The Ring There's No Body To Batter When Your Mind Is Your Might So When You Go Solo, You Hold Your Own Hand and Remember That Depth Is the Greatest of Heights and If You Know Where You Stand, Then You Know Where to Land and If You Fall It Won't Matter, Cuz You'll Know That You're Right.“ nachhaltig beeinflusst. Sie war damals 22 und produzierte mit Jon Brion Songs und Sounds, die mich heute noch gerührt hinterlassen. Fiona Apple wurde 1996 bereits mit ihrem Song „Criminal“ berühmt und sie machte seither alles, um nicht in die MTV-Riot-Postergirl-Falle zu stolpern, die ihr bestimmt nicht nur einmal gestellt wurde. Sie wurde eben nicht zur nächsten Alanis Morissette. Dass Apple sich acht Jahre Zeit für „Fetch The Bolt Cutters“ gelassen hat, muss man auch erst können. Ich wiederhole mich, aber so eine Kurzrezension ohne die Platte hundertmal gehört zu haben, erscheint mir gerade halbherzig, aber jetzt habe ich ja schon angefangen, was nun? Ich lege einfach eine wahnsinnige Wette ab. Ich behaupte „Fetch The Bolt Cutters“ ist das Album, das Kanye West gerne gemacht hätte. So viel Genie, Kunstfertigkeit, Transzendenz, Deepness, Stilvarianz und Meisterschaft hätte Mr. West glaube ich nur zu gerne in petto. Wenigstens kann er hart sellen. Die mäandernden abstrakten Songstrukturen, die Nähe zu Kurt Weill, die satt-schmutzige, fast punkige Produktion, die teils komplexen und zugleich reduzierten Arrangements, das ist kunstvoll-brillanter, moderner und intensiver Meta-Pop ohne eine Bazille Eklektizismus. Dass so etwas überhaupt geht, gibt mir Glauben in die Musik zurück.
Satoshi Tomiie – Immersed
Benedikt: Auf 20 Minuten kommmt Satoshi Tomiies neue EP, doch die sind wirklich wunderbar endlos auf eine Art und Weise wie es eben nur House kann. Eine simple Bassline, ein sanftes Zisseln auf den Hats, die Kicks pumpen. Damit hätte man die Grundzutaten aller drei Tracks. Die letztliche Ausgestaltung variiert zwar, aber bleibt den Prinzipien treu. „65Hz“ klingt ein bisschen dirty und dank wenig Release und noch weniger Anlaufzeit unabhängig des eigentlich Tempos zackig, auf der zweiten Nummer lässt der Dub kurz grüßen und zum Abschluss macht das Drumset nochmal ein bisschen Party mit für sich selbst. Ach ja ... Eine Open Ai ... Nein lassen wir das. Zuhause ist auch schön und House ist auch zu Hause schön.