Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen.
##DJ Paypal – Sold Out
Thaddeus: Was folgt auf „Buy Now“? Natürlich „Sold Out“. Und warum die neue EP von Paypal bei Flying Lotus' Ninja-Tune-Tochter „Brainfeeder“ erscheint, ist vollkommen klar. Wer Jazz so hoch konzentriert dekonstruiert, wird in Los Angeles mit offenen Armen empfangen. Dabei beginnt alles fast schon ruhig und smooth, mit einem Hauch Philip Glass'schem Stillstand, bevor der Wahnsinn losbricht. Wobei: Wahnsinn trifft es überhaupt nicht, alles ist wohl konstruiert, in Sampling-Scheiben zerschnitten, mit großen Soul-Überbleibseln aufbereitet, bis die Note-Repeat-Taste vor lauter Aufregung sich dem schweren Moog-Funk ergibt. Hier sieht jemand ganz klar, holt sich unter anderem Tye und Earl dazu, tanzt kurz den Boogie um die Hochkultur und droppt die besten weggefilterten Bassdrums seit Motorbass. Bevor sich beim letzten Track alle Nintendo-Charaktere die Klippe runterwerfen und einen Ozean voller 8Bit-Tränen vergießen, vorbei an einem durchaus ernst gemeinten Moll-Orchester. Das ist die erste gefootworkte Platte in 3D.
Credibil – Renæssance
Benedikt: Fast wäre das Debüt-Album des Frankfurters an mir vorbeigegangen. „Ein Frankfurt-Album eben“, streifte es mich gedanklich. Ändern sollte sich diese Einstellung zu „Renæssance“ bzw. zu Credibil generell erst, als mir das höchst lesenswerte Interview mit Staiger vor die Augen kam. Darin entpuppt sich Credibil nämlich als blitzgescheit und höchst sympathisch. Als Künstler, der nicht nur weiß was er macht, sondern auch warum er das macht, was er macht. Fernab von Gangstergetue und prolliger Laberei. Natürlich geht es auch auf „Renæssance“ um Frankfurt, Brudis, Taunusstraße, Offenbach. Aber eben nicht als bloße vor Kraftwörtern strotzende oder sogar glorifizierende Überzeichnung eines Gangsterlebens, sondern als einen vor Melancholie triefenden Ort, der trotz allem Heimat bedeutet. „So schön hässlich“ eben. Schwere Kost, genau wie die gesamte Platte, auf der sich Credibil zwar an seiner Biografie abarbeitet, aber trotzdem zwischen seiner Identität als Künstler und seiner selbst differenziert. Dass Credibil derzeitigen Deutschrap in Sachen Flow und Lyrik zum Großteil in die Tasche steckt, beweist er auf Tracks wie „Druckluft“ & „1001 Nacht“. Dazu kommen die „Akt Apella“-Tracks, die dem Album in Form von Gedichten einen ganz besonderen roten Faden verleihen. Dass das Produzentenduo The Cratez sich an Seite von Credibil (und nur an Seite von Credibil!) weiterhin die Deutschrap-Ehre gibt, erfreut ebenfalls. Denn was abseits von Sprechstimme aus den Speakern schallt klingt zwar nach typischer durch Frankfurt stampfender Schwermütigkeit, aber nicht eine Sekunde nach Beat-Baukasten.
##Missy Elliott – WTF (Where They From)
Ji-Hun: I know. Ich breche die guten alten Wochenend-Walkman-Regeln. Denn eigentlich wollen wir hier nur Alben oder ähnliche Longplayer featuren und „WTF“ ist eine Single, ein Song, nicht mal eine EP. Dafür handelt es sich um einen Track, der so mächtig ist, dass er für ein halbes Dutzend guter Alben steht. Und das nicht nur, weil er von Missy Elliott ist – der unangefochtenen Queen of HipHop, die ihr letztes Album „The Cookbook“ vor zehn Jahren herausbrachte und jetzt endlich wieder (nach dem gemeinsamen Super-Bowl-Auftritt mit Katy Perry) ein künstlerisches Lebenszeichen von sich gibt. Und wie sie zurückkommt. Der gemeinsam mit Pharrell produzierte Track hat einen Beat wie ein Architekturmonument. Das Video: ebenfalls großes Tennis. Danke Missy, dass du wieder da bist, HipHop ohne dich war irgendwie ein bisschen langweilig.