Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen.
DJ Harrison – Hazymoods
Ji-Hun: Devonne Harris aka DJ Harrison stammt aus Richmond, einer Stadt, die jetzt nicht sonderlich wegen ihres HipHop-Outputs in der Historie bekannt geworden wäre. DJ Harrison könnte da ein neuer Lichtblick werden. Auch das Label Stones Throw Records fand die Produktionen von Harrison so gut, dass sie gleich das Debüt „Hazymoods“ verantworteten, was vor einiger Zeit herausgekommen ist. Devonne Harris hat die Welt des Plattensammelns durch seinen Vater kennengelernt, der Radio-DJ ist. DJ Harrison blieb aber nicht beim Diggen und Auflegen. Er spielt Geige, Drums und studiert mittlerweile Jazz an der Virginia Commonwealth University. Sein ungewohnter Ansatz: Er wurde erst dadurch Produzent, indem er anfing, auf Schlagzeug, Bass, Gitarre und Klavier Samples bekannter HipHop-Stücke nachzuspielen. „Hazywoods“ macht dabei vieles richtig. Es eiert elegant wie bei – ja, ist halt immer so – J Dilla. Die Loops polstern sanft auf dem Taperecorder. Die Beats sind allesamt harmonisch verkifft und understate. Und es ist selten klar, ob die Samples wirklich Samples sind oder doch live eingespielt. Das ist aber sekundär, spätestens wenn die Grooves einen eingefangen haben. Wenn man sich sein altes weißes Corsa-Cabrio, das nie besessen wurde, zurückwünscht und man einen Tag lang mal nichts anderes möchte, als geradeaus zu fahren.
Jack Peoples – Laptop Cafe
Thaddeus: Wenn es ein Elektronik-Album gibt, auf das sich alle einigen können, dann ist es „Lifestyles Of The Laptop Café“ von The Other People Place. James Stinson veröffentlichte die Platte 2001 auf Warp, kurze Zeit später folgte eine EP des Drexciya-Mitglieds auf Clone. Genau ist auch diese EP hier erschienen. Aus diesen Tracks sollte ein weiteres Album werden, aufgetaucht sind die Skizzen auf einer DAT-Kassette. Man nimmt ja, was man kriegen kann. Denn auch wenn das Projekt mittlerweile knapp 20 Jahre auf dem Buckel hat, klingt es immer noch frisch und wichtig. Das hat keine Verklärung – Stinson starb kurz nach dem Album-Release –, sondern ein Beweis dafür, wie zeitlos diese fluffigen Electro-Entwürfe sind und bleiben. Die sechs Tracks atmen den Geist von damals. Wundervoll leer und roh klingen sie und doch schimmert in jedem Takt das durch, was seine Fans seit zwei Jahrzehnten immer und immer wieder in sich aufsaugen. Die Sounds, die Chords, die Beats: Es sind Tracks, die es auch problemlos auf „Lifestyles Of The Laptop Café“ hätten schaffen können. Vielleicht sogar müssen. Danke für diesen Fund, liebe Clone-Menschen.
Grey Branches – Neuroclaps
Benedikt: Techno durch und durch und doch nicht. Als Grey Branches schafft das belgische Multitalent Ives De Mey die perfekte Balance zwischen verwaschenen Schlieren und äußerster Präzision. Neuroclaps ist so wenig greifbar und doch wohnt der LP eine pulsierende Power inne, die sich erst in „Acrylic Hunger“ entzündet, von einer Sekunde auf die andere, dann aber richtig. Immer wieder wähnt man die Platte auf dem Dancefloor, kann sich gleichzeitig aber kaum vorstellen wie sie dort funktionieren soll. Als Experiment vielleicht, aufgelegt mit dem Ziel ein Publikum an seine Grenzen zu führen. Plötzlich Jungle, Dub und tiefste Deepness, kurz angerissen, und doch wieder vom wie immer gebrochenen Beat verworfen. Ein bisschen kommt es einem vor, als schaue Ives De Mey ins Spielzeugregal von Techno, nimmt sich etwas heraus, dreht, wendet, guckt, probiert, kombiniert, und legt es dann doch wieder zurück. Eins nach dem andern. Der Drone daneben ist ja auch ganz schick. Er verlässt den Laden, ohne etwas mitzunehmen. Denn der flüchtige Hands-on hat einen prägenden Eindruck hinterlassen – und damit seinen Zweck erfüllt. Eine echte Perle von Platte, für die es leider keinen Stream in voller Länge gibt.